Euro-Med wirft Israel willkürliche Massenhinrichtungen im Al-Shifa-Krankenhaus vor

Wie der Euro-Med Human Rights Monitor am Mittwoch bekanntgab, haben die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) diese Woche während einer Razzia im Al-Shifa-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens willkürliche Massenhinrichtungen durchgeführt.

Soldaten der IDF foltern im Al-Shifa-Krankenhaus im Gazastreifen Verhaftete.

Bei der Razzia wurden mindestens 100 Menschen getötet, von denen „viele nach ihrer Verhaftung Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen“ wurden, wie die Menschenrechtsorganisation erklärte. Dutzende weitere wurden festgehalten, misshandelt und gefoltert.

Unter Berufung auf Interviews mit Überlebenden, die im Al-Shifa festgehalten und gefoltert wurden, erklärte Euro-Med, israelische Soldaten hätten drei Tage lang willkürlich Hinrichtungen durchgeführt.

Ein Verhafteter, der nur als MK bezeichnet wird, erklärte Euro-Med: „Die Soldaten haben mich verhaftet und in Handschellen in den Hof des Krankenhauses gebracht; ich war mehr als neun Stunden lang nackt.“ Er berichtete, die Soldaten hätten immer wieder Gefangene in die Leichenhalle gebracht, aus der Schüsse zu hören waren, bevor sie ohne die Gefangenen zurückkamen.

Er schilderte: „Ich habe in dieser Zeit etwa viermal erlebt, wie Soldaten Gruppen von Verhafteten – immer mindestens drei, und nie mehr als zehn – in die Krankenhausgebäude brachten, vor allem in die Leichenhalle, wo zuvor die Toten aufbewahrt wurden. ... Dann waren Schüsse zu hören, und die Soldaten kamen zurück, um eine weitere Gruppe hinzubringen.“

Ein anderer Zeuge, der vollständig anonym bleiben will, erklärte laut Euro-Med, er habe „gesehen, wie israelische Soldaten acht bis zehn palästinensische Zivilisten auf einmal zur Leichenhalle brachten“. Dann hörte er „laute Schüsse, und die israelischen Truppen gingen später ohne die Zivilisten fort.“

Euro-Med erklärte zu den Schilderungen der Opfer: „Diese Zivilisten wurden wahrscheinlich rechtswidrig hingerichtet.“

Nach eigenen Angaben hat das israelische Militär während der Razzia des Al-Shifa-Krankenhauses, die größte medizinische Einrichtung des Gazastreifens, 90 „Terroristen“ „eliminiert“. In einer Stellungnahme hieß es: „Im Verlauf des letzten Tages haben die Streitkräfte im Bereich des Krankenhauses Terroristen eliminiert und Waffen gefunden.“

Unter denjenigen, die festgehalten, gefoltert und nackt ausgezogen wurden, befand sich auch medizinisches Personal des Krankenhauses.

Der Notfallchirurg Mads Gilbert, der zuvor im Al-Shifa-Krankenhaus gearbeitet hatte, sagte, Kollegen hätten beschrieben, wie sie von israelischen Soldaten gefoltert wurden:

„Medizinisches Personal wurde verhaftet und musste stundenlang in der Kälte stehen. Einige wurden aus dem Krankenhaus an unbekannte Orte gebracht. Andere wurden halbnackt in den Süden verfrachtet.“

Und er fuhr fort „Ein Arzt wurde in die Brust geschossen, als er der Anweisung, das Krankenhaus zu verlassen, Folge leistete. Später wurde er im Al-Ahli Arab-Krankenhaus operiert.“ Er fügte hinzu, das israelische Militär unterscheide „nicht zwischen Kämpfern, medizinischem Personal, Patienten und Flüchtlingen“.

Aufgrund der Razzia wurde im Al-Shifa erneut der Betrieb eingestellt, was das Leben der Bevölkerung des nördlichen Gazastreifens angesichts der allgegenwärtigen Epidemien und der israelischen Blockade von Nahrungsmitteln und Trinkwasser weiter gefährdet.

Auch Journalisten wurden in dem Krankenhaus gefoltert. Laut CNN wurden Journalisten von Al Jazeera von Soldaten der IDF verhaftet und nackt und mit verbundenen Augen im Hof des Krankenhauses in der Kälte stehengelassen.

Der Al Jazeera Arabic-Korrespondent Ismail al-Ghoul und sein Team wurden von israelischen Soldaten verhaftet, zwölf Stunden lang festgehalten und „schwer misshandelt“.

Der Al Jazeera-Journalist Hani Mahmoud, der aus Rafah berichtet, erklärte, al-Ghoul und sein Team seien „vom israelischen Militär festgehalten, misshandelt und gefoltert worden“.

Seit dem 7. Oktober 2023 gab es im Gazastreifen laut der Weltgesundheitsorganisation 410 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen. Auf Twitter erklärte die WHO: „Durch die Angriffe wurden 685 Menschen getötet, 902 verletzt, 99 Einrichtungen und 104 Krankenwagen beschädigt.“

Gleichzeitig breitet sich die Hungersnot im Gazastreifen weiter aus. Laut einem Bericht der Weltbank vom Mittwoch sind 1,1 Millionen Menschen im Gazastreifen in stärkstem Ausmaß von Hungersnot bedroht – was als Katastrophe eingestuft wird. Weitere 854.000 befinden sich in einer „Notlage“.

Die Weltbank erklärte in ihrem Bericht: „Die Situation im Gazastreifen hat ein neues katastrophales Ausmaß erreicht.“

Kein Teil der Bevölkerung des Gazastreifens fällt in die beiden niedrigeren Kategorien der Ernährungsunsicherheit.

Weiter hieß es: „Haushaltsumfragen zeigen alarmierende Trends: nahezu alle Haushalte lassen pro Tag eine Mahlzeit aus, ein Großteil der Kinder unter zwei Jahren leidet unter akuter Unterernährung.“

Der Generalkommissar des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge UNRWA, Philippe Lazzarini, erklärte am Mittwoch: „Belagerung, Hunger und Krankheiten werden bald die häufigsten Todesursachen im Gazastreifen werden.“

Am 19. und 20. März wurden im Gazastreifen 104 Palästinenser getötet, womit die offizielle Zahl der Toten auf 31.923 gestiegen ist. Zusammen mit den Vermissten übersteigt die tatsächliche Zahl der Todesopfer seit Oktober bereits 40.000.

Ein wichtiges Element von Israels bewusster Politik des Aushungerns der Bevölkerung des Gazastreifens waren vorsätzliche Angriffe auf Beschäftigte von Hilfsorganisationen. Die Pressestelle der Regierung von Gaza erklärte am Mittwoch, in der letzten Woche seien mehr als 100 Hilfskräfte bei acht Angriffen getötet worden. Das Ziel dabei soll gewesen sein, die „Politik des Aushungerns fortzusetzen und die Hungersnot zu verstärken“.

Gleichzeitig tritt die israelische Regierung offen für die ethnische Säuberung des Gazastreifens ein. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spekulierte in einer Erklärung vor dem Außenpolitischen Ausschuss des israelischen Parlaments, der Hafen, den die USA im Meer vor dem Gazastreifen als angebliche Zwischenstation für Nahrungsmittellieferungen bauen, könnte zur Deportation von Palästinensern benutzt werden.

Laut dem Bericht eines Journalisten der Israeli Public Broadcasting Corporation erklärte Netanjahu: „Es gibt für die Bevölkerung des Gazastreifens keine Hindernisse bei der Ausreise. Vielleicht könnte sogar der Hafen, den sie bauen, dafür benutzt werden. Aber es gibt kein Land auf der Welt, das sie aufnehmen will.“

Trotz der von Präsident Joe Biden geäußerten Kritik an Netanjahu betonen die USA weiterhin, es gebe „keine roten Linien“ für die Kriegsverbrechen, die Israel verüben darf, und versorgen Israel weiterhin mit Geld und Waffen für den anhaltenden Völkermord. Dies ist Teil der umfassenden militärischen Offensive in der gesamten Region, die sich gegen den Iran richtet.

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