Leo Trotzki und der Kampf für Sozialismus im 21. Jahrhundert:

David North spricht in London über Gaza, Zionismus und den Kampf für sozialistischen Internationalismus

David North, Vorsitzender der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, sprach am Samstag im Birkbeck-College der University of London im Rahmen seiner internationalen Vortragsreihe über Leo Trotzki und den Kampf für Sozialismus im 21. Jahrhundert.

David North während seiner Rede in London, Samstag, 18. November 2023

Vor einem Publikum aus Arbeitern und Studierenden stellte Tom Scripps, stellvertretender nationaler Sekretär der Socialist Equality Party (UK), North mit den Worten vor:

Viele von euch sind wahrscheinlich durch den Völkermord, den die israelische Armee an den Palästinensern im Gazastreifen verübt, dazu motiviert worden, heute hierher zu kommen... Die Themen Leo Trotzki, Russische Revolution, Linke Opposition und Vierte Internationale werden nicht erst durch uns in das Israel-Palästina-Thema und in die Antikriegsbewegung hineingetragen: Sie sind bereits in diesen Fragen zentral enthalten.

Es ist wie bei allen Krisen und Katastrophen, mit denen die Menschheit heute konfrontiert ist: Außerhalb der Geschichte der sozialistischen Bewegung kann man ihren Ursprung nicht erklären und ist keine Lösung denkbar. Vor allem ist dies nicht möglich außerhalb des Kampfs der trotzkistischen Bewegung, der Verteidigung ihrer revolutionären internationalistischen Prinzipien und des leninistischen Konzepts einer unabhängigen Avantgardepartei der Arbeiterklasse.

Norths Vortrag befasste sich mit den historischen und programmatischen Fragen, die durch Israels blutige Kampagne von Massenmord und ethnischer Säuberung aufgeworfen wurden. Er begann mit einer Würdigung der Bedeutung von James P. Cannons Offenem Brief an die weltweite trotzkistische Bewegung, der am 16. November 1953 veröffentlicht worden war. Cannon verteidigte darin die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution und trat dem Angriff Michel Pablos und Ernest Mandels entgegen, die versuchten, die Vierte Internationale zu liquidieren.

„Siebzig Jahre nach seiner Veröffentlichung hat der Offene Brief als Zusammenfassung der gegenwärtigen politischen Situation und der Aufgaben der Vierten Internationale unter Führung des Internationalen Komitees nichts von seiner Aktualität eingebüßt“, sagte North.

Unter Bezugnahme auf die israelischen Bombenangriffe und die Invasion des Gazastreifens – die mit voller Unterstützung der USA, Großbritanniens und aller imperialistischen Großmächte geschieht – wies North die Verleumdung zurück, die als wichtigste Waffe gegen die weltweiten Massenproteste zur Verteidigung der Palästinenser dient: Sie seien „antisemitisch“. North tat dies, indem er ausführlich die historischen Ursprünge des Zionismus darlegte und dessen Philosophie als irrationalistisch und nationalchauvinistisch kennzeichnete. Sie habe sich gegen die sozialistische und internationalistische Perspektive des Marxismus gerichtet. Tatsächlich bestand der Zionismus auf dem Vorrang von „Rasse“ vor Klasse, fasste den Nationalstaat als wesentliche Grundlage des politischen Lebens auf und widmete sich dem Aufbau eines jüdischen Staates, in erklärter Gegnerschaft zum Kampf für den Weltsozialismus.

North präsentierte komplexes und wenig bekanntes Material und erklärte seinen Zuhörern: „Der Kampf für die Beendigung des Völkermordes rechtfertigt und verleiht der zentralen Perspektive und dem Daseinszweck des Internationalen Komitees der Vierten Internationale die größte Dringlichkeit: dem Kampf für die sozialistische Weltrevolution.“

Das Publikum verfolgte Norths Bericht mit großer Aufmerksamkeit und bedachte ihn mit herzlichem Beifall. Er löste eine intensive, über eine Stunde dauernde Diskussion aus, in der Fragen zu Zionismus, Antisemitismus und der Geschichte der trotzkistischen Bewegung zur Sprache kamen. Ein Spendenaufruf erbrachte über 3.800 Pfund.

Ein Maß für das politische Interesse war der Verkauf von Literatur im Wert von fast 1.000 Pfund. Besonders Norths neuestes Buch, „Leon Trotsky and the Struggle for Socialism in the Twenty-First Century“ (Leo Trotzki und der Kampf für Sozialismus im 21. Jahrhundert), dessen Titel der Vortragsreihe zu Pate stand, wurde in großer Anzahl verkauft. Der Band ist beim Mehring-Verlag auch auf Deutsch erhältlich.

Im Foyer wurde die Diskussion anschließend in kleinen Gruppen und Einzelgesprächen eine weitere Stunde lang fortgesetzt, und mehrere Teilnehmer bekundeten ihr Interesse an einer Mitgliedschaft in der Socialist Equality Party.

Bill, Student an der Londoner School of Oriental and African Studies (SOAS): „Wir stehen am Anfang eines Jahrzehnts der Revolution“

David aus London sagte: „Die Versammlung war sehr anregend und äußerst aktuell. Die Tatsache, dass der Redner Dinge, die in Echtzeit passieren, mit der sozialistischen Theorie in Verbindung bringen konnte, machte es sehr interessant.“

Er habe einiges über „die Geschichte des Zionismus und seine Unterschiede zum Sozialismus“ erfahren, fuhr David fort. „Diese Geschichte ist offensichtlich heute äußerst relevant. Es klingt banal, aber aus sozialistischer Sicht macht die Sache nur auf internationaler Ebene Sinn. Nationale Grenzen zu haben, würde für einen Sozialisten keinen Sinn machen.“

Während der Versammlung wurde der wichtige Punkt angesprochen, dass die imperialistischen Mächte mit ihrer Unterstützung Israels ihre eigene Kriegspolitik unterstützen. Dazu sagte David: „Das ist die Realität dessen, was heute geschieht. Ich denke, es ist wichtig, dass die Menschen trotz der Einschüchterung dagegen aufstehen und sich mit denjenigen solidarisieren, die unter diesem Völkermord leiden.“

David fand, ein wichtiges Thema im Vortrag sei der Antisemitismus gewesen. „Wenn man die Politik der israelischen Regierung oder die im Namen der israelischen Regierung ergriffenen Maßnahmen kritisiert – und wir dürfen nicht vergessen, dass die Hälfte der israelischen Bevölkerung seit etwa einem Jahr gegen die Netanjahu-Regierung protestiert hat – dann kann ich nicht verstehen, wie es sein kann, dass Menschen in aller Welt diese extremistische Regierung nicht kritisieren dürfen.

Es ist selbstzerstörerisch, diese Kritik als antisemitisch zu bezeichnen, und es wird nur die wahren Antisemiten ermutigen, die meiner Meinung nach vom rechten Flügel und nicht von der Linken kommen. Das ist ein reaktionärer Ansatz, und ich denke, wir müssen weiterhin aufstehen und sagen, was wir denken und fühlen, und uns nicht davor fürchten, was uns entgegenkommt.

Trotzki hatte so viel Weitsicht. Er hatte schon vor vielen Jahren erkannt, dass dies zu Konflikten führen würde, und er ist auch 100 Jahre später noch so aktuell wie eh und je.“

Kenny, ein langjähriger WSWS-Leser, der ursprünglich aus Schottland stammt, sagte: „Ich fand die Versammlung ausgezeichnet, besonders die historische Perspektive auf den Zionismus, die unter den gegenwärtigen Umständen des Kriegs gegen Gaza besonders notwendig ist. Denn das wird in naher Zukunft noch mehr in den Vordergrund rücken, weil die Regierungen jede Opposition gegen den Zionismus als Antisemitismus einstufen.

Es muss eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse in verschiedenen Nationen geben, und sie muss den dekadenten Kapitalismus stürzen.“

Giain, ein Student aus Nordwales, sagte: „Ich sehe keine Zukunft für junge Menschen im Kapitalismus, wir brauchen eine Revolution. Die Arbeiterklasse muss sich zusammentun, und ich stimme zu, dass dies international geschehen muss.

Ich bin gegen Faschismus: Er ist der wahre Antisemitismus. Die Leute, die für einen Waffenstillstand demonstrieren, demonstrieren gegen Israel und nicht gegen die Juden.“

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