Die Piloten und das Management von Lufthansa sind in ein Schlichtungsverfahren eingetreten und wollen eine Einigung finden. Wie die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit am Freitag, den 16. Dezember, bestätigte, wird es daher bis Ende Januar keine Pilotenstreiks mehr geben.
Bei den Flugbegleitern der deutschen Lufthansa-Tochter Eurowings könnte es derweil erneut zum Streik kommen. Ebenfalls an diesem Freitag teilte die Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO mit, dass ein gemeinsamer Versuch von Verdi und UFO, mit Eurowings einen gewerkschaftsübergreifenden Tarifvertrag abzuschließen, in der Nacht gescheitert sei.
Worum geht es? Den Hintergrund der Konflikte bildet seit vier Jahren der Konzernumbau von Lufthansa, der mit massiven Angriffen auf Löhne, Arbeitsbedingungen und Sozialstandards einhergeht.
Sein wohl wichtigster Bestandteil ist der Versuch, mit der Billigfluglinie Eurowings konkurrierende Lowcost-Airlines wie Ryanair aus dem Feld zu schlagen. Gleichzeitig nutzt der Lufthansakonzern die Billigfluglinie, um bei seinem Stammpersonal teuer erkämpfte Errungenschaften wie Renten und Übergangsgelder abzubauen. Auch im Cargo- und Technik-Bereich wird systematisch ausgelagert und gespart.
Bei dem gesamten Umbau ist die DGB-Gewerkschaft Verdi mit von der Partie. Das Mitglied des Verdi-Bundesvorstands, Christine Behle, hat als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende den Umstrukturierungsprozess von Anfang an aktiv begleitet und befürwortet. Dies trifft auch für den Aufbau der Lufthansa-Tochter Eurowings zu, bei der die Löhne und Gehälter um über dreißig Prozent niedriger liegen als bei Lufthansa selbst.
Darüber herrscht begreiflicherweise große Unzufriedenheit beim Eurowings-Personal. Um ein Ventil dafür zu schaffen und die Kontrolle nicht ganz zu verlieren, hat Verdi im November das Eurowings-Kabinenpersonal zu ein paar Stunden Streik aufgerufen.
Schon am 2. Dezember schloss Verdi dann eine Tarifvereinbarung mit der deutschen Eurowings mit Sitz in Düsseldorf, die bestenfalls als Billiglösung bezeichnet werden kann: Minimale Lohnerhöhungen von je 2,5 Prozent für 2016 und 2017 und 1,25 Prozent für 2018 werden mit Zugeständnissen in andern Bereichen teuer erkauft. Die fast 3000 Eurowings-Flugbegleiter müssen auf eine gesicherte betriebliche Altersversorgung und auf einen Bestands- und Kündigungsschutz verzichten. Darüber hinaus wird dem Arbeitgeber zugestanden, die Kabinen-Mitarbeiter „flexibler und produktiver“ einzusetzen.
Gegen diesen Tarifvertrag hat die konkurrierende Spartengewerkschaft UFO protestiert, die in letzter Zeit einen größeren Teil des Kabinenpersonals organisieren konnte. Die UFO-Tarifkommission droht jetzt mit weiteren Arbeitskämpfen, um bessere Bedingungen zu erstreiten. UFO rechnet damit, dass es „am Ende des Tages … zwei unterschiedliche Tarifverträge geben [kann] … Der Arbeitgeber kann dann zu Gericht gehen und zählen lassen, welche Gewerkschaft mehr Mitglieder hat und welcher Vertrag dann entsprechend zur Anwendung kommen wird.“
Weiter heißt es in dem Brief, den UFO am 16. Dezember an die Kabinencrews richtete: „Eure Entscheidung, in welcher Gewerkschaft Ihr organisiert seid, entscheidet also darüber, ob Ihr am Ende mit oder ohne Kündigungsschutz, Manteltarifvertrags-Bestandsschutz, Standort- und Wechselmöglichkeiten, Gewinnbeteiligung und einigem mehr dasteht.“
Anstatt einen gemeinsamen Kampf gegen die Konzernleitung zu führen, kämpfen die Gewerkschaften gegeneinander und versuchen, sich die Mitglieder unter den Stewards und Stewardessen abspenstig zu machen. Laut dem Einheitstarifgesetz der Bundesregierung soll in einem Konzern jener Tarifvertrag gelten, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern abschließt.
Verdi arbeitet aufs engste mit der Unternehmensspitze zusammen und schüchtert die Beschäftigten mit dem Argument ein, ohne Zugeständnisse sei der Bestand des ganzen Unternehmens gefährdet. Deshalb dürfe man den einmal erreichten Vertrag nicht in Frage stellen. Die systematische Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, zu Airlines in Österreich und andern Ländern, die für Eurowings fliegen, übt Druck auf die Beschäftigten aus. Die ältere Lufthansa-Billigtochter Germanwings befindet sich ja bereits in Abwicklung und Sozialplanverhandlungen, und auch die Zukunft von Eurowings-Deutschland ist keineswegs gesichert.
Doch auch UFO hat den Angriffen von Lufthansa nichts entgegenzusetzen. Liest man ihren Brief aufmerksam, fällt auf, dass sie bei der Aufzählung ihrer Ziele die Übergangs- und Altersvergütung gar nicht erwähnt. Für die Lufthansa-Flugbegleiter hat UFO schon im Juli einem Schlichterspruch zugestimmt, der praktisch einen Einstieg in den Ausstieg aus der Alterssicherung beinhaltete.
UFO brüstet sich mit ihrer kooperativen und rücksichtsvollen Haltung dem Konzern gegenüber. Im erwähnten Brief schreibt die Spartengewerkschaft: „UFO hat in der Vergangenheit nur moderate Erhöhungen … umgesetzt, um den so genannten Rollover auf die A320-Flotte zu erleichtern und somit eine Zukunftsperspektive und Wachstum zu schaffen.“
Und an anderer Stelle: „Der Erfolg des Eurowings-Projektes ist sowohl für den gesamten Konzern, als auch für die Eurowings-Deutschland unerlässlich. UFO hat dies stets betont und wurde oft dafür kritisiert, sich nicht gegen die Einführung des Low-Cost-Konzeptes mit all seinen Belastungen gestellt zu haben. Im Gegenteil haben wir diesen Weg in der Vergangenheit durch moderate Abschlüsse positiv begleitet und damit überhaupt erst ‚zum Fliegen‘ gebracht.“
Mit andern Worten: UFO unterstützt den Konzernumbau einschließlich der schlecht bezahlten Eurowings-Tochter uneingeschränkt.
Im Konkurrenzkampf zwischen den Fluglinien, der vollständig auf Kosten der Belegschaften ausgetragen wird, stehen beide Gewerkschaften auf Seiten des Konzerns und nicht auf Seiten der Arbeiter.
Dabei haben Kabinencrews, Piloten und Boden-Belegschaften immer wieder gezeigt, dass sie bereit sind, gegen diese Angriffe gemeinsam zu kämpfen. Sie haben dem Konzern teils heftige Arbeitskämpfe geliefert und dafür große Opfer gebracht. Es ist jedoch offensichtlich, dass sie mit der jetzigen Führung keinen Schritt weiter kommen.
In keinem Wirtschaftszweig ist die Arbeit so stark international vernetzt wie an den Flughäfen und in den Luftfahrtkonzernen. In keinem Bereich bietet sich ein Zusammenschluss der Arbeiter im ganzen Weltkonzern und über die Grenzen hinweg stärker an. Statt jedoch die Arbeitskämpfe grenzüberschreitend zu organisieren, versuchen die Gewerkschaftsfunktionäre verzweifelt, ihre Angelegenheiten streng national voneinander abzugrenzen. Dem Vorstand bieten sie sich unermüdlich als unverzichtbare Partner an, um die Arbeitskämpfe unter Kontrolle zu halten.
Das zeigt auch der zweite große Konflikt: der Kampf der Piloten gegen Lufthansa. Es ist keine drei Wochen her, da haben die Lufthansa-Piloten Ende November sechs Tage in Folge gestreikt. Es war ihre vierzehnte Streikphase seit Beginn der Konzernumstrukturierung 2012. Infolge des Streiks mussten rund 4450 Flüge mit über einer halben Million Passagieren am Boden bleiben.
Stolz erklärte damals Cockpit-Sprecher Thomas von Sturm gegenüber der Zeit: „Wir Piloten werden uns niemals freiwillig in dieses Erpressungssystem der ausgelagerten Fluggesellschaften begeben.“ Und auf die Streiks bezogen: „Das halten wir zur Not noch fünf Jahre durch.“
Nur drei Wochen später setzt sich Cockpit gemeinsam mit dem Lufthansa-Vorstand in die Schlichtung und verzichtet bis Ende Januar auf weitere Arbeitskämpfe. Alle Details bleiben im Dunkeln, und sogar der Name des Schlichters wird geheim gehalten. „Diese Schlichtung soll den Weg zu einer Lösung ebnen, die den Mitarbeitern und dem Unternehmen gerecht wird“, so die Worte von Ingolf Schumacher, dem tarifpolitischen Cockpit-Vorsitzenden, auf der Website der Gewerkschaft.
Ursprünglich waren die Ziele der Piloten sehr viel weiter gesteckt: Sie hatten gegen den Rundumschlag des Konzerns gestreikt, gegen die Schaffung einer Billigtochter und gegen die Angriffe auf die Alters- und Vorruhestandsversorgung. Als der Konzern dies im letzten Jahr als „Eingriff in die unternehmerischen Entscheidungen“ auf gerichtlichem Wege verbieten ließ, beschloss Vereinigung Cockpit, den Kampf auf Lohn- und Gehaltsforderungen zu beschränken und alle andern Themen aufzuschieben.
Die Weigerung der Gewerkschaften, alle Beschäftigten zu einem gemeinsamen Kampf gegen die systematischen Verschlechterungen zu mobilisieren, stärkt die Unternehmensleitung und ermutigt sie zu immer neuen Angriffen.
Konzernchef Carsten Spohr betonte auf einem Zeit-Wirtschaftsforum in Frankfurt, er sei nicht zu einer „schnellen, teuren Lösung des Tarifkonflikts“ bereit. Er werde in den zentralen Fragen nicht einknicken, und sollten die Piloten auch nochmals streiken: „Lieber ein paar Tage ohne Lufthansa als irgendwann ganz ohne Lufthansa“, sagte der Vorstandschef, der seine eigenen Millionenbezüge erst vor kurzem um 300.000 Euro pro Jahr hat erhöhen lassen.