26.1. Die Perspektivresolution des IKVI von August 1988, Die kapitalistische Weltkrise und die Aufgaben der Vierten Internationale, war die erste umfassende Analyse der Weltwirtschaft und Weltpolitik seit die WRP diese Arbeit in den frühen 1970er Jahren aufgegeben hatte. Die Resolution war die Grundlage für die engere Zusammenarbeit aller Sektionen des IKVI. Ein zentraler Bestandteil des Dokumentes war die Untersuchung der Auswirkungen der beispiellosen weltweiten Integration des Produktionsprozesses, die einen qualitativen Wendepunkt der weltweiten wirtschaftlichen Beziehungen darstellte und objektiv die internationale Einheit der Arbeiterklasse und damit die Grundlage für eine sozialistische Weltwirtschaft stärkte. Das IKVI kam zu dem Schluss: „Es ist schon immer eine Grundaussage des Marxismus gewesen, dass der Klassenkampf nur der Form nach national, seinem Wesen nach aber international ist. Unter den gegebenen neuen Merkmalen der kapitalistischen Entwicklung muss jedoch auch die Form des Klassenkampfs einen internationalen Charakter annehmen. Selbst die elementarsten Kämpfe der Arbeiterklasse verlangen die Koordinierung ihrer Aktionen in internationalem Maßstab. (…) Durch die beispiellose internationale Mobilität des Kapitals sind so alle nationalen Programme für die Arbeiterbewegung der verschiedenen Länder hinfällig und durch und durch reaktionär geworden. Solche nationalen Programme beruhen unweigerlich auf der freiwilligen Zusammenarbeit der Arbeiterbürokratien mit ‚ihrer‘ herrschenden Klasse bei der systematischen Senkung des Lebensstandards der Arbeiter, um die Position ‚ihres‘ kapitalistischen Landes auf dem Weltmarkt zu stärken.“ [61]
26.2. Der Bankrott der Programme auf nationaler Grundlage zeigte sich, als die alte Führung der Arbeiterklasse, die stalinistischen und sozialdemokratischen Parteien und die Gewerkschaften „selbst so elementare Konzeptionen wie die Existenz des Proletariats als eigene soziale Klasse verwarfen, die ihre unabhängigen Interessen gegen die kapitalistische Ausbeutung verteidigen muss“. Das IKVI analysierte genauestens die fortgeschrittene Degeneration der stalinistischen Bürokratien in der Sowjetunion, Osteuropa und China. Im Gegensatz zu allen kleinbürgerlichen opportunistischen Tendenzen beharrte das IKVI darauf, dass der Inhalt von Gorbatschows Glasnost und Perestroika die kapitalistische Restauration war – was sich schnell als wahr erwies. Das Dokument erklärte, die Krise der bewaffneten Tamilengruppen in Sri Lanka sei Teil eines allgemeinen internationalen Prozesses, der seine Wurzeln in der Unfähigkeit der nationalen Bourgeoisie habe, einen konsistenten Kampf gegen den Imperialismus zu führen. Die Kapitulation der LTTE vor Neu-Delhi fand vielseitige Parallelen in der Unterordnung der Palästinensischen Befreiungsorganisation und der Intifada unter die reaktionären Interessen der arabischen Bourgeoisie und in der Vereinbarung der Sandinistas mit den rechten Contras in Nicaragua.
26.3. Das IKVI bestand darauf, dass die weltweite Verknüpfung der Produktion nicht etwa ein neues goldenes Zeitalter des Kapitalismus einläute, sondern die grundlegenden Widersprüche zwischen der Weltwirtschaft und dem veralteten System der Nationalstaaten, zwischen gesellschaftlicher Produktion und Privateigentum, zu neuen Höhepunkten steigere. Die Resolution benannte die treibenden Kräfte für eine neue Periode revolutionärer Erhebungen, darunter den wirtschaftlichen Niedergang der USA und das Anwachsen inner-imperialistischer Antagonismen, die Entstehung neuer Arbeiterklassen vor allem in Asien, die Verarmung der rückständigen Länder und vor allem die Krise des Stalinismus.
26.4. Mit Blick auf seine strategischen Aufgaben fasste das IKVI die Lehren aus den Kämpfen nach der Spaltung von 1985-86 gegen Überbleibsel nationalistischer Tendenzen zusammen, die ein Vermächtnis der Degeneration der WRP waren. „Revolutionärer Internationalismus ist der politische Antipode des Opportunismus. Der Opportunismus in seinen verschiedenen Formen ist eine Anpassung an die so genannten ‚Realitäten‘ des politischen Lebens in einer bestimmten nationalen Umgebung. In seiner ständigen Suche nach Abkürzungen erhebt der Opportunismus diese oder jene Taktik über das grundlegende Programm der sozialistischen Weltrevolution. Der Opportunismus hält das Programm der ‚sozialistischen Weltrevolution‘ für zu abstrakt und sehnt sich nach angeblich konkreteren taktischen Initiativen. Dabei ‚vergisst‘ der Opportunist nicht nur den internationalen Charakter der Arbeiterklasse. Er ‚übersieht‘ auch die Tatsache, dass die Krise in jedem Land letztlich aus weltweiten Widersprüchen herrührt und daher nur auf der Grundlage eines internationalistischen Programms gelöst werden kann. Keine nationale Taktik, wie wichtig sie im politischen Arsenal der Partei auch sein mag, (…) kann ihren revolutionären Inhalt bewahren, wenn sie über die Weltstrategie des Internationalen Komitees erhoben oder, was aus dasselbe hinausläuft, von ihr getrennt wird. Der zentrale historische Beitrag der Sektionen des Internationalen Komitees zur Arbeiterbewegung in den Ländern, wo sie tätig sind, ist daher der kollektive und vereinte Kampf für die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution.“ [62]