Frankreich

Die Gewerkschaftsreform und das Bündnis zwischen Sarkozy und der CGT

Vergangene Woche kam es zu einer bemerkenswerten Verständigung zwischen dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und der Gewerkschaft CGT. In Artikeln, die am 18. April in Le Monde und der Financial Times erschienen, lobten sich Sarkozy und der hohe CGT-Funktionär Jean-Christophe Le Duigou gegenseitig für die beiderseitige Unterstützung bei der Durchsetzung "notwendiger" Sozialkürzungen. Dieser Austausch von Nettigkeiten fand nur kurz nach der Einigung auf eine umfassende Reform der Gewerkschaftsgesetze statt. Es zeigt sich darin einmal mehr, wie eng die Gewerkschaften mit Sarkozy zusammenarbeiten, um seine rückschrittliche Sozialpolitik gegenüber der Arbeiterklasse zu verkaufen.

Sarkozys umfangreicher Beitrag in Le Monde, der den Titel "Für starke Gewerkschaften" trägt, lobt die Gewerkschaftsreform und erklärt die Logik seiner Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften: "Ich bin absolut überzeugt, dass wir bei der Ausarbeitung und der Durchsetzung der notwendigen Reformen mit jenen zusammenarbeiten müssen, die die Interessen der Beschäftigten und der Unternehmer vertreten."

Um diese Aussage wohl zu verstehen, muss man sich an die politisch bedeutsamste Reform erinnern, die Sarkozy bisher durchgeführt hat: Die Kürzung der "Sonderrenten" für die Beschäftigten im staatlichen Verkehrs- und im Energiesektor trotz umfangreicher Streikaktionen der Eisenbahner. Im Oktober organisierte die CGT, die Hauptgewerkschaft im Bahnsektor, eine Reihe von eintägigen Arbeitsniederlegungen und verhinderte einen unbegrenzten Streik, den die Bahnbeschäftigten massiv gefordert hatten. Nach zehn Streiktagen im November hieß es von Seiten der Gewerkschaft, dass die Aktionen bei der Regierung keine Wirkung zeigten - so sollten die Eisenbahner zur Rückkehr an die Arbeit bewegt werden.

Sarkozy versteht, dass nur die Gewerkschaften über das Personal und die politische Glaubwürdigkeit verfügen, um den Arbeitern Sozialkürzungen zu verkaufen. Unter indirekter Bezugnahme auf die Streikwellen, die 1995, 2003 und 2006 die Kürzungspläne der jeweiligen französischen Regierungen durchkreuzt hatten, schreibt er. "Die Geschichte unserer Gesellschaft ist voll von Plänen, die hastig und unkoordiniert entworfen wurden und mit lautem Getöse in sich zusammenbrachen. Mit ihnen starb ein für alle Mal die Idee, dass der Staat allein zu entscheiden hat, was gut für unser Land ist."

Seine eigene enge Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften sieht er im Gegensatz zu diesem Vorgehen: "Gleich nach der Präsidentschaftswahl [im Mai 2007], noch bevor ich in den Elysée-Palast eingezog, traf ich mich mit den Gewerkschaften und mit Wirtschaftsvertretern, um ihnen zuzuhören und sie nach ihrer Meinung zu meinen ersten Vorhaben zu fragen. Seitdem haben wir die regelmäßigen Treffen beibehalten. Wir kennen uns gut, manchmal haben wir unterschiedliche Meinungen, aber wir gehen immer offen miteinander um."

Er schreibt, dass "die Reform der Sonderrenten im vergangenen Herbst erfolgreich durchgesetzt wurde, ist einer Periode intensiver Beratungen auf nationaler Ebene und Verhandlungen auf der Ebene aller betroffenen Unternehmen zu verdanken."

Kurz gesagt, die Gewerkschaftsspitze traf sich hinter verschlossenen Türen mit Sarkozy und arbeitete an seinen Rentenkürzungsplänen mit. Gleichzeitig präsentierten sich ihre Vertreter den Arbeitern in den betroffenen Unternehmen und der breiten Öffentlichkeit als entschlossene Streikführer gegen Sarkozys Pläne. Das Schweigen der Gewerkschaften in den Tagen nach dem Erscheinen von Sarkozys Beitrag in der angesehensten Zeitung Frankreichs kommt einem stillschweigenden Eingeständnis gleich, dass der Präsident die Wahrheit sagt.

Ihrerseits erteilte CGT-Spitzenvertreter Le Duigou in einem Interview mit der britischen Financial Times am selben Tag der Politik des Präsidenten den Segen. In dem Interviews mit dem Titel "Gewerkschaft lobt Standpunkt des Präsidenten" sagt Le Duigou, der zweite Mann in der CGT und Leiter ihrer Rentenabteilung, über Sarkozy: "Er versteht, dass wir den gesellschaftlichen Dialog brauchen. Wir stehen an einem Wendepunkt der sozialen Lage in unserem Land. Jeder weiß, dass sich die Dinge ändern müssen."

Angesichts der zynischen Stellungnahme von Le Duigou bleibt folgende Frage: Wenn die CGT mit Sarkozys "gesellschaftlichen Dialog" zufrieden ist, und "jeder" mit Sarkozys Reformen übereinstimmt, warum hat sie dann letztes Jahr Streiks und Demonstrationen mit Millionen Teilnehmern gegen Sarkozys Politik organisiert?

Die Antwort lautet, dass die CGT-Führung wegen dem massiven Widerstand und der Empörung in der Arbeiterklasse angesichts der Rentenkürzungen die Entscheidung traf, den Arbeitern eine Falle zu stellen: Sie rief zu Streiks auf, um Dampf abzulassen, achtete aber peinlichst darauf, die Regierung nicht wirklich politisch anzugreifen. Weil es in Frankreich an einer revolutionären Partei fehlt, um den Streiks eine politische Orientierung zu geben, konnte die CGT die Arbeiter schließlich ermüden und überzeugen, dass ihr Widerstand zu nichts führt und sie an die Arbeit zurückkehren müssen.

Obwohl die Arbeiter im Kampf um die Sonderrenten eine Niederlage hinnehmen mussten, blieb er nicht ohne Wirkung. Sarkozy stürzte nachfolgend in den Meinungsumfragen massiv ab und erreicht nunmehr nur noch eine Zustimmung von höchstens 40 Prozent. Viele Eisenbahner traten aus der CGT aus. Er überzeugte außerdem die momentan bestimmende Fraktion der französischen Bourgeoise davon, dass die CGT die Klasseninteressen der Oberschicht verlässlich verteidigt.

Letzteres steht hinter der "gemeinsamen Position" zur Reform der Gewerkschaftsrepräsentanz, auf die sich der Unternehmerverband Medef, die CGT und die rechte Gewerkschaft CFDT kürzlich einigten. Die Reform der Repräsentanz - die gesetzliche Festlegung, welche Gewerkschaften in Unternehmen und Industrien bindende Tarifverträge abschließen können - stärkt das Gewicht der größeren Verbände CGT und CFDT in der französischen Gewerkschaftslandschaft. der Staat profitiert davon, indem eine zentralisiertere und effizientere Bürokratie die Arbeiterklasse unter Kontrolle hält.

Gegenwärtig wird die Repräsentanz durch eine Gesetz von 1950 geregelt, nach dem eine Gewerkschaft fünf Kriterien erfüllen muss: Unabhängigkeit vom Arbeitgeber und von politischen Parteien, eine bestimmte Mindestgröße, Beitragsaufkommen, Erfahrung und eine patriotische Haltung während der Nazi-Besatzung Frankreichs. Angesichts der Krise der Gewerkschaften - nur noch acht Prozent der Beschäftigten sind gewerkschaftlich organisiert, in der Privatwirtschaft sind es nur fünf Prozent, und die Gewerkschaften haben massive finanzielle Probleme - und weil die meisten Gewerkschafter in der Zeit nach Krieg und Besatzung geboren sind, werden diese Kriterien weithin als hinfällig angesehen.

Vier Gewerkschaften wurden 1948 als "repräsentativ" anerkannt: die CGT (Allgemeiner Arbeiterbund), die FO (Arbeitermacht, eine Abspaltung von der CGT, die nach der Befreiung mit Unterstützung der US-Regierung zustande kam), die CFTC (christlicher Verband) und die CGC (Vertretung leitender Angestellter). Die CFDT wurde 1966 in die Liste aufgenommen, kurz nachdem sie sich von der CFTC abgespalten hatte. Diese Gewerkschaftsverbände erhielten automatisch Repräsentanzrechte und durften Kandidaten bei örtlichen Gewerkschaftswahlen aufstellen und Abkommen mit den Bossen aushandeln, ob sie Mitglieder in einem Unternehmen hatten oder nicht.

Michel Noblecourt kommentierte dieses Gesetz am 19. April in Le Monde : "Das Ziel war, die Dominanz der CGT zu neutralisieren, die damals von der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) kontrolliert wurde." Obwohl die KPF nach der Befreiung den Kapitalismus voll akzeptierte - sie löste die Arbeiterkomitees in den Fabriken auf, befahl den Milizen der Resistance, sich aufzulösen oder in die französische Armee zu gehen, und verfolgte eine Streikverzichtspolitik unter der Parole "Streiks sind die Waffe der Trusts" - blieb die französische Bourgeoisie dennoch gegenüber der CGT in der gesamten Nachkriegsperiode immer sehr misstrauisch.

Mit dem politischen und parlamentarischen Zusammenbruch der KPF in den 1980er und 1990er Jahren und durch die jetzige bereitwillige Zusammenarbeit der CGT mit Sarkozy änderte sich diese Haltung.

Das neue Abkommen zwischen dem Unternehmerverband Medef, der CGT und der CFDT begünstigt bewusst die größeren Gewerkschaften. Es verlangt, dass eine Gewerkschaft bei Ortsgruppenwahlen mindestens zehn Prozent der Stimmen erhält, um als Vertretung anerkannt zu werden, und dass Gewerkschaften durch Koalitionen mindestens dreißig Prozent der Arbeiter der Firma vertreten müssen, um ein Ankommen mit dem Unternehmen aushandeln zu können. Ferner sollen die Bedingungen der Repräsentanz modernisiert werden. Es wird erwartet, dass die Regierung die "gemeinsame Position" in einen Gesetzentwurf gießt, der dann der Nationalversammlung vorgelegt wird.

Le Monde nennt dies "ein System, das starke Gewerkschaften weiter stärkt und schwächere bedroht. Es bedroht nicht unmittelbar die Existenz von Gewerkschaften, verhindert aber längerfristig Abspaltungen und ein Auseinanderbrechen der Vertretungen." Diese Einschätzung bestätigte sich, als kleinere Gewerkschaften wie die CGC und UNSA (Nationale Union Autonomer Gewerkschaften) nach Bekanntgabe der Vereinbarung Verhandlungen für einen Zusammenschluss aufnahmen. CFTC-Chef Jacques Voisin nannte die Vereinbarung eine "Gewerkschaftsvernichtung".

Siehe auch:
Französische Kommunalwahlen zeigen Krise des politischen Establishments
(21. Februar 2008)
Französischer Eisenbahnerstreik verraten
( 27. September 2007)
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