Am 1. Januar 2002 wurde der Euro in zwölf von fünfzehn Mitgliedsstaaten der Europäischen Union als voll funktionsfähige Währung eingeführt.
Das schiere Ausmaß des Projekts lässt es zu einer monumentalen Umtauschaktion werden. Fünfzehn Milliarden Euro-Geldscheine und 52 Mrd. Münzen wurden zur Verteilung gedruckt und geprägt. Würde man die neuen Noten eine neben die andere legen, so würde das daraus entstehende Band zweieinhalb Mal zum Mond und wieder zurück reichen. Die Kosten des Umtauschs werden auf neuzehn bis fünfzig Mrd. Euro geschätzt oder, wie Wim Duisenberg, der Präsident der Europäischen Zentralbank, sagte, auf 323 Euro pro Steuerzahler in der Eurozone.
Als virtuelle Währung gibt es den Euro schon seit drei Jahren. Börsen- und Anleihemärkte, Banktransfers, Kreditkarten und andere elektronische Transaktionen, wie auch der internationale Handel werden schon seit dem ersten Januar 1999 in Euro geführt. Seit diesem Datum werden auch die Preise in den Eurozonen-Ländern in Euro ausgeschrieben. Sie standen jeweils neben der national gültigen Währung, die nun in zwei Monaten vollkommen aus dem Verkehr verschwinden wird.
Doch ist dies kein bloß symbolischer Umtausch. Der Euro ist jetzt für 300 Millionen Europäer in Österreich, Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien ein reelles Tauschmittel.
Die kleinen europäischen Staaten San Marino, Monaco und Vatikan haben den Euro ebenso eingeführt, wie Andorra, Kosovo und Montenegro. Auch die ehemaligen Kolonien der verschiedenen europäischen Mächte sind unmittelbar betroffen. Im ganzen vierzig Länder - jede fünfte Nation der Welt - haben den Euro entweder eingeführt oder ihre eigene Währung an ihn gebunden. Die osteuropäischen Staaten, die die EU-Mitgliedschaft beantragt haben - Polen, Ungarn, die tschechische Republik, Lettland und die baltischen Republiken - werden, wie auch Malta und Zypern, in Kürze den Euro übernehmen. Die gemeinsame europäische Währung könnte bald den Dollar als internationale Reservewährung überrunden oder mindestens zu einem bedeutenden Rivalen für ihn werden.
Großbritannien, Dänemark und Schweden sind die einzigen EU-Mitglieder, die den Euro nicht eingeführt haben, doch in diesen Ländern existiert er schon weitgehend als Parallelwährung. Viele große Einzelhändler dieser Länder akzeptieren den Euro bereits in ihren Filialen, und die meisten zentralen Banken bieten Scheckkonten und Hypotheken in Euro an. Durch Handel und Tourismus wird der Euro auch in Großbritannien eindringen. Die Labour-Regierung erwartet, dass die britische Bevölkerung in den nächsten zwölf Monaten die Eurozone vierzig Millionen Mal besuchen wird, während dreizehn Millionen Touristen aus der Eurozone jedes Jahr mehr als vier Mrd. Pfund in England ausgeben werden. Die meisten Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass der Euro auch in Großbritannien unvermeidlich kommen wird. Der Europaminister, Peter Hain, sagte, er bezweifle, dass das Pfund parallel zur neuen Währung überleben könne, und Premierminister Tony Blair werde lange vor 2006, vor Ende seiner Amtszeit, ein Referendum über die Einführung des Euro abhalten lassen.
Die Einführung des Euro wird tiefe Auswirkungen auf alle Aspekte des wirtschaftlichen und politischen Lebens haben. Dies macht es für die Arbeiterklasse dringend notwendig, ihren eigenen unabhängigen Standpunkt zu definieren, der sich von dem der verschiedenen Euro-Befürworter und -Gegner innerhalb der europäischen und britischen herrschenden Klasse unterscheidet.
Nur der bornierteste Nationalist wird sich weigern, zuzugeben, dass viele Aspekte der neuen Währung sowohl vernünftig als auch objektiv progressiv sind. Jeder, der schon einmal die exorbitant hohen Umtauschgebühren berappen musste, wenn er in Reisebüros, Banken und Wechselstuben ausländische Währung eintauschte, wird Arthur B. Laffer vermutlich zustimmen, der im Wall Street Journal vom 31. Dezember schrieb: "Die Ära der balkanisierten Monopole, die die verschiedenartigsten Papierscheine hervorbrachten - verziert mit den Portraits der unattraktivsten Leute, die je auf dieser Erde gelebt haben - ist jetzt vorbei. Ab morgen gibt es nur noch eine europäische Währung. Es lebe der Euro."
Aber der Wechsel zum Euro wirft tiefgehendere Fragen auf und bringt nicht nur den Vorteil mit sich, weniger Währungstransaktionen vornehmen zu müssen. Die europäische Bourgeoisie wurde zu der Einsicht gezwungen, dass der Nationalstaat nicht mehr die entscheidende und grundlegende Einheit des Wirtschaftslebens darstellt. In der Epoche der Globalisierung wird nicht nur der Handel, sondern auch die Produktion selbst ohne viel Rücksicht auf nationale Grenzen organisiert. Das Konzept der nationalen Währungen als solches ist in den Augen der weitsichtigeren Vertreter der europäischen Bourgeoisie zum Hindernis für eine rationalere und deshalb effiziente Organisation des Wirtschaftslebens auf dem Kontinent geworden.
Von diesem Standpunkt sind jene Kräfte, die jetzt die Opposition gegen den Euro anführen, beinharte Reaktionäre, die versuchen, die archaische Spaltung der Welt in verschiedene nationale Einheiten aufrechtzuerhalten. Das Nein-Lager in England wird von der konservativen Partei und dem Medienmogul Rupert Murdoch angeführt (der Labour in den letzten zwei Wahlen unterstützt hat). Der Telegraph, das Hausblatt der Konservativen, verkörpert in seinem Leitartikel "Königin und Währung" jene Art schwarzen Bodensatzes, den diese Elemente aufzuwühlen versuchen. Der Artikel bezog sich auf die "früheren Elisabethaner,... die sich durch ihr überragendes Selbstvertrauen auszeichneten. Sie glaubten, dass England das größte Land der Erde sei und vertrauten darauf, dass Gott ihnen Siege schicken werde. Wir heutigen Elisabethaner haben diesen Geist schon lange aufgegeben."
Die Sorge dieser Schicht um Großbritanniens nationale Unabhängigkeit hängt mit Fragen der Außenpolitik zusammen. Sie sind gegen die europäische Integration zu Gunsten einer Orientierung auf die Vereinigten Staaten und fürchten, dass die Einführung des Euro es Großbritannien schwerer machen werde, Sozialausgaben zu kürzen und die Unternehmenssteuern unter das europäische Niveau zu senken, und dass es dadurch die Fähigkeit verlieren werde, den globalen Konzernen ein Steuer- und Billiglohnparadies anzubieten. Ein Beispiel dafür ist die Warnung in der Schlagzeile von Murdochs Boulevardzeitung Sun: "Wenn wir dem Euro beiträten, dann wären wir nur ein kleines Rädchen in der politischen Union, die in Europa geschaffen wird. Egal was Nr. 10 [Downing Street 10, Blairs offizieller Regierungssitz] sagt, es ist die harte Realität, dass genau das nach einer Weile stattfinden würde. Wir würden zu einer unbedeutenden, einflusslosen Nation werden, zu einer Stimme unter vielen. Männer wie der amerikanische Außenminister Colin Powell würden sich nicht mehr mit der Downing Street aufhalten, sie würden sofort nach Brüssel gehen. So sieht der Verlust von Souveränität aus."
In Italien ist der Außenminister der rechten Koalitionsregierung des Medienmagnaten Silvio Berlusconi, Renato Ruggiero, wegen der Feindschaft anderer Regierungsmitglieder gegen den Euro zurückgetreten. Verteidigungsminister Antonio Martino warnte vor einem Scheitern des Euro-Projekts "angesichts der Art und Weise wie er eingeführt wurde", und der Reformminister und Chef der separatistischen Lega Nord, Umberto Bossi, sagte, "mich kümmert der Euro einen Dreck." Bossi beschrieb die EU kürzlich als "eine Verschwörung" von Kommunisten, "der Großindustrie und Freimaurern, die von Pädophilen durchsetzt ist."
Diese Schichten drücken instinktiv ihre Opposition gegen alles aus, was ihren Nationalismus und ihre Fremdenfeindlichkeit unterminiert, mit denen sie die Arbeiterklasse zu spalten und zu schwächen versuchen. Wenn z.B. britische Arbeiter ihren Lebensstandard leicht mit dem der Bevölkerung auf dem Kontinent vergleichen können, dann werden sie schnell merken, wie schlecht ihre Löhne und ihre soziale Lage sind, und so könnten sie viel leichter erkennen, dass ihr eigenes Schicksal mit dem ihrer europäischen Brüder und Schwestern verbunden ist. In diesem Zusammenhang sollte man darauf hinweisen, dass einer der positiven Aspekte des Euro darin besteht, dass er das ganze Ausmaß der Preisfestsetzung der großen Einzelhändler und Hersteller offengelegt hat. Alles, von Autos über Kleidung bis zu CDs, ist in Großbritannien um etwa ein Drittel teurer als auf dem Kontinent.
Doch auch wenn eine europäische Einheitswährung an sich ein progressives Konzept ist, wird sie von und im Interesse der Bourgeoisie entwickelt.
Allein die Schaffung einer gemeinsamen Währung ist keine ausreichende Grundlage für die harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens auf dem gesamten Kontinent. Die Kapitalistenklasse ist organisch unfähig, den grundlegenden Konflikt zwischen einer global organisierten Produktion und der Aufteilung der Welt in antagonistische Nationalstaaten zu überwinden. Im Rahmen des einheitlichen europäischen Marktes wird der Konkurrenzkampf zwischen den rivalisierenden europäischen Mächten um die kontinentale Hegemonie sich im Gegenteil verschärfen. Der Anti-Euro-Flügel der britischen Bourgeoisie hat zum Beispiel unmissverständlich klar gemacht, dass er den Euro als einen Mechanismus für die Durchsetzung der Vorherrschaft Deutschlands auf dem Kontinent sieht.
Der Zusammenschluss Deutschlands, Frankreichs und der übrigen zehn Staaten wird im Moment dadurch vorangetrieben, dass sie es für dringend notwendig halten, sowohl eine gemeinsame Strategie für einen Handelskrieg gegen die USA zu entwerfen, als auch eine soziale und ökonomische Offensive gegen die europäische Arbeiterklasse zu führen.
Das politische Establishment und die Finanzspitzen in Berlin, Paris usw. argumentieren, dass eine einheitliche Währung den Wettbewerb belebe und Strukturreformen begünstige, wodurch sich das europäische Kapital besser gegen seine Rivalen behaupten könne. Sie wurde als logische Weiterführung des gemeinsamen europäischen Marktes empfunden, der in Europa die Barrieren für Handel und Investitionen beseitigt hatte. Die Gründung einer gemeinsamen Währung wird es den europäischen Konzernen erleichtern, Kapital zu beschaffen, Produktionskapazitäten in Gegenden mit niedrigen Steuern und Arbeitskosten zu transferieren, wie auch zu größeren und konkurrenzfähigeren Einheiten zu fusionieren. Außerdem dient sie der Geldmittelbeschaffung aus den Euro-Anleihe- und Wertpapiermärkten.
Auf der andern Seite hoffen sie, nationale Regierungen jetzt eher dazu bringen zu können, dass sie die sogenannte "Steuerdisziplin" beachten oder gar "Steuerharmonisierung" in ganz Europa anstreben. Dies bedeutet in der Praxis, dass jede nationale Regierung Unternehmenssteuern kürzen muss, entweder durch Verlagerung der gesamten Steuerlast auf den Rücken der Arbeiterklasse und/oder durch Kürzung und Eliminierung sozialer Errungenschaften. Eine weitere Forderung aus den Chefetagen der großen Konzerne und Finanzhäuser betraf die Eliminierung dessen, was an minimalen Arbeitsgesetzen bis jetzt noch existiert, um die Lohnniveaus zu senken, ein reibungsloseres "Hire and Fire" zu ermöglichen und das Kapital mobiler zu machen.
Eine gewisse Nivellierung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter ist schon jetzt zu verzeichnen, doch ging diese dem Kapital und seinen Politikern nicht weit genug. Sie beschweren sich darüber, dass seit der ersten Euro-Einführung 1999 die europäische Produktivität immer noch hinter den USA liegt und die Währung 24 Prozent ihres ursprünglichen Wertes gegenüber dem Dollar eingebüßt hat. Dies soll sich jetzt ändern.
Die Einführung des Euro als richtige Währung verstärkt die Forderungen aus der Wirtschaft nach weiteren bedeutenden Wirtschafts-"Reformen". Weit von den Ängsten der Tory-Rechten entfernt, dass Europa Großbritannien daran hindern könnte, seine eigenen Manöver zur Zerschlagung des Lebensstandards der Arbeiter durchzuführen und Konzernprofite zu erhöhen, ist es eher wahrscheinlich, dass England den Maßstab für Europa setzen wird.
Zu Beginn dieses Jahres lobte zum Beispiel Blairs politischer Guru Peter Mandelson den Euro und den einheitlichen europäischen Markt und betonte: "Wohlstand hängt von der Schaffung eines günstigen Geschäftsklimas für Investitionen ab... Europa braucht den Anreiz eines offeneren Produktmarktes, eines wahrhaft integrierten Kapitalmarktes und eines flexibleren Arbeitsmarktes."
Das Wall Street Journal lobte die Einführung des Euro in einem Kommentar vom 2. Januar und stellte fest, dass bis jetzt "das kontinentale Europa nicht in der Lage war, seine schwerfälligen Sozialstaaten und verkalkten Arbeitsmärkte loszuwerden". Im Gegensatz dazu hieß es da: "Europa atmet diese Woche tief durch... Margaret Thatcher hat einmal die legendären Worte gesprochen, dass Jacques Delors, der Chef der Europäischen Kommission, versucht habe, den Sozialismus durch die Hintertür‘ einzuführen. Es würde ein wenig zu weit gehen, zu behaupten, dass die Architekten der Einheitswährung nun versuchen, den Thatcherismus durch die Hintertür einzuführen; aber der Effekt könnte der gleiche sein. Die Führer des Kontinents sind kaum Wirtschaftsliberale. Dennoch akzeptieren sie im Allgemeinen, dass Europa ein flexibleres Geschäftsklima braucht, um mit Amerika konkurrieren zu können. Die Politiker des Kontinents haben wenig Vertauen, dass sie ihre Bevölkerung überzeugen werden, ihre geliebten Sozial- und Arbeitsrechte freiwillig aufzugeben. So hoffen sie, dass die Einheitswährung diese Arbeit für sie erledigen werde."
Die britische Financial Times setzte ähnliche Hoffnungen in den Euro und drängte die Politiker, ausgeglichene Haushalte, Strukturreformen, wirtschaftliche Flexibilisierung, Rentenkürzungen und Sozialmaßnahmen, die die Menschen in Niedriglohnarbeit zwingen, anzustreben.
Der wahre Charakter des politischen Vorhabens, das mit dem Euro verbunden ist, wirkt jeder Entwicklung einer demokratischeren Kontrolle durch die Arbeiterklasse entgegen. Das Einzige, was an den Sorgen der Euro-Gegner wirklich Hand und Fuß hat, ist die Tatsache, dass jede Rechenschaftspflicht der Öffentlichkeit gegenüber vollkommen fehlt. Nur dem Kapital und den führenden Politikern verpflichtet, wird die Europäische Zentralbank viele Aspekte der Steuer- und Geldpolitik entscheiden, ohne auch nur den Anschein eines Volksmandats zu haben. Die gleiche Kritik konnte man jedoch auch schon vorher an den bestehenden politischen und monetären Bedingungen in der ganzen EU anbringen.
Arbeiter, die gegen die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft der Bourgeoisie kämpfen wollen, können dies nicht auf der Grundlage jener Art von Nationalismus und Protektionismus tun, wie sie in der Opposition gegen den Euro zum Ausdruck kommt, und noch viel weniger können sie die wirtschaftliche Globalisierung durch einen bloßen Willensakt aufhalten. Vielmehr muss die Arbeiterbewegung eine neue politische Perspektive entwickeln, die sich auf die wirtschaftliche Realität der weltweiten Organisation von Produktion, Verteilung und Austausch gründet.
Dass die Bourgeoisie so weitgehend versucht, sich international zu organisieren, unterstreicht die Impotenz der alten, national basierten Strategien der reformistischen Parteien und Gewerkschaften. Der Klassenkampf muss heute international verstanden werden. Nötig ist die Organisation der Arbeiterklasse in ganz Europa zur Verteidigung ihres Lebensstandards und der demokratischen Grundrechte, und zum Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa im Gegensatz zum kapitalistischen europäischen Einheitsmarkt. In erster Linie erfordert dies einen entschlossenen Kampf gegen alle Versuche der nationalistischen oder euro-chauvinistischen Politiker, Arbeiter der einzelnen europäischen Länder gegeneinander, oder die Arbeiter Europas gegen diejenigen der USA; Japans und der Welt aufzuhetzen.