Krieg gegen die Bevölkerung: Argentinischer Präsident Milei kündigt erste, vom IWF diktierte Maßnahmen an

Der argentinische Wirtschaftsminister Luis Caputo kündigte am Dienstagabend die ersten wirtschaftlichen Maßnahmen des neuen faschistischen Präsidenten Javier Milei an.

Javier Milei, neu gewählter Präsident Argentiniens, bei einer Rede in seiner Wahlkampfzentrale in Buenos Aires am Sonntag, 13. August 2023 [AP Photo/Natacha Pisarenko]

Das wirtschaftliche „Anpassungsprogramm“, das Caputo darlegte, soll den Maßstab für Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter überall auf der Welt setzen. Die Maßnahmen werden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) diktiert, deren Direktorin Kristalina Georgieva sie als „mutige erste Schritte“ bezeichnete.

Da die Regierung die Reaktion der kämpferischen argentinischen Arbeiterklasse fürchtet – die Financial Times warnte, Milei stünden „sehr kurze Flitterwochen“ bevor –, erfolgte die Ankündigung erst zwei Tage nach seiner Amtseinführung. Caputo verzögerte auch die Rundfunkübertragung, um sie mehrfach neu aufzunehmen, und gab keine Pressekonferenz.

Als erste Maßnahme kündigte Caputo eine Entwertung des Peso an, der von 366 auf 820 Peso für einen Dollar abstürzte. Danach kündigte er Subventionskürzungen und die Abschaffung der Preisdeckelung bei Treibstoff, öffentlichen Verkehrsmitteln, Strom, Gas, Wasser, privater Krankenversicherung und anderen Grundgütern an.

Es ist absehbar, dass allein diese beiden Maßnahmen unmittelbar zu deutlichen „tarifazos“, d. h. enormen Gebührenerhöhungen führen und die Arbeiter weiter in die Armut treiben werden. Schon jetzt leben 45 Prozent der Gesamtbevölkerung und 63 Prozent der Kinder in Armut.

Milei, ein selbsternannter Feind staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft, wird auch die PAIS-Steuer auf Importe von 7,5 auf 17,5 Prozent erhöhen, was die Preise für viele Grundgüter weiter in die Höhe treiben wird.

Die Online-Tageszeitung Infobae hat bereits eine Schätzung veröffentlicht, laut der es aufgrund der Ankündigungen vom Dienstag bei 30 verschiedenen Grundgütern „sehr kurzfristig“ zu Preisanstiegen von durchschnittlich 98,7 Prozent kommen wird.

Der ehemalige Zentralbankdirektor Enrique Szewach erklärte gegenüber der Zeitung, es werde monatelang eine „starke Rezession und hohe Inflation“ sowie brutale Sozialkürzungen geben: „Es ist nicht nur eine orthodoxe, sondern eine brutale Anpassung. Oder zumindest ist es eine brutal orthodoxe Anpassung.“

Milei hat es zu seinem Ziel erklärt, das öffentliche Defizit bis zur Mitte seiner Amtszeit von etwa fünf Prozent auf Null zu senken. Deshalb hat er bereits die Zahl der Ministerien von achtzehn auf neun gesenkt und alle öffentlichen Arbeitsprogramme beendet, was zehntausende Arbeitsplätze kosten wird.

Caputo kündigte zudem an, die Haushalte der Provinzen würden auf ein Minimum zusammengestrichen. Als Folge werden die Gelder für Sozialleistungen und Renten auslaufen. Ländliche und halbländliche Gebiete in der nördlichen Region Chaco, in denen es bereits jetzt zu großen Engpässen kommt, sind zu einer schweren humanitären Krise verdammt.

Die Regierung plant außerdem, die derzeitige Formel zur Inflationsbereinigung für Renten abzuschaffen und durch willkürliche Dekrete zu ersetzen. Lokale Medien berichteten zudem über Pläne, eine erst vor zwei Monaten abgeschaffte Steuer auf mittlere Einkommen wieder einzuführen.

Regierungsvertreter haben den Medien bereits einen „Liquidierungsplan“ zugespielt, der eine Abschaffung der als „Paritarias“ bekannten monatlichen oder vierteljährlichen Lohnverhandlungen im öffentlichen Sektor und damit faktisch Nullrunden vorsieht. Caputo wagte es nicht, dies in seiner Rede zu erwähnen.

Dies würde einen Großteil der 3,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst zur Kündigung nötigen und sie in die Privatwirtschaft oder die Arbeitslosigkeit treiben. Die Milei-Regierung erklärte, sie werde keine Tarifverträge erneuern, die weniger als ein Jahr alt sind.

Caputo erklärte weiter, neben der Zerstörung von Arbeitsplätzen und Lohnniveaus würde auch das Budget für das wichtigste Sozialprogramm, Potenciar Trabajo, eingefroren. Andere Regierungsvertreter erklärten, das Programm werde „ganz von vorne“ anfangen. Sie erläuterten, jeder Fall werde auf angebliche „Unregelmäßigkeiten“ untersucht werden, sodass alle Leistungsempfänger aussortiert werden, die als arbeitsfähig gelten.

Obwohl etwa 40 Prozent der argentinischen Bevölkerung Sozialhilfe erhalten, werden die Mittel für Lebensmittelmarken nur um 50 Prozent ansteigen, die allgemeine Zahlung pro Kind um 100 Prozent. Diese Erhöhungen werden jedoch bereits nach wenigen Wochen wegfallen.

Mileis Plan besteht aus Maßnahmen, die von der argentinischen herrschenden Klasse und der Wall Street von langer Hand geplant wurden, um die gesamten Kosten des jahrelangen vulgären Finanzparasitismus, der sich in Schulden beim IWF und hohen Zinssätzen ausdrückt, der Arbeiterklasse und anderen verarmtern Schichten aufzubürden.

Da Argentinien über keine Auslandsdevisen mehr verfügt, wird Milei weiterhin auf chinesische Devisenswaps setzen, um den IWF zu bezahlen. Dieser hat jedoch bereits einen neuen Kredit angeboten – zusätzlich zu den bisherigen Darlehen, die mit mehr als 45 Milliarden Dollar bereits die höchsten Darlehen in der Geschichte der Organisation sind. Diese Entscheidung ist ein Ausdruck des starken Rückhalts, den Mileis Politik in der herrschenden Klasse der USA genießt.

Die Botschaft ist klar. Als Reaktion auf die Krise des globalen Kapitalismus und den Drang zum Weltkrieg fordert das globale Finanzkapital eine Verschärfung der Ausbeutungsrate bis zu dem Punkt, an dem Millionen von Arbeitern und ihre Familien zu verhungern drohen.

Mileis Heilsversprechen vom „freien Markt“, auf dem Investoren wie durch Zauberhand die staatlichen Leistungen und Arbeitsplätze ersetzen und Argentinien zu seiner alten Größe als eines der reichsten Länder verhelfen würden, hat sich als leere Hülle entpuppt, mit der eine Intensivierung des staatlich gelenkten Vermögenstransfers von den unteren 90 Prozent zu den wenigen Reichsten gerechtfertigt wird.

Solche Maßnahmen sind selbst mit der begrenzten demokratischen Fassade unvereinbar, die am Ende der faschistischen Militärdiktatur 1983 in Argentinien errichtet wurde. Milei und seine Vizepräsidentin Victoria Villaruel sind beide berüchtigte Verteidiger der Massenmorde, Verhaftungen und der Folter während der Diktatur.

Bei seiner Amtseinführung sprach Milei vom „Triumph des Lichts über die Dunkelheit“, zitierte aus dem Alten Testament über den Makkabäeraufstand der Juden und benutzte dabei bewusst die gleiche mystische Sprache und Rhetorik, mit der die faschistischen zionistischen Regierungsvertreter den Völkermord im Gazastreifen rechtfertigen. Der „Verrückte“ Milei versteht sein Regime als Speerspitze in einem globalen Kampf gegen jeden Widerstand gegen Imperialismus und seine Bosse in der Finanzaristokratie.

In diesem Kontext ist die selbstgefällige und nationalistische Reaktion der Pseudolinken nicht weniger als kriminell. Die Parteien der so genannten „Front der Linken und ArbeiterInnen – Einheit“ (FIT-U) tun, was sie schon immer getan haben. Sie spielen die Gefahr von Faschismus und Diktatur herunter und versuchen gleichzeitig, die politische Leiche des Peronismus wiederzubeleben, der in der Wahl eben erst eine krachende Niederlage gegen den Faschisten Milei erlitten hat.

Die FIT-U sah sich angesichts der schwelenden Wut der Bevölkerung zwar zu begrenzten Demonstrationen gezwungen, appellierte aber weiter an die Peronisten, weil sie genau weiß, dass diese keine Gefahr für Milei oder die Diktate des IWF darstellen. Tatsächlich haben sich viele peronistische Funktionäre der Milei-Regierung angeschlossen, darunter Daniel Scioli, Flavia Royon, Mario Russo, Marco Lavagna, Leonardo Madcur, Franco Mogetta, Olsvaldo Giordano und Guillermo Michel.

Die Gewerkschaftsbürokratie, die sich zuvor an der peronistischen Regierung beteiligt und vier Jahre lang landesweite Streiks blockiert hat, bietet Milei bereits ihre Hilfe bei der Unterdrückung von Protesten an, wenn sie dafür einen Platz am Tisch bekommt.

Mileis Wahl hat gezeigt, dass die FIT-U und ihr Umfeld politisch ebenso verfault sind wie die Peronisten und dass sie eine Falle für Arbeiter und Jugendliche darstellen, die sich Mileis sozialen Angriffen und der Gefahr von Diktatur und Faschismus widersetzen wollen.

Eine besonders aufschlussreiche Episode war der Auftritt von Eduardo Belliboni, dem Führer der „Piqueteros“, in der Arbeiter in informeller Beschäftigung und Arbeitslose organisiert sind. Bei einem Auftritt im nationalen Fernsehen kurz nach Mileis Wahlsieg erklärte Belliboni, Vizepräsidentin Villaruel möge „vielleicht die Diktatur zurückhaben wollen, aber in diesem Land akzeptieren wir keine Diktaturen mehr.“

Der Journalist war von dieser Selbstgefälligkeit völlig verblüfft: „Es könnte Tote geben.“ Er erinnerte daran, dass Ramiro Marra, der Präsident von Mileis Partei, Belliboni in der gleichen Sendung gedroht hatte: „Wenn Sie die Straßen blockieren, kommen Sie ins Gefängnis. Ich werde sie verprügeln.“

Belliboni gab darauf eine Antwort, die man ihm auf die Stirn tätowieren sollte: „Das Schicksal eines Menschen liegt in seinem Namen. Dieser Typ heißt Marra“, womit er in der Manier eines Erstklässler andeuten wollte, dass Marra eine mamarracho („Sauerei“) sei.

Milei und der IWF können nur durch einen politischen Kampf besiegt werden, der sich auch gegen den Peronismus, die Parteien der FIT-U und die mit ihnen verbündeten Gewerkschaftsbürokratien richtet, die eine Einheitsfront mit der Bourgeoisie und privilegierten Teilen des Kleinbürgertums bilden und den Arbeitern feindlich gegenüberstehen. Der Aufbau einer wirklich trotzkistischen Führung ist notwendig, um die Arbeiterklasse auf der Basis der sich wachsenden internationalen Klassenkämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, Krieg, Faschismus und Völkermord zu vereinen.

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