„Helen war überzeugt, dass das internationale, sozialistische Programm unserer Weltpartei in der Arbeiterklasse Widerhall finden wird“

Wir veröffentlichen hier die Würdigung Ulrich Ripperts für Helen Halyard, die am 28. November unerwartet im Alter von 73 Jahren starb. Ulrich Rippert ist Ehrenvorsitzender der Sozialistischen Gleichheitspartei und Gründungsmitglied des Bunds Sozialistischer Arbeiter (BSA) – des Vorläufers der SGP. Er ist seit mehr als 50 Jahren in der trotzkistischen Bewegung aktiv und Mitglied der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site.

Liebe Genossen,

ich konnte leider nicht an der Gedenkveranstaltung für Genossin Helen Halyard teilnehmen, weil ich im Krankenhaus war. Trotz der bereits vielen sehr bewegenden Beiträge zur Würdigung dieser großen Kämpferin für den Weltsozialismus möchte ich noch einige Gedanken und Erinnerungen beifügen.

Die amerikanische Sektion unserer Weltpartei – erst die Workers League dann die Socialist Equality Party – spielten in unserer politischen Arbeit in Deutschland von Anfang an eine zentrale Rolle. Und damit war auch Helen, die eine so herausragende Führungsrolle in der WL/SEP einnahm, für uns sehr bedeutsam.

Als wir im September 1971 den Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) als deutsche Sektion gründeten, war die Workers League zwar nicht direkt aber indirekt stark beteiligt.

Ich hatte zwei Jahre zuvor, im Sommer 1969, Bill Brust kennengelernt, der einen Forschungs- und Lehrauftrag an der Universität in Frankfurt inne hatte. Bill berichtete mir in langen Gesprächen über die großen Kämpfe der amerikanischen Arbeiter, und er erklärte mir die internationalen, sozialistischen Perspektiven der Workers League. Das war für mich eine große Entdeckung.

Ulrich Rippert

Ich hatte gerade meine Ausbildung in einem großen Metallbetrieb abgeschlossen und war auf der Suche nach politischer Orientierung. Damals war in Deutschland die Anti-Vietnamkriegsbewegung stark, und an vielen Hauswänden in Frankfurt, Berlin und anderen Universitätsstädten war zu lesen: „Yankee go home!“

Eine Partei, die sich auf die Stärke der amerikanischen Arbeiterklasse stützte und sich das Ziel setzte, den Imperialismus im Zentrum seiner Macht herauszufordern und zu stürzen, das musste eine mutige und starke Partei sein. Das zog mich magisch an.

Im Sommer 1971 nahm ich am Sommerlager der Young Socialists in Großbritannien teil und traf dort David North, der hocherfreut war, junge Arbeiter und Studenten aus Deutschland zu treffen. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, traf ich auf diesem Sommerlager auch zum ersten Mal Helen.

Obwohl wir nur mit Hilfe eines Übersetzers sprechen konnten – mein Englisch war völlig ungenügend – erinnerte mich Helen vom ersten Moment an an die Berichte von Bill über die Stärke der amerikanischen Arbeiter. Sie strahlte Selbstbewusstsein und Optimismus aus. Ihre Geradlinigkeit schien mir typisch für Arbeiter, die ich auch hier kennnengelernt hatte.

Später trafen wir uns oft auf internationalen Konferenzen und Schulungen. Nicht immer hatten wir Zeit für ausführliche Gespräche. Helen war immer sehr beschäftigt und kümmerte sich auch um die sogenannten kleinen und persönlichen Dinge von Genossen mit großer Sorgfalt und Empathie.

Helen spricht auf der Konferenz "The Fight for Socialism Today", Ann Arbor, 9. April 2011. Im Hintergrund: Uli Rippert und Larry Porter

Aber einmal, als ich wieder einmal Gast in ihrer Wohnung war, kam ich von einem Ausflug zurück. Genossen hatten mir das riesige Areal des Ford-Rouge-Komplex gezeigt, und ich war tief beeindruckt. Ich sagte zu Helen: „Ich wusste gar nicht, dass der Baubeginn von Ford Rouge genau im Jahr der Russischen Revolution 1917 stattgefunden hat.“ Wir hatten ein längeres Gespräch darüber, welche Bedeutung es für die Europäische Revolution hatte, dass es der herrschenden Klasse in den USA damals gelungen war, die amerikanische Arbeiterklasse zurückzuhalten.

Und dann lachte Helen plötzlich auf und sagte: „Aber weißt du was, Uli – die kommende Revolution wird anders sein. Die Globalisierung hat alles verändert. Dieses Mal wird es als Weltrevolution beginnen, und niemand wird die Arbeiter hier in den USA raushalten können.“

Helen konnte mit den Augen lachen, und ihre Begeisterung war ansteckend. Sie war fest davon überzeugt, dass das internationale, sozialistische Programm unserer Weltpartei in der Arbeiterklasse starken Widerhall finden wird.

Ich glaube es war bei diesem Aufenthalt damals, dass Helen und Sheila mich einluden, an einem Konzert mit Nina Simone teilzunehmen. Es wurde ein unvergesslicher Abend.

Helen verband ihre tiefe Überzeugung von einer sozialistischen Zukunft der Menschheit mit einer großen Lebensfreude.

Vermutlich hatte Trotzki politische Kader wie Helen vor Augen als er im Oktober 1938 auf einer Feier zur Gründung der Vierten Internationale sagte:

Liebe Freunde, wir sind keine Partei wie die anderen ... Ja, unsere Partei ergreift jeden von uns ganz und gar. Aber dafür schenkt sie jedem von uns das größte Glück: das Bewusstsein, dass man am Aufbau einer besseren Zukunft teilnimmt, dass man ein Teilchen des Schicksals der Menschheit auf seinen Schultern trägt, und dass man sein Leben nicht umsonst gelebt haben wird.

Ja, wir sind traurig über den viel zu frühen und unerwarteten Tod von Helen. Wir vermissen ihre überzeugende Stimme und ihr Lachen. Aber in unserer Erinnerung und in der Partei, in der sie eine so wichtige Rolle spielte, lebt sie weiter und bleibt ewig lebendig.

Herzliche Grüße
Uli

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