20.1 Nach dem Aufstand der JVP 1971 musste sich die Koalitionsregierung aus SLFP, LSSP und KP mit einer wachsenden wirtschaftlichen und politischen Krise auseinandersetzen. Sie reagierte mit weiterer Unterdrückung und singhalesischem Kommunalismus. Im Jahr 1972 spielte Colvin R. de Silva, nun Minister für Verfassungsangelegenheiten, die Hauptrolle bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung. 1956 war de Silva noch dagegen gewesen war, Singhalesisch zur einzigen Amtssprache zu erklären. Jetzt wurde der Buddhismus offiziell Staatsreligion, und Singhalesisch die einzige Amtssprache. Im öffentlichen Dienst und beim Zugang zu Universitäten wurden diskriminierende Maßnahmen gegen Tamilen eingeführt. Die tamilischen Parteien – die Federal Party, der All Ceylon Tamil Congress und der Ceylon Workers Congress, die wichtigste Organisation der Plantagenarbeiter – kämpften erbittert gegen die neue Verfassung und gründeten die Tamil United Front (TUF), aus der 1975 die Tamil United Liberation Front (TULF) hervorging.
20.2 Die Ölkrise und die weltweite Rezession von 1973-74 hatten schwerwiegende Auswirkungen auf Sri Lanka. Steigende Verbraucherpreise vor allem bei Öl- und Nahrungsmittelimporten führten zu einer akuten Krise auf dem Devisenmarkt. Finanzminister N.M. Perera weitete die nationale Wirtschaftsregulierung aus, führte strenge Kontrollen von Lebensmittelimporten und ein staatliches Monopol auf die Beförderung von Reis sowie einen Lohnstopp ein. Diese Politik führte bei der Arbeiterklasse und den Massen auf dem Land zu akutem wirtschaftlichem Elend. Auf den Plantagen führten Arbeitslosigkeit und steigende Preise zu extremer Armut und zu hunderten von Hungertoten. Bandaranaike reagierte darauf, indem sie 1974 die Zwangsausweisung der Plantagenarbeiter durch ein Abkommen mit der indischen Premierministerin Indira Gandhi beschleunigte. Allgemeiner Widerstand gegen die Koalitionsregierung führte zu wachsender Militanz der Arbeiterklasse.
20.3 Dass die RCL 1970 ihre politische Linie klargestellt hatte, erwies sich als wichtig für das Eingreifen der Partei in der wachsenden Massenbewegung. Ihre Forderung, die LSSP und die KP sollten mit der SLFP brechen und für eine Regierung der Arbeiter und Bauern kämpfen und sozialistische Politik durchführen, entsprach den Ansichten großer Teile der Arbeiter, die der Koalitionsregierung zutiefst feindselig gegenüberstanden. Die Partei konnte in den Eisenbahnwerken bei Ratmalana, der Zentralbank, der Regierungspresse und dem staatlichen Textilwerk Thulhiriya und, in Einklang mit ihrem Kampf für die Einheit zwischen singhalesischen und tamilischen Arbeitern, in der Fabrik Ceynor auf der Halbinsel Jaffna große Gewerkschaftsfraktionen aufbauen.
20.4 Als die Krise der Regierung schlimmer wurde, griff Bandaranaike auf undemokratische Methoden zurück. Die SLFP-Regierung hatte ihre Mehrheit in der Verfassungsgebenden Versammlung von 1972 benutzt, um ihre Amtszeit willkürlich um zwei Jahre, bis 1977, zu verlängern. Sie behielt den Notstand bei, den sie während des Aufstandes der JVP verhängt hatte und benutzte die Notstandsregelungen, um Presse und politische Gegner zum Schweigen zu bringen. Nach zunehmenden Streitigkeiten über die Wirtschaftspolitik entließ Bandaranaike 1975 die LSSP-Minister und unternahm die ersten Schritte zur Öffnung der Insel für ausländische Investitionen.
20.5 In der Zeit nach dem Ausschluss der LSSP aus der Regierung vom September 1975 bis zur verheerenden Wahlniederlage im Juli 1977, befand sich die srilankische Bourgeoisie in einer akuten Krise. Das war Bestandteil der revolutionären Unruhen, die seit 1968 auf der ganzen Welt stattfanden. Bandaranaikes Sparpolitik führte zu einer anschwellenden Streikwelle, bei der die RCL eine immer wichtigere Rolle spielte. Die Regierung war über den Einfluss der RCL beunruhigt und griff sie im Parlament offen an. Der Höhepunkt kam Ende 1976. Im November beteiligten sich Zehntausende von Arbeitern an großen Studentendemonstrationen gegen die Erschießung eines Studenten der Universität Peradeniya. Im Dezember 1976 begann ein Generalstreik mit einem Ausstand in den Eisenbahnwerkstätten von Ratmalana, der sich schnell über den Eisenbahnsektor hinaus ausbreitete. Die Regierung ließ den Streik verbieten, aber das führte nur zu weiteren Ausständen anderer Arbeiter im öffentlichen Dienst. Wochenlang hing das Schicksal der Bandaranaike-Regierung in der Schwebe.
20.6 Die bürgerliche Herrschaft konnte diese entschlossene Offensive der Arbeiterklasse nur dank der Führungen der LSSP, der KP und der LSSP(R) überleben. Sie verhinderten, dass sich die Massenbewegung zu einem Kampf um die Macht entwickelte. Die KP blieb in der Regierung und unterstützte die Anwendung von Polizeistaatsmethoden gegen Streikende. Erst im Februar 1977, als die Streiks niedergeschlagen waren, verließ sie die Regierungskoalition. Die LSSP-Führung erklärte, die Streikbewegung sei unpolitisch gewesen und weigerte sich, die streikenden Arbeiter zu unterstützen oder die Forderung nach dem Sturz der Bandaranaike-Regierung zu erheben. Die Ceylon Mercantile Union (CMU), die von LSSP(R)-Chef Bala Tampoe geleitet wurde, weigerte sich, am Streik teilzunehmen und stellte sich gegen die Versuche der RCL, CMU-Mitglieder zu mobilisieren.
20.7 Die LSSP (R) und ihre diversen Abspaltungen spielten die wichtigste Rolle dabei, die Forderung der RCL nach einem Kampf der LSSP und der KP für eine Arbeiter- und Bauernregierung und sozialistische Politik anzugreifen. Tulsiri Andradi kritisierte die RCL, weil sie angeblich Illusionen in die reformistischen Parteien – die LSSP und die KP – schürte, wenn sie diese zur Machtübernahme aufforderte. Die Forderung der RCL zielte jedoch nicht darauf ab, diese Parteien zu propagieren, sondern ihre Kontrolle über die sozialistisch gesinnten Teile der Arbeiterklasse zu brechen, die immer noch widerwillig zur Führung der LSSP und der KP hielten. Andradis links daher kommende Kritik war ein Versuch, der wichtigen politischen Aufgabe auszuweichen, die LSSP und die KP zu entlarven und die Arbeiter unter der Kontrolle dieser Parteien zu lassen. Der Verrat an dieser Massenbewegung durch die LSSP, KP und LSSP(R) ermöglichte es der UNP, wieder an die Macht zu kommen. Bei der Wahl im Juli 1977 erlitten die Koalitionsparteien eine schwere Niederlage: Die UNP gewann 140 der 168 Sitze im Parlament, die SLFP kam nur auf acht, die LSSP und die KP verloren alle ihre Sitze.
20.8 Während die RCL ihren politischen Kampf gegen die alte Führungsschicht der srilankischen Arbeiterklasse verschärfte, nahm die britische WRP von diesem Kampf Abstand. Nach dem Sturz der Regierung Heath 1974 durch einen entschlossenen Streik der britischen Bergarbeiter kam eine Minderheitsregierung der Labour Party an die Macht. Da die WRP ein Jahr zuvor hauptsächlich auf der Grundlage der starken Anti-Tory-Stimmung in der Arbeiterklasse gegründet worden war, stand die Partei nun vor einer politischen Krise. Sie verlor hunderte von Mitgliedern und sah sich gezwungen, gegen verbliebene Illusionen der Arbeiter in die Sozialdemokratie anzukämpfen. Diese Illusionen wurden von einer prinzipienlosen rechten Fraktion unter Leitung von Alan Thornett verbreitet, einem Mitglied des Zentralkomitees und führendem Gewerkschafter. Diese Fraktion argumentierte, die Labour-Regierung werde mit der Bourgeoisie in Konflikt geraten. Statt einen Kampf zur Klärung des Klassencharakters der Labour-Anhänger für ihre Mitglieder – und damit die Arbeiterklasse – zu führen, schloss die WRP Thornetts Gruppe ohne politische Diskussion aus. Dass die WRP den geduldigen Kampf zur Ausbildung der Arbeiter aufgab, zeigte sich im Juli 1975, als sie zum Sturz der Labour-Regierung aufrief, die zu diesem Zeitpunkt noch bei der Mehrheit der Arbeiter Rückhalt hatte und die revolutionäre Partei noch keine Alternative dazu war. Während sich die WRP hinter diesem scheinbar linken Ultimatum versteckte, gab sie den politischen Kampf gegen die Labour-Führung auf und passte sich an einen Teil der Gewerkschaftsbürokratie an.
20.9 Die WRP versuchte, auch der RCL eine ähnliche Haltung aufzudrängen. Mike Banda erklärte in einem Brief an Balasuriya vom September 1975: „Ich fürchte, der Schwanz der Propaganda wedelt wieder mit dem marxistischen Hund. Das zeigt sich an eurer Presse, in der ihr viel Raum dafür verwendet, (zurecht) die Revisionisten zu entlarven, aber ihr tut nicht genug um die Abstraktionen durch einen Kampf um die Macht zu entwickeln und zu konkretisieren.“ Banda forderte die RCL auf, ihre Forderungen an die LSSP und die KP fallenzulassen und warnte, die Partei würde letztendlich „vor den Zentristen kapitulieren.“ Stattdessen solle sie zum Sturz der SLFP-Regierung aufrufen. Die RCL ließ sich nicht davon abbringen, die LSSP und die KP mit der Forderung nach einer Arbeiterregierung zu entlarven. Außerdem war der „Propagandismus“ – Balasuriyas Polemiken gegen die diversen pablistischen Gruppen, darunter auch seine Antwort auf Andradi in Buchform mit dem Titel „Verteidigung der Vierten Internationale: Antwort auf einen antitrotzkistischen Scharlatan“ von 1975 – eine wichtige Vorbereitung für die Intervention der RCL in die Arbeiterklasse.
20.10 Die Unruhen von 1975-77 erwiesen sich als entscheidender politischer Test. Nachdem die RCL 1970 ihre politische Linie klargestellt hatte, konnte sie in dieser Zeit ihren Rückhalt unter den klassenbewussten Arbeitern stark vergrößern. Sie war die einzige Partei, die dafür gekämpft hatte, die Arbeiterklasse auf sozialistischer Grundlage gegen die Bandaranaike-Regierung zu mobilisieren. Alle Fragmente der LSSP(R) unter Führung von Bala Tampoe, Samarakkody und Andradi hatten sich als mangelhaft erwiesen und verschwanden innerhalb der nächsten Jahre aus der srilankischen Politik. Ihr Platz wurde von der Nava Sama Samaja Party (NSSP) eingenommen, die 1978 von ehemaligen LSSP-Mitgliedern gegründet wurde. Die Gründer der NSSP hatten den Verrat von 1964, die zweite Koalitionsregierung und ihre kommunalistische Politik unterstützt, waren während der Streikwelle in der LSSP geblieben und verließen die Partei erst nach der Wahlniederlage von 1977. Wie ihr Name andeutete, war die NSSP nur der alte Samasamajismus in einem neuen Gewand. Sie setzte die Klassenkollaboration und Koalitionspolitik der LSSP fort und wurde passenderweise 1981 die srilankische Sektion des pablistischen Vereinigten Sekretariats.
20.11 Der Aufstieg und Fall der Bandaranaike-Regierung in Sri Lanka fand in anderen Ländern Südasiens seine Parallele. Mitten in der Wirtschaftskrise der 1970er Jahre versuchten die Regierungen von Zulfikar Ali Bhutto in Pakistan und Indira Gandhi in Indien die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen mit pseudosozialistischer Rhetorik und populistischem Nationalismus an sich zu binden. Beide Regierungen führten anfangs sehr begrenzte Reformen durch, stürzten sich dann kopfüber in den Konflikt mit der Arbeiterklasse und griffen auf autoritäre Methoden zurück, um den Widerstand zu unterdrücken. In Pakistan und Indien spielten die diversen stalinistischen Parteien die Hauptrolle dabei, die Arbeiterklasse daran zu hindern, diese angeblich linken Regimes anzugreifen, sodass die Bourgeoisie wieder die Initiative ergreifen konnte. 1977 verloren Bhutto, Gandhi und Bandaranaike die Macht. Die bürgerliche Politik machte einen scharfen Rechtsruck, Indira Gandhi verkörperte diesen Rechtsruck sogar selbst, als sie 1980 wieder an die Macht kam. In Pakistan wurde Bhutto durch einen Militärputsch unter Führung von General Muhammad Zia-ul-Haq mit Unterstützung Washingtons gestürzt. Bhutto, Gandhi und Bandaranaike hinterließen ein reaktionäres Vermächtnis: Ihr mit Chauvinismus und Appellen an nationale und religiös-kommunalistische Identitäten angereicherter „linker“ Populismus legte die Grundlagen für eine Eskalation der ethnisch-kommunalistischen Politik in Südasien in den 1980er Jahren.