Oligarchen in Davos applaudieren faschistischen Tiraden des argentinischen Präsidenten Milei

Auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) im Schweizerischen Davos gab der neue argentinische Präsident Javier Milei unverhohlene faschistische Tiraden von sich, in denen er den Milliardären und ihren Staaten und Institutionen vorwarf, sich nicht für den Kapitalismus einzusetzen.

Milei bei seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz) am 18. Januar 2024 [Photo: Javier Milei]

Der überschwängliche Empfang durch das Publikum, das angeblich aus den „respektableren“ Schichten der Oligarchie und des Establishments besteht, ist ein weiteres Anzeichen für den Kurswechsel der gesamten herrschenden Klasse zum Faschismus.

Der US-Milliardär Elon Musk lobte die Rede von Mittwoch als „eine gute Erklärung dafür, was Länder mehr oder weniger wohlhabend macht“.

Auch Fox News und andere rechte Medien erklärten begeistert, Milei habe Davos mit „Wahrheitsbomben“ und „gesundem Menschenverstand“ überwältigt.

Obwohl Milei auf der Reise nach Davos erklärt hatte, das WEF sei „ein Forum, das von der sozialistischen Agenda 2030 verseucht ist“, wurde er vom WEF-Gründer Klaus Schwab herzlich vorgestellt. Schwab erklärte, Milei würde „in Argentinien einen neuen Geist einführen“.

Der frühere argentinische Fernseh-Promi erklärte: „Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass die westliche Welt in Gefahr ist. Sie ist in Gefahr, weil diejenigen, welche die Werte des Westens verteidigen sollten, von einer Vorstellung der Welt vereinnahmt werden, die unweigerlich zum Sozialismus führt.“

Daraufhin erzählte er ein Märchen, das aus einem Disney-Film stammen könnte: Seit 1800 habe der Kapitalismus 95 Prozent der Weltbevölkerung aus extremer Armut geholt und ein Paradies geschaffen. „Die Welt von heute ist freier, reicher, friedlicher und wohlhabender als je zuvor in unserer Geschichte.“ Die „Helden“ in seiner Geschichte, die dies möglich gemacht haben, „sind die Unternehmer“.

Doch im Süden der Welt sei ein Fluch über das Land gekommen. Er behauptete: „Argentinien ist zur Weltmacht geworden, weil es 1860 das liberale Modell übernommen hat, doch aufgrund des Kollektivismus der letzten 100 Jahre ist es zusammengebrochen.“ Damit meinte er die Einführung des Bildungs- und Gesundheitswesens, der Regulierungsbehörden und anderer öffentlicher Einrichtungen, nachdem erst die Regierung der Radikalen und dann die peronistischen Regierungen ab 1916 das herrschende Regime der Oligarchie der Agrar-Exporteure abgelöst hatten.

Milei behauptete, diese Reformen gingen auf den Eigennutz einer korrupten „Kaste“ oder die fehlgeleiteten Prämissen reformistischer Ideologen zurück. Allerdings erwähnte er das wahre Ziel seines Kreuzzugs nicht ein einziges Mal namentlich. Genau wie im Großteil der Welt, hatte auch die herrschende Klasse in Argentinien begrenzte Sozialreformen als Reaktion auf die Entstehung einer starken Arbeiterklasse durchgeführt, die jahrzehntelange militante Kämpfe ausgefochten hatte. Diese waren vor allem von der Russischen Revolution 1917 inspiriert worden.

Milei erklärte, diese erzwungenen Zugeständnisse hätten zu Chaos, Armut und Tod geführt und „dem Sozialismus Tür und Tor geöffnet“. Er stellte Argentinien als Beispiel dafür dar, warum sich der Kapitalismus ungehindert entwickeln sollte, um sein angebliches natürliches Potenzial zu entfalten.

Er griff anschließend jede Einschränkung für die Konzerne an und erklärte, der Feind sei ein Amalgam aus „Kommunisten, Faschisten, Nazis, Sozialisten, Sozialdemokraten, Nationalsozialisten, Christdemokraten, Keynesianern, Neo-Keynesianern, Progressiven, Populisten, Nationalisten und Globalisten... Im Grund gibt es da keine Unterschiede.“ Mit anderen Worten, sie alle sollten als existenzielle Bedrohung behandelt werden, die „für den Tod von mehr als 100 Millionen Menschen“ verantwortlich sind.

Er beschwor die Gefahr, dass „die Regulierung von Monopolen, die Vernichtung von Gewinnen und steigenden Einnahmen automatisch das Wirtschaftswachstum zerstören würden“.

Das war ein versteckter Verweis auf einen Bericht von Oxfam, der ein schlechtes Licht auf das Forum geworfen hatte, indem er den Würgegriff einer winzigen Gruppe von Oligarchen und Finanzinstituten über die Weltwirtschaft dokumentierte. Der Bericht weist unter anderem darauf hin, dass es trotz Rekordgewinnen fünf Milliarden Menschen schlechter geht als vor der Pandemie und dass 800 Millionen Menschen durch die Inflation umgerechnet einen Monatslohn pro Jahr verlieren.

Zum Schluss erklärte Milei: „Abschließend möchte ich eine Botschaft an alle Unternehmer übermitteln: Gebt der politischen Kaste oder den Parasiten, die vom Staat leben, nicht nach.“

Der begeisterte Empfang, der Milei in Davos und in einem Großteil der Mainstreammedien bereitet wurde, deutet auf einen bedeutsamen Kurswechsel hin.

Auf seine Rede folgte donnernder Applaus. Barron’s schreibt: „Einige aus dem Publikum umringten ihn, um ihm die Hand zu schütteln und sich mit ihm fotografieren zu lassen.“ Ein Reporter der Deutschen Welle erklärte: „Ich habe noch nie einen solchen Empfang erlebt, wie er Javier Milei von den Teilnehmern dieses Weltwirtschaftsforums bereitet wurde.“ Das Wall Street Journal veröffentlichte seine Rede unter dem Titel „Milei verleiht dem Publikum in Davos ein Rückgrat.“

Die Financial Times fand breite Begeisterung für Mileis Anwesenheit und zitierte Daniel Pinto, Präsident von JP Morgan. Milei „schafft möglicherweise einen Neubeginn für das Land“, er warnte aber, dass seine Pläne „die Bereitschaft der Bevölkerung voraussetzen, die Schmerzen [des Austeritätskurses] zu ertragen“.

Der Bloomberg-Kolumnist Juan Pablo Spinetto erinnerte daran, dass selbst Donald Trump in seiner Rede in Davos 2020 alibihaft den Aufbau der „offensten Wirtschaft, die es je gegeben hat“ erwähnte, was „Milei vermutlich als eine Form von Sozialismus betrachten würde“.

Seit den 1930ern hat die herrschende Klasse einem offen faschistischen Manifest kein so wichtiges Podium gegeben und keinen solch überschwänglichen Empfang mehr bereitet.

Dieser Kurswechsel in der Haltung der herrschenden Klasse wird durch die Tatsache unterstrichen, dass letztes Jahr der pseudolinke kolumbianische Präsident Gustavo Petro und zwei Minister der Regierung des „linken“ nationalistischen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva als Gäste aus Lateinamerika eingeladen waren, die ebenfalls heuchlerisch von sozialer Gleichheit und Umweltschutz sprachen.

Im globalen und argentinischen politischen Kontext bedeutet „nicht nachgeben“ eindeutig einen Aufruf zu einem offenen Krieg gegen den Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Politik von Krieg, Völkermord, Rekolonisierung und massenhafte Ungleichheit.

Milei gehört zu den entschiedensten Befürwortern des US-amerikanisch-zionistischen Angriffs auf Gaza, der weltweit Massenproteste ausgelöst hat. Vor dem Internationalen Gerichtshof fand letzte Woche eine Anhörung statt, bei der in vernichtenden Details belegt wurde, dass es sich dabei um einen Völkermord handelt.

Milei versuchte zwar, sich in Davos als siegreicher Held darzustellen, schwieg sich aber darüber aus, was in Argentinien passiert, weil es seine „libertäre“ Behauptung, er sehe den „Staat“ als Feind, widerlegt. Zudem hat er den Großteil seiner Pläne noch nicht umgesetzt, weil sie bereits zunehmend eine soziale Explosion herbeiführen.

Als Milei im letzten Monat sein Amt antrat, war fast die Hälfte der 47 Millionen Einwohner Argentiniens bereits arm, Hunger war weit verbreitet, und die Inflation näherte sich 200 Prozent. Zudem war die Wirtschaft der G20-Staaten in eine Rezession geraten.

Gleich nach seiner Machtübernahme erließ Milei autokratische Dekrete, um die Kaufkraft durch eine massive Entwertung des Peso noch weiter zu zerstören, während er den Konzernen und der Regierung freie Hand gab, die Preise zu erhöhen und Verhandlungen über Lohnerhöhungen zu verweigern. Vor allem im öffentlichen Dienst wurden Tausende entlassen, nachdem die Etats von Ministerien halbiert und die Finanzierung der Provinzen beendet wurde. Die Regierung ist dabei, 160.000 Haushalten die gesamte Sozialhilfe zu streichen. Milei hat damit geprahlt, dass die öffentlichen Ausgaben in nur 30 Tagen um 30 Prozent gesunken sind. Bezeichnenderweise hat er keine Steuern gesenkt und plant Steuererhöhungen auf die Einkommen der Mittelschicht.

Er hat Streikposten und Straßenblockaden verboten und einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem er die Befugnis fordert, einen „öffentlichen Ausnahmezustand“ auszurufen und für zwei bis vier Jahre als Diktator zu regieren.

Vizepräsidentin Victoria Villarruel, die in Mileis Abwesenheit ihr Debüt als Staatschefin gab, hat in ihrer Laufbahn zuvor die Verbrechen der argentinischen faschistischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 gerechtfertigt und u.a. wiederholt den mittlerweile verstorbenen Diktator Jorge Videla im Gefängnis besucht. Ein kürzlich in der Financial Times über sie erschienener Artikel spricht bereits über die Möglichkeit ihrer eigenen Kandidatur für die Präsidentschaft, weil „sie bereit ist... für alles“.

Am 20. und 27. Dezember fanden bereits landesweite Demonstrationen statt, und für den 24. Januar ist ein landesweiter Proteststreik ausgerufen worden. Allerdings sind dies lediglich Versuche der Gewerkschaftsbürokratie und ihrer pseudolinken Verteidiger, die soziale Wut einzudämmen. Es kommt nahezu täglich zu spontanen Demonstrationen mit selbstgemachten Plakaten und Parolen wie „Nieder mit der Mileitärischen Junta!“ und Cacerolazo-Protesten, bei denen auf Töpfe und Pfannen geschlagen wird. Daneben wird über Versammlungen in den Betrieben und Universitäten berichtet, die in den sozialen Netzwerken organisiert werden. Reporter bedrängen Vertreter der Milei-Regierung häufig und fragen, wie sie auf drohende Betriebsbesetzungen und unbefristete Streiks reagieren werden.

In diesem Kontext bedeutet „nicht nachgeben“, die Methoden eines faschistischen Polizeistaats einzusetzen.

Da die argentinische Wirtschafts- und Finanzoligarchie dieses Programm als notwendig erachtet, um angesichts einer zunehmenden Krise des Weltkapitalismus Investitionen anzulocken und ihre eigenen Profite zu schützen, hat sie sich dahinter gestellt. Ursprünglich hatten die reichsten Argentinier – Marcos Galperin (6,2 Milliarden Dollar), Besitzer des E-Commerce-Unternehmens Mercado Libre, und die Besitzer des italienisch-argentinischen multinationalen Unternehmens Techint Group, Paolo und Gianfelice Rocca (3,9 Milliarden Dollar) – Milei unterstützt und finanziert. Heute sind ein Großteil des „Roten Kreises“ – die Elite um den argentinischen Unternehmerverband AEA – und ihre Medien dazu übergegangen, statt des peronistischen Präsidentschaftskandidaten Sergio Massa die Milei-Regierung zu unterstützen.

Die Unterstützung für den faschistischen „Loco“ („Verrückten“) Milei in Davos und durch die ganze herrschende Elite bestätigt die Analyse, die die World Socialist Web Site in ihrer Neujahrserklärung formuliert hat. Bei der Anhäufung von persönlichem Reichtum und wirtschaftlicher Macht durch eine winzige Gruppe von Konglomeraten, handelt es sich um „die Kräfte, die der Demokratie überall auf der Welt den Sauerstoff entziehen“. „Die Behauptung, dass demokratische Herrschaftsformen ohne einen Frontalangriff auf den Reichtum der herrschenden Elite und ihre Vorherrschaft über die Wirtschaft verteidigt werden könnten, ist der Gipfel der politischen und intellektuellen Scharlatanerie.“

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