Völkermord im Gazastreifen fordert mehr als 29.000 Tote

Palästinenser trauern um ihre Angehörigen, darunter Kinder und Säuglinge, die bei der israelischen Bombardierung des Gazastreifens ermordet wurden, vor einem Leichenschauhaus in Rafah im südlichen Gazastreifen, 11. Januar 2024 [AP Photo/Fatima Shbair]

Die offizielle Zahl der Todesopfer des israelischen Völkermordes im Gazastreifen hat 29.000 erreicht, wie das Gesundheitsministerium in Gaza am Montag mitteilte. Die Bombardierungen sowie Hunger und Entbehrungen bei Massen von Menschen, verursacht durch die israelische Blockade von Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung, halten an.

Zusätzlich zu den 29.092 getöteten Menschen werden weitere 7.000 seit mehr als zwei Wochen vermisst. Sie dürfen als tot gelten, so dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer mutmaßlich bei 36.000 liegt.

Wenn man die Zahl der Toten, Vermissten und Verwundeten zusammenzählt, kommt man auf über 100.000 Menschen, das sind vier Prozent der Bevölkerung von Gaza.

Allein zwischen Sonntag und Montag wurden im Gazastreifen 107 Palästinenser getötet und weitere 145 verletzt.

Mit dem bevorstehenden Angriff Israels auf Rafah, wo über eine Million Menschen Zuflucht gefunden haben, wird sich die Zahl der Todesopfer noch erhöhen.

Während die Zahl der Todesopfer steigt, weitet sich der Konflikt auch geografisch aus: Israelische Kampfflugzeuge haben zwei Angriffe auf die libanesische Stadt Sidon geflogen, bei denen 14 Menschen getötet wurden.

Praktisch die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens ist von schwerem Hunger betroffen, warnte UNICEF am Montag, wobei Kinder und schwangere Frauen am stärksten gefährdet sind.

„Der Gazastreifen steht kurz vor einem sprunghaften Anstieg der vermeidbaren Todesfälle bei Kindern. Das ohnehin schon unerträgliche Ausmaß der Kindersterblichkeit im Gazastreifen nimmt noch zu“, sagte Ted Chaiban, stellvertretender UNICEF-Exekutivdirektor für humanitäre Maßnahmen und Versorgungseinsätze. „Wenn der Konflikt jetzt nicht beendet wird, verschlechtert sich die Ernährungslage der Kinder weiter, was zu vermeidbaren Todesfällen oder Gesundheitsproblemen führen wird, welche die Kinder in Gaza für den Rest ihres Lebens beeinträchtigen und möglicherweise generationsübergreifende Folgen haben werden.“

Im nördlichen Gazastreifen ist eines von sechs Kindern unter zwei Jahren von akuter Unterernährung betroffen, heißt es in dem Bericht. „Hungrige, geschwächte und schwer traumatisierte Kinder werden eher krank... Es ist gefährlich und tragisch und geschieht vor unseren Augen“, warnte Mike Ryan, Leiter des WHO-Programms für Gesundheitsnotfälle.

Im Süden sind fünf Prozent der Kinder unter zwei Jahren akut unterernährt, so der Bericht.

Der UN-Bericht fügt hinzu, dass vor dem Angriff auf Gaza nur 0,8 Prozent der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt waren. Diese Zahl ist auf 15,6 Prozent gestiegen, was einen laut UNICEF „beispiellosen“ Anstieg der Unterernährung bedeutet.

Der Bericht stellt fest, dass „90 Prozent der Kinder unter 2 Jahren und 95 Prozent der schwangeren und stillenden Frauen von schwerer Mangelernährung betroffen sind. Das bedeutet, dass sie sich sehr einseitig ernähren und die Lebensmittel, zu denen sie Zugang haben, von geringstem Nährwert sind.“

Weiter heißt es dort: „95 Prozent der Haushalte schränken Mahlzeiten und Portionsgrößen ein, wobei 64 Prozent der Haushalte nur eine Mahlzeit pro Tag essen.“

Die UNO stellt fest: „Im Durchschnitt hatten die befragten Haushalte Zugang zu weniger als einem Liter sauberem Wasser pro Person und Tag. Gemäß den humanitären Standards beträgt die Mindestmenge an sicherem Wasser, die in einer Notsituation benötigt wird, drei Liter pro Person und Tag, während der allgemeine Standard bei 15 Litern pro Person liegt, was ausreichende Mengen zum Trinken, Waschen und Kochen beinhaltet.“

Unglaubliche 70 Prozent der Kinder unter 5 Jahren litten in den letzten zwei Wochen an Durchfallerkrankungen, was eine 23-fache Steigerung gegenüber der Zeit vor Kriegsbeginn bedeutet.

In einem separaten Bericht gaben die UNO-Experten an, sie seien „entsetzt über die gemeldeten Menschenrechtsverletzungen an palästinensischen Frauen und Mädchen“.

Der Bericht stellt fest, dass palästinensische Frauen und Mädchen im Gazastreifen willkürlich hingerichtet worden sein sollen, oft zusammen mit Familienmitgliedern, einschließlich ihrer Kinder

Darin werden UN-Experten mit den Worten zitiert: „Wir sind schockiert über Berichte über die gezielte und außergerichtliche Tötung von palästinensischen Frauen und Kindern an Orten, an denen sie Zuflucht gesucht haben oder auf der Flucht waren. Einige von ihnen hielten Berichten zufolge weiße Tücher in der Hand, als sie von der israelischen Armee oder mit ihr verbundenen Kräften getötet wurden.“

Die Experten weiter: „Besonders beunruhigt sind wir über Berichte, wonach palästinensische Frauen und Mädchen in Haft auch vielfältigen Formen sexueller Übergriffe ausgesetzt waren, wie z. B. der vollständigen Entkleidung und Durchsuchung durch männliche israelische Armeeangehörige. Mindestens zwei weibliche palästinensische Häftlinge wurden Berichten zufolge vergewaltigt, andere wurden mit Vergewaltigung und sexueller Gewalt bedroht.“

„Zusammengenommen können diese mutmaßlichen Handlungen schwerwiegende Verletzungen der internationalen Menschenrechte und des humanitären Rechts darstellen und schwere Verbrechen nach internationalem Strafrecht bedeuten, die nach dem Römischen Statut verfolgt werden könnten“, so die Experten. „Die Verantwortlichen für diese offensichtlichen Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und die Opfer und ihre Familien haben ein Recht auf volle Wiedergutmachung und Gerechtigkeit.“

Zu den Experten gehörten Reem Alsalem, Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen und Mädchen, ihre Ursachen und Folgen, sowie Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin über die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten.

Die systematische Folterung palästinensischer Gefangener wird im israelischen Fernsehen unverfroren publik gemacht, wo Gefangene mit verbundenen Augen und gefesselt gezeigt werden, viele in den von den Vereinigten Staaten in Abu Ghraib eingeführten „Stresspositionen“.

Das israelische Fernsehen berichtete außerdem, dass israelische Truppen eine Autobahn gebaut haben, die den Gazastreifen zwischen Gaza-Stadt im Norden und Khan Yunis im Süden in zwei Hälften teilt und damit den Gazastreifen als geografische Einheit zerstört.

Am Montag eröffnete der Internationale Gerichtshof eine Anhörung über die Rechtmäßigkeit der israelischen Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes. Bei der Anhörung dokumentierten die Vertreter Palästinas ausführlich, dass der gegenwärtige Völkermord Teil eines systematischen Bestrebens ist, die totale israelische Kontrolle über alle besetzten Gebiete auszuüben und diese vollständig in den israelischen Staat einzugliedern.

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