USA: Entlassungen im Februar auf höchstem Stand seit der Großen Rezession

Das IBM-Logo, hier über einer Anzeige an der New Yorker Börse am 18. März 2019. Das Unternehmen hat die Entlassung von fast 4.000 Beschäftigten angekündigt [AP Photo/Richard Drew, File]

Laut einem neuen Arbeitsmarktbericht liegt die Zahl der angekündigten Entlassungen in den USA so hoch wie nie. Es ist der höchste Stand in einem Februar seit 2009, der Zeit der Großen Rezession.

Der Bericht stammt von der Personalagentur Challenger, Gray & Christmas, die monatliche Berichte über Entlassungen publiziert. Demnach haben Arbeitgeber in den USA letzten Monat 84.638 Entlassungen angekündigt. Das sind neun Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2023. Im ganzen letzten Jahr haben US-Unternehmen mehr als 721.000 Arbeitsplätze abgebaut, fast doppelt so viele wie im Jahr davor.

Gleichzeitig haben die Unternehmen laut dem Bericht nur 10.317 Neueinstellungen angekündigt. Damit liegt die Gesamtzahl in den ersten zwei Monaten auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Erfassung der Zahlen im Jahr 2009 liegt.

Die Massenentlassungen sind nicht das Ergebnis so genannter „Marktkräfte“, sondern eine bewusste Strategie. Unter Führung der Biden-Regierung und der Notenbank Federal Reserve versuchen US-amerikanische und globale Konzerne, den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse durch Massenentlassungen zu brechen. Die Federal Reserve hat die Zinssätze in den letzten zwei Jahren mit dem ausdrücklichen Ziel angehoben, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen und das schon äußerst bescheidene Lohnwachstum noch zu bremsen.

Der Widerstand der Arbeiterklasse äußerte sich letztes Jahr im kontinuierlichen Anstieg der Streiks. Die Zahl der an Arbeitskämpfen beteiligten US-Arbeiter hat sich vervierfacht und die Zahl der großen Streiks mehr als verdoppelt.

Dieses Jahr waren die technologischen Fortschritte in den Bereichen Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI) eine wichtige Waffe beim Arbeitsplatzmassaker. Statt die Arbeitslast zu verringern und die Bedürfnisse der Gesellschaft besser zu befriedigen, werden diese Errungenschaften im Kapitalismus als Waffe benutzt, um die Arbeitsplätze zu verringern. Laut einer Umfrage von ResumeBuilder zu Beginn des Jahres rechneten 38 Prozent der Führungskräfte mit Entlassungen in ihren Branchen, wobei vier von zehn die KI als treibenden Faktor nannten.

Am 12. März erfuhren die Beschäftigten von IBM laut CNBC bei einem siebenminütigen Treffen, dass die Hälfte der Arbeitsplätze in der Marketing- und Kommunikationsabteilung gestrichen werden. Zuvor hatte der Computer-Hardwarekonzern im letzten August angekündigt, 8.000 Beschäftigte durch KI zu ersetzen, und im Dezember erklärt, er werde damit beginnen, seine Belegschaft im Bereich der KI „massiv zu qualifizieren“.

Entlassungen gibt es nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt. Das chinesische Unternehmen LONGi Green Energy Technology Company, der weltweit größte Hersteller von Solarmodulen, hat laut Bloomberg auf „Überkapazitäten“ und Wettbewerb reagiert und die Entlassung von 30 Prozent seiner 80.000 Beschäftigten angekündigt.

Während diese Entlassungen stattfinden, versucht der US-Imperialismus rücksichtslos, chinesische Konkurrenten aus dem Markt zu verdrängen. So werden momentan im Kongress das Verbot der chinesischen Social-Media-Plattform TikTok und Strafzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge diskutiert. Beide Parteien des Großkapitals, die Demokraten wie die Republikaner, schüren Nationalismus gegen China und machen für den Arbeitsplatzabbau „ausländische Gegner“ verantwortlich.

In mehreren Branchen ist die Zahl der angekündigten Entlassungen im Februar im Vergleich zum Vorjahr besonders stark gestiegen. Das verdeutlicht, dass sich der Angriff auf Arbeitsplätze auf breitere Bereiche der Wirtschaft ausdehnt. Die Zahl der angekündigten Entlassungen in der Fertigungsbranche stieg in den ersten beiden Monaten des Jahres um das mehr als 17-Fache im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – von 421 im Februar 2023 auf 7.806 in diesem Jahr. Die Entlassungen im Transportgewerbe stiegen ebenfalls um mehr als das Fünffache, auf 14.148.

Diese Zahlen scheinen hauptsächlich auf die massiven Entlassungen in der Autoindustrie und bei UPS zurückzugehen, wo die Gewerkschftsbürokraten der United Auto Workers (UAW) und der Teamsters letztes Jahr Ausverkaufs-Tarifverträge unterzeichnet haben. In beiden Fällen hatte die Gewerkschaftsbürokratie behauptet, „historische“ Zugeständnisse erreicht zu haben. Aber nur wenige Monate oder sogar schon Wochen später haben Massenentlassungen begonnen: rund 8.000 in der Autoindustrie und mehr als 12.000 bei UPS.

Die Zahlen über die Arbeiter im Transportwesen von Challenger, Gray & Christmas enthalten jedoch offenbar nicht die Zehntausende von Arbeitsplätzen beim United States Postal Service, die im Rahmen einer massiven Umstrukturierung abgebaut werden sollen. Diese Entlassungen werden mit voller Unterstützung der Postgewerkschaften durchgeführt, die sich darüber vollständig ausschweigen.

Diese Situation zwingt Arbeiterinnen und Arbeiter zum Kampf - nicht nur gegen die Konzerne, die die Massenentlassungen durchführen, sondern auch gegen die Gewerkschaftsbürokratie. In den USA haben Anfang März Hunderte Entlassungen im Stellantis-Werk Toledo Jeep zu einem spontanen massenhaften Krankfeiern der Arbeiter geführt. Vor der UAW-Zentrale in der Innenstadt von Detroit protestierten entlassene Leiharbeiter, die die Gewerkschaft, die für sie keinen Finger rühren, für die Entlassungen verantwortlich machen.

Ein wichtiger Ausdruck des wachsenden organisierten Widerstandes gegen die Bürokratie ist der Aufbau von Aktionskomitees in der Autoindustrie, bei UPS, im Bildungswesen und in anderen Branchen, in denen Arbeiter von Entlassungen bedroht sind.

Die globale Autoindustrie benutzt die Umstellung auf Elektrofahrzeuge, um in den nächsten Jahren Hunderttausende von Arbeitsplätzen zu streichen, und UPS führt in seinen Versandzentren eine Automatisierung ein, durch die 80 Prozent aller dortigen Arbeitsplätze wegfallen könnten.

Streikende Ford-Arbeiter versperren einem Lastwagen den Zugang zum Fertigungswerk Michigan

Das Startup Rivian, in dem elektrisch betriebene SUVs und Pickup-Trucks hergestellt werden, hat laut Crain's 100 Arbeiter seiner Fabrik in Normal (Illinois) entlassen, und damit auf steigende Kosten und die unerwartet langsame Einführung von Elektroautos reagiert. Im vierten Quartal des Vorjahres hatte das Unternehmen 1,5 Milliarden Dollar Verlust gemacht.

Auch in Europa ist der Angriff auf Arbeitsplätze unter dem Vorwand der Elektrofahrzeug-Technologie weit fortgeschritten. In Deutschland haben sich Ford und die IG Metall auf die Schließung des Werks in Saarlouis geeinigt. Zuvor hatten die IG Metall und ihr spanisches Pendant UGT die deutsche Belegschaft in Saarlouis gegen die spanischen Arbeiter eines Ford-Werks in Valencia in einem Bieterkrieg um Zugeständnisse aufgehetzt, um herauszufinden, welches Werk ein Elektrofahrzeug-Modell produzieren darf.

In den USA haben die Energiekonzerne den Arbeitsplatzabbau in diesem Jahr ebenfalls um das Zehnfache auf fast 4.500 Entlassungen gesteigert. Im Bildungswesen stieg die Zahl der Entlassungen fast um das Zehnfache auf über 6.300, während die Biden-Regierung die Bundesmittel zum Kampf gegen Covid-19 auslaufen lässt und bundesstaatliche und kommunale Behörden im Bildungswesen Kürzungen vornehmen. In der Lebensmittelproduktion hat sich der Arbeitsplatzabbau auf 2.158 fast vervierfacht.

Der jüngste Bericht von Challenger, Gray & Christmas enthält zwar keine Angaben zur Zahl der Arbeitsplätze, die im Gesundheitswesen abgebaut werden. Allerdings sind in dieser Branche letztes Jahr besonders viele Stellen abgebaut worden. Gründe dafür waren Kürzungen der Mittel zum Kampf gegen Corona und massive Schulden infolge parasitärer Fusionen und Übernahmen durch große Gesundheitskonzerne.

Doch die größten Stellenstreichungen finden in der Technologiebranche statt, wo im letzten Monat über 12.400 und in diesem Jahr insgesamt schon 28.212 Entlassungen angekündigt worden sind. Eine separate Zählung von Layoffs.fyi kam sogar zu noch höheren Zahlen: 209 Technologiekonzerne haben dieses Jahr bisher über 50.300 Arbeitsplätze abgebaut. Laut der Website wurden letztes Jahr mehr als 260.000 Arbeitsplätze in der Technologiebranche gestrichen.

Laut einem Bericht von CNBC, in dem von „Untergangsstimmung“ in der Technologiebranche die Rede ist, handelt es sich dabei um den größten Stellenabbau in der Tech-Branche seit dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrhunderts. Weiter heißt es dort: „Das ist besonders verwirrend für Softwareentwickler und Datenwissenschaftler, die noch vor einigen Jahren über Fähigkeiten verfügten, die auf der ganzen Welt geschätzt wurden und besonders gut zu vermarkten waren. Jetzt denken sie darüber nach, ob sie die Branche verlassen müssen, um einen Arbeitsplatz zu finden.“

Entlassene Arbeiter haben auf CNBC geschildert, wie sie mit Hunderten von Bewerbern um einzelne offene Stellen konkurrierten, und wie zehntausende Beschäftigte großer renommierter Unternehmen wie Google, das 12.000 Arbeitsplätze abgebaut hat, jetzt auf der Straße stehen und keine Arbeit finden.

Gleichzeitig forcieren die Unternehmen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Die Gehälter für erfahrene KI-Ingenieure sind auf über 190.000 Dollar gestiegen. Aber sogar bei KI-Arbeitsplätzen „konkurrieren die Bewerber gegen diejenigen, die sechs, sieben oder acht Jahre Erfahrung haben“, erklärte ein Angestellter gegenüber CNBC.

Auch der Einzelhandel hat weitere drastische Kürzungen und Filialschließungen angekündigt. Letzte Woche hat der Einzelhändler Dollar Tree die Schließung von 1.000 Standorten angekündigt. Macy's hat letzten Monat die Schließung von 150 Filialen bekannt gegeben.

Der Technologie-Einzelhändler Best Buy kündigte letzte Woche an, nach der Schließung von 24 Filialen im letzten Jahr in diesem Jahr weitere zu schließen. Nach Angaben des Unternehmens sollen in diesem Jahr etwa 10 bis 15 Filialen geschlossen werden. Die Apothekenkette Walgreen's kündigte laut einem Bericht von Newsweek am Montag die Schließung von zwei Verteilzentren und den Abbau von mehr als 600 Stellen in Connecticut und Orlando an.

Die Gewerkschaftsbürokratie trägt entscheidend dazu bei, dass die Konzerne diese Angriffe ohne nennenswerten organisierten Widerstand durchsetzen können. Die Gewerkschaften agieren zudem als wichtiges Werkzeug der Regierungspolitik, besonders bei der Vorbereitung der amerikanischen Arbeiterklasse auf den Krieg. UAW-Präsident Shawn Fain ist mehrfach öffentlich an der Seite von Präsident Biden aufgetreten und hat ihn gegen Demonstrierende abgeschirmt, welche gegen die Unterstützung des israelischen Völkermords in Gaza durch den demokratischen Präsidenten protestierten.

Fains jüngster Auftritt war der bei Bidens Rede zur Lage der Nation, bei der der UAW-Präsident geladener Gast war und von Biden unter Beifall als „großer Arbeiterführer und großartiger Freund“ bezeichnet wurde. Die kriegslüsterne Rede des Präsidenten verdeutlichte, dass seine Regierung auf die Gewerkschaftsbürokratie angewiesen ist, nicht nur um Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen durchzusetzen, sondern auch um die Arbeiter zu Opfer im Interesse des Kriegs zu zwingen, den sie zutiefst ablehnen.

Durch Entlassungen, Lohnsenkungen und Arbeitshetze werden Billionen von Dollar für den Krieg aus der Arbeiterklasse gepresst. Im Zentrum dieses Prozesses steht zwar die USA, allerdings findet er auch in allen anderen imperialistischen Staaten statt. In Deutschland hat die Ampel-Koalition in ihrem Haushalt Kürzungen der Sozial- und Gesundheitsausgaben im zweistelligen Milliardenbereich beschlossen, während die Militärausgaben gewaltig ansteigen. Der deutsche Imperialismus engagiert sich stark im Krieg in der Ukraine, dem Schauplatz von schlimmsten Nazi-Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs.

Dies stößt auf massiven Widerstand. In Deutschland ist es in den letzten Wochen immer wieder zu Warnstreiks und einem landesweiten Streik der Lokführer gekommen, und auch im öffentlichen Verkehrswesen und an den Flughäfen kommt es zu Streiks, die die Gewerkschaftsbürokratie durch Schlichtung abzuwürgen versucht.

Jerry White, der Kandidat der Socialist Equality Party für das Amt des US-Vizepräsidenten, veröffentlichte auf X/Twitter einen Post, in dem er den Arbeitsplatzabbau verurteilte und das Programm der SEP zur Verteidigung von Arbeitsplätzen schilderte.

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White schreibt dort:

Die Verarmung der Arbeiterklasse ist eine bewusste Politik des Klassenkriegs, die die Biden-Regierung und beide Parteien des Großkapitals uneingeschränkt unterstützen. Der Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Joseph Kishore, und ich bestehen darauf, dass ein sicherer und gut bezahlter Arbeitsplatz das grundlegendste Recht jedes Arbeiters und jeder Arbeiterin ist.

Um die Arbeiterklasse vor dem wirtschaftlichen Ruin und allen mit der Armut verbundenen Gefahren – Obdachlosigkeit, Zerfall der Familien, Drogenmissbrauch, Suizid – zu schützen, fordern wir die folgenden Sofortmaßnahmen, um allen Beschäftigten einen Arbeitsplatz und volles Einkommen zu gewährleisten:

Eine gleitende Arbeitszeit- und Lohnskala. Wenn neue Technologien es ermöglichen, Waren in kürzerer Zeit zu produzieren, dann muss die Arbeitszeit drastisch verringert und die verfügbare Arbeit unter den Arbeitenden aufgeteilt werden, und auch die Löhne müssen erhöht werden. Die Löhne müssen an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten angeglichen werden, damit sich Arbeiterinnen und Arbeiter Grundgüter wie Lebensmittel leisten können, deren Preise seit 2020 um ein Viertel gestiegen sind.

Für die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft. Wenn der Kapitalismus, wie sich gezeigt hat, nicht in der Lage ist, Arbeitsplätze und einen angemessenen Lebensstandard für alle zu garantieren, dann muss das Profitsystem abgeschafft werden.

Die SEP fordert die Umwandlung der riesigen Konglomerate in öffentliche Versorgungsbetriebe in kollektivem Besitz und unter demokratischer Kontrolle der Arbeiterklasse als Teil der sozialistischen Umgestaltung der US-amerikanischen und der Weltwirtschaft.

In allen Fabriken und Betrieben müssen Arbeiter von den Gewerkschaftsbürokratien unabhängige Aktionskomitees aufbauen, um Streiks und andere Maßnahmen zur Verteidigung der Arbeitsplätze vorzubereiten.

Gegen den schmutzigen anti-chinesischen Chauvinismus, den Wirtschaftsnationalismus und die Kriegstreiberei beider kapitalistischer Parteien und der Gewerkschaftsapparate kämpft die SEP für die Koordinierung der Arbeitskämpfe gegen die globalen Konzerne durch die Ausweitung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC).

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