Israel kündigt Angriff auf 1,4 Millionen Gaza-Flüchtlinge in Rafah an

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Sendung Face the Nation am 25. Februar 2024 [Photo: CBS News/Face the Nation]

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte am Sonntag in der CBS News-Sendung „Face the Nation“, er werde einen Angriff auf Rafah anordnen, unabhängig davon, ob es Fortschritte bei den Verhandlungen mit den Vertretern des Gazastreifens gibt oder nicht.

Derzeit leben 1,4 Millionen geflohene Palästinenser – fast zwei Drittel der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens – in Zeltstädten in Rafah unter schrecklichen Bedingungen. Fast 30.000 Palästinenser sind bereits Opfer des völkermörderischen Kriegs Israels gegen Gaza geworden. Ein israelischer Angriff auf die wehrlosen Flüchtlingslager in Rafah würde zu neuen palästinensischen Opfern in katastrophalem Ausmaß führen und könnte einen umfassenderen Krieg mit Ägypten und anderen Regionalmächten auslösen.

Dennoch versprach Netanjahu, dass der Angriff auf Rafah auf jeden Fall kommen werde: „Sobald wir mit der Operation in Rafah beginnen, wird die intensive Phase der Kämpfe in wenigen Wochen abgeschlossen sein. Wir haben bereits 18 der 24 Terroristenbataillone der Hamas vernichtet, und vier von ihnen sind in Rafah konzentriert. Wir können die letzte Hochburg der Hamas nicht verlassen, ohne uns um sie zu kümmern. Offensichtlich müssen wir das tun.“

Netanjahu erklärte, er habe Washingtons Unterstützung bei einem Angriff auf Rafah: „Wir sind in dieser Sache einer Meinung mit den USA.“

Netanjahu fügte hinzu, die israelischen Verteidigungskräfte würden den Plan, Rafah anzugreifen, nicht aufgeben, unabhängig davon, ob eine Einigung über die Freilassung der israelischen Geiseln, die von der Hamas in Gaza festgehalten werden, erzielt wird oder nicht: „Wir werden ihn nicht aufgeben. Wenn wir einen [Geisel-]Deal haben, wird es sich etwas verzögern. Aber es wird passieren. Ohne einen Deal werden wir es trotzdem tun. Es muss getan werden. Denn der totale Sieg ist unser Ziel, und der totale Sieg ist in Reichweite.“

Netanjahu versuchte, die völkermörderischen Folgen des geplanten Angriffs auf Rafah herunterzuspielen. Auf die Frage der CBS-Journalistin Margaret Brennan, ob es zivile Opfer geben werde, behauptete er, seine Truppen würden die 1,4 Millionen Flüchtlinge „nördlich von Rafah bringen, an Orte, wo die Kämpfe bereits abgeschlossen sind... Die intensive Phase der Kämpfe wird in einigen Wochen abgeschlossen sein – nicht in Monaten, bereits in Wochen.“

Netanjahu lügt, wenn er die Gefahr für die Zivilbevölkerung herunterspielt oder wenn er behauptet, die Phase intensiver Kämpfe sei fast vorbei. Er erklärte nicht, was passieren würde, wenn sich die Zivilisten in Rafah den Befehlen der israelischen Truppen verweigern würden, sich mit vorgehaltener Waffe dorthin zu bewegen, wohin Netanjahu sie schicken will – und Brennan fragte auch nicht danach. In Wirklichkeit droht durch einen israelischen Angriff auf Rafah eine enorme Eskalation des Völkermords in Gaza und des Kriegs im gesamten Nahen Osten.

Israelische, US-amerikanische und europäische Regierungsvertreter haben die ägyptische Militärdiktatur unter Druck gesetzt, Internierungslager für Palästinenser zu errichten. Sie gehen davon aus, dass die israelischen Truppen die Palästinenser von Rafah aus nicht nach Norden, sondern nach Süden und aus dem Gazastreifen nach Ägypten treiben werden. Ägyptische Regierungsvertreter haben gewarnt, dies könne zum Zusammenbruch des Camp David-Abkommens von 1978 und des ägyptisch-israelischen Friedensvertrags von 1979 führen.

Der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry erklärte am 10. Februar auf einer Pressekonferenz: „Es gibt nur begrenzten Raum, und es ist ein großes Risiko, wenn Rafah einer weiteren militärischen Eskalation ausgesetzt wird, aufgrund der wachsenden Zahl von Palästinensern dort.“ Ein Angriff auf Rafah würde „fatale Konsequenzen“ haben.

Einen Tag vor Shoukrys Äußerungen hatte das Wall Street Journal einen Artikel veröffentlicht, in dem anonyme ägyptische Diplomaten zitiert werden, die über Gespräche mit israelischen Regierungsvertretern über einen Angriff auf Rafah berichteten: „Israelische Regierungsvertreter versuchen, Ägypten dazu zu bewegen, einer Kooperation in Bezug auf eine Bodenoffensive zuzustimmen, was ägyptische Regierungsvertreter ablehnen.“ Das Journal fügte hinzu, ägyptische Regierungsvertreter hätten gewarnt, dass die Art des Angriffs, wie ihn Netanjahu jetzt gegen Rafah vorbereitet, zum Krieg führen könnte.

Weiter hieß es: „Ägyptische Regierungsvertreter warnten, wenn Palästinenser zur Flucht auf die Sinai-Halbinsel gezwungen würden oder israelische Truppen in Rafah einmarschierten, würde ein seit Jahrzehnten bestehender Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern hinfällig werden. Ägypten befürchtet eine Flut von palästinensischen Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet und verstärkt seine Grenzzäune, installiert Kameras, Wachtürme und Sensoren.“

Das ägyptische Militärregime, das im Jahr 2013 durch einen Putsch die Moslembrüder von der Macht verdrängt hat, um die revolutionären Kämpfe der Arbeiterklasse zu zerschlagen, fürchtet einen Zustrom von Palästinensern aus Gaza nach Ägypten. Das liegt zum Teil daran, dass Hamas-Funktionäre in Gaza politisch mit der in Ägypten verbotenen Muslimbruderschaft sympathisieren. Generell fürchten sie jedoch die explosive Wut in der ägyptischen und nahöstlichen Arbeiterklasse, sollten sie sich bereit erklären, als Gefängniswärter des palästinensischen Volks zu dienen, wenn es aus dem Gazastreifen vertrieben würde.

Israelische Regierungsvertreter beteuerten jedoch, dass sie nicht nur den Druck auf Ägypten verstärken wollen, sondern auch ihre Angriffe auf den Norden des Libanon. Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant prahlte am Sonntag damit, dass Israels Programm der gezielten Tötungen gegen die Hisbollah im Libanon erfolgreich sei, und versprach eine Eskalation der Angriffe, selbst wenn es im Süden von Gaza eine vorübergehende Waffenruhe geben sollte.

Gallant erklärte: „Wir planen eine Verschärfung der Intensität der Angriffe auf die Hisbollah, die keinen Ersatz für die Kommandeure findet, die wir eliminieren... Im Falle eines temporären Waffenstillstands in Gaza werden wir die Angriffe im Norden unabhängig davon erhöhen.“

Die Forderungen israelischer Regierungsvertreter nach einem Angriff auf Rafah entlarven die Komplizenschaft der imperialistischen Nato-Mächte, die den Völkermord in Gaza erst ermöglichen. Sie haben leere, scheinheilige Warnungen vor dem geplanten israelischen Angriff auf Rafah ausgesprochen. Der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, erklärte, der Angriff wäre eine „Katastrophe“, während die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und der französische Präsident Emmanuel Macron erklärten, er werde zu einer „humanitären Katastrophe“ führen.

Gleichzeitig liefern sie Israel jedoch weiterhin Waffen, um den Völkermord zu begehen und bedrohen oder attackieren jeden im Nahen Osten, den sie als Bedrohung für Israel betrachten.

Am Samstag bombardierten US-amerikanische und britische Kampfflugzeuge 18 militärische Ziele der Huthi-Milizen im Jemen, darunter Waffenlager, Luftabwehrsysteme, Radarstellungen und Hubschrauber, als Vergeltung für Angriffe der Huthi im Roten Meer auf Schiffe, die nach Israel unterwegs waren. Berichten zufolge wurden bei den Angriffen eine Person getötet und sechs weitere verwundet. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte, die US-Angriffe würden „die Kapazitäten der vom Iran unterstützten Huthi-Milizen weiter stören und beeinträchtigen“.

Die Huthi erklärten, sie würden trotz der britischen und amerikanischen Drohungen weiterhin Schiffe im Roten Meer angreifen, die auf dem Weg nach Israel sind. Ihr Sprecher Yahya Saree versprach, „auf die amerikanisch-britische Eskalation mit qualitativ hochwertigeren Militäroperationen gegen alle feindlichen Ziele im Roten Meer und im Arabischen Meer zu reagieren... [Die Huthi] halten an ihren religiösen, moralischen und humanitären Pflichten gegenüber dem palästinensischen Volk fest, und werden ihre Militäroperationen erst einstellen, wenn die Aggression beendet und die Belagerung des palästinensischen Volks im Gazastreifen aufgehoben wird.“

Der völkermörderische Krieg des zionistischen Regimes, der von den imperialistischen Mächten unterstützt wird, löst weltweit Massenproteste aus und bezeichnenderweise in Israel selbst. Am Samstag kam es in Tel Aviv zu einer der bisher größten Antikriegsproteste seit Beginn des Kriegs. Tausende blockierten Straßen im Stadtzentrum und forderten Neuwahlen und Netanjahus Absetzung.

Die Netanjahu-Regierung ließ die Demonstranten mit Wasserwerfern und berittener Polizei angreifen und versuchte, sie auseinanderzutreiben.

Familien der israelischen Geiseln, die am 7. Oktober während des Aufstands der Hamas und ihrer Verbündeten gefangengenommen wurden, organisierten ihre 20. wöchentliche Kundgebung in Tel Aviv seit Beginn des Kriegs und forderten ein Ende der Kämpfe, um die Freilassung ihrer Angehörigen zu gewährleisten. Shahar Levy, Sohn des Taxifahrers Eitan Levy, der in der Geiselhaft starb, erklärte auf der Kundgebung: „Wir haben genug davon, das Leben der Entführten zu riskieren, die in unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden, wir haben genug davon, es hinauszuzögern. Mit jeder Minute, jeder Stunde und jedem Tag werden ihre Chancen geringer.“

Diese Proteste zeigen das große Potenzial zum Aufbau einer Massenbewegung für ein Ende des Völkermords in Gaza und zur Verhinderung eines noch blutigeren regionalen und globalen Kriegs. Doch eine solche Bewegung darf sich nicht auf Appelle an kapitalistische nationale Regierungen beschränken, die die Welt zusehends in den Krieg stürzen. Der Weg vorwärts erfordert, den wachsenden Widerstand gegen den Völkermord in Gaza zu einer internationalen, sozialistischen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse zu entwickeln und international zu vereinigen.

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