Politik und Medien hetzen gegen Greta Thunbergs Verurteilung des Genozids in Gaza

Zu den ersten Opfern im imperialistischen Krieg gehören immer die Wahrheit und Meinungsfreiheit. Während Israel im Gazastreifen ein Massaker an der palästinensischen Bevölkerung begeht, Schulen, Gotteshäuser, Krankenhäuser und weitere zivile Infrastruktur bombardiert, wird jede Kritik daran als Antisemitismus und Terrorismus denunziert.

Klimaprotest mit Greta Thunberg (rechts), 27.10.2023 [Photo: Greta Thunberg on X]

Eines der prominentesten Opfer dieser hysterischen Kampagne ist die schwedische Klimaaktivistin und Initiatorin der international agierenden Fridays for Future Bewegung Greta Thunberg. In den letzten Wochen verurteilte sie in zahlreichen Statements und auf Massendemonstrationen der Klimabewegung die israelischen Verbrechen.

„Heute streiken wir in Solidarität mit Palästina und Gaza. Die Welt muss ihre Stimme erheben und einen sofortigen Waffenstillstand, Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser und alle betroffenen Zivilisten fordern,“ erklärte sie bereits wenige Tage nach Beginn des israelischen Massenmords in Gaza.

Zuletzt forderte sie am Sonntag auf einem Protest von etwa 85.000 Klimademonstranten in Amsterdam, „auf die Stimmen jener zu hören, die unterdrückt sind und die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen“. Als ihr ein älterer Mann auf der Bühne das Mikro aus der Hand riss und sich gegen Thunbergs politische Ansichten aussprach, skandierte sie: „No climate justice on occupied land“ („Es gibt keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Boden“) und Zehntausende stimmten ein.

Thunbergs klare Statements gegen den Genozid und für die unterdrückten Palästinenser und die Resonanz die sie dafür bekommt, widerspiegeln die weit verbreitete Opposition gerade auch unter jungen Menschen gegen Militarismus, Imperialismus und Krieg.

Auch der internationale Dachverband von Fridays for Future veröffentlichte auf X (vormals Twitter) ein Statement, in dem ein Ende der israelischen Besatzung Palästinas und der Apartheid in Israel gefordert wird. Es verurteilt auch die bürgerlichen Medien, die durch ihre Propaganda versuchten, die Palästinenser und jede Solidaritätsbekundung mit ihnen als Terrorismus zu denunzieren und damit eine üble Täter-Opfer-Umkehr an den Tag legten.

In der herrschenden Klasse ruft diese klare Positionierung eine aggressive Hetzkampagne hervor. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein sprach der Bewegung ihre Vorbildfunktion für die Jugend ab. Die Äußerungen aus dem Kreis Thunbergs seien „in unerträglicher Form antisemitisch und spiegeln ein politisches Weltbild wider, das demokratische Grundwerte vermissen lässt“, sagte Klein der Nachrichtenagentur KNA. „Wer solche Haltungen propagiert, hat sich als Vorbild für die Jugend disqualifiziert.“

Andere äußerten sich noch aggressiver. Der Präsident der Deutsch-israelischen Gesellschaft (DIG) und führende Grünen-Politiker, Volker Beck, schrieb auf X, Thunberg sei „ab jetzt hauptberuflich Israelhasserin“. Und der Chefredakteur von WeltN24 Ulf Poschardt setzte den üblen Tweet ab: „Die heilige Greta Thunberg hardcore antisemitisch.“

Klein, Beck und Poschardt bedienen hier das Narrativ, das die herrschende Klasse in die Welt gesetzt hat, jeder, der Kritik an der israelischen Regierung äußert, sei antisemitisch. Das Gegenteil ist aber der Fall. Antisemitisch ist nicht, wer die Gewalt des zionistischen Staats ablehnt, sondern die Gewalt im Namen des Kampfs gegen Antisemitismus verteidigt und damit alle Juden mit dem Völkermord assoziiert.

Der Vorwurf, Thunberg sei „hauptberuflich Israelhasserin“ oder „hardcore antisemitisch“, ist zudem eine üble Verharmlosung wirklich antisemitischer Kräfte. Die gleichen Politiker und Medien, die jetzt Thunberg mit der falschen Anschuldigung des Antisemitismus angreifen, geben selbst extrem rechten und wirklich antisemitischen Kräften eine Plattform. Poschardts Blatt Die Welt und er selbst gehören etwa zu den aggressivsten Verteidigern des rechtsextremen Humboldt-Professors Jörg Baberowski, der systematisch die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost und behauptet, dass selbst Hitler „nicht grausam“ gewesen sei.

Es spricht Bände über den rechten Charakter der selbsternannten deutschen Führung von Fridays for Future, dass sie die reaktionäre Hasskampagne gegen Thunberg nicht verurteilen, sondern sich ihr anschließen. So positionierten sich Figuren wie Luisa Neubauer, selbst ein Mitglied der Grünen, und Carla Reemtsma stramm hinter Israels Genozid und attackierten Thunberg. In einem Interview der Zeit erklärte Neubauer, sie sei von Thunberg „enttäuscht“ und warf ihr indirekt „Desinformation“ und „Antisemitismus“ vor. Man werde sich in Zukunft vom internationalen FFF-Dachverband distanzieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Führer von FFF Deutschland den deutschen Imperialismus und seine Kriegsagenda unterstützen. Bereits zu Beginn des Stellvertreterkriegs der Nato gegen Russland in der Ukraine positionierten sich Neubauer und Co für Waffenlieferungen an die Ukraine und unterstützten die Eskalation der Nato-Aggression gegen Russland.

Die World Socialist Web Site und die International Youth and Students for Social Equalitxy (IYSSE) wiesen damals auf die enorme Kluft zwischen der großen Mehrheit der Klimademonstranten in Deutschland und den rechten „Führern“ hin. In einem Artikel „Fridays for Future oder Fridays for Nuclear War?“ schrieben wir:

Während die Teilnehmer der Demonstrationen über die Kriegsentwicklung besorgt sind und einen nuklearen Weltkrieg verhindern wollen, tun die selbsternannten Führer von „Fridays for Future“ genau das Gegenteil: Sie versuchen, die Bewegung zu einer Jubeltruppe für die Aufrüstung und die Aggressionen der Nato zu verwandeln und sie in den Dienst der Kriegspolitik zu stellen. Das muss unbedingt verhindert werden!

Die Grünen-Politikerin Luisa Neubauer, die in der Bewegung eine tonangebende Rolle einnimmt, bringt diese üble rechte Politik am schärfsten zum Ausdruck. Neubauer unterstützt nicht nur die Bewaffnung des ukrainischen Militärs – in dessen Reihen Neonazis und Legionäre aus aller Herren Länder kämpfen – sondern auch die historisch beispiellose Aufrüstung der Bundeswehr und die Kriegssanktionen gegen Russland.

Hinter Neubauers Angriff auf Thunberg und ihrer Solidarisierung mit Israel steht die gleiche Logik. Der Bundesregierung geht es auch im Nahen und Mittleren Osten nicht um Demokratie oder gar jüdisches Leben, sondern um imperialistische Interessen. Um diese durchzusetzen, muss die breite Opposition – gerade auch unter Jugendlichen – unterdrückt werden. Deshalb tritt Neubauer so aggressiv auf und solidarisiert sich mit der Kriegs- und Diktaturoffensive der Bundesregierung.

Das zeigt, dass Arbeiter und Jugendliche weltweit, die gegen Klimawandel, Unterdrückung und Krieg kämpfen wollen, eine unabhängige Perspektive brauchen. Sie müssen sich auf die internationale Arbeiterklasse orientieren und für ein sozialistisches Programm kämpfen. Sie müssen verstehen, dass sowohl dem Klimawandel als auch dem Genozid in Gaza dieselben Widersprüche des Kapitalismus zu Grunde liegen. Die Bourgeoisie treibt den Klimawandel voran, um immer mehr Profit zu generieren, genauso wie sie Krieg führt und einen Völkermord begeht, um ihre imperialistischen Interessen durchzusetzen.

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