13.1. Die Weigerung der LSSP, die SWP und das IKVI im Kampf gegen den pablistischen Opportunismus zu unterstützen, war ein Wendepunkt in ihrer Geschichte und beschleunigte ihre Degeneration deutlich. Die LSSP-Führung kritisierte zwar Pablos prostalinistische Orientierung, sympathisierte aber mit der zugrundeliegenden liquidatorischen Haltung, da sie damit ihre eigene Anpassung an nationale Reformpolitik rechtfertigen konnte, die aus einer Mischung aus Parlamentarismus und Gewerkschaftssyndikalismus bestand. Sowohl Parlament als auch Gewerkschaften sind Gegner, die die revolutionäre Partei benutzen kann, um für ihre eigene Perspektive zu kämpfen, aber sie üben unweigerlich starken Druck auf die Partei aus, sich an reformistische Illusionen in der Arbeiterklasse anzupassen. Die LSSP vertrat zwar in Worten immer noch den Trotzkismus, maß ihren Erfolg jedoch an der Zahl der Sitze im Parlament und ihrem Einfluss in den Gewerkschaften. Für sie führte der Weg zum Sozialismus über parlamentarische Manöver und Streiks für begrenzte wirtschaftliche Forderungen, nicht über die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse.
13.2. Die Folgen der opportunistischen Orientierung der LSSP hatten sich bereits in den Ereignissen im August 1953 gezeigt – einer großen Krise der bürgerlichen Herrschaft auf der Insel. Bei den Wahlen von 1952 gewann die UNP eine deutliche Mehrheit, die wiedervereinigte LSSP hatte Sitze verloren, und eine neue Partei, die Sri Lanka Freedom Party (SLFP), die S.W.R.D Bandaranaike 1951 gegründet hatte, trat in Erscheinung. Innerhalb eines Jahres brach die UNP-Regierung jedoch in Folge eines Beinahe-Aufstandes der Arbeiterklasse und der Bauernschaft zusammen. Dieser Aufstand war durch Maßnahmen hervorgerufen worden, mit denen die Regierung eine Wirtschaftskrise beheben wollte, die durch das Ende des Koreakrieges entstanden war. Die LSSP rief mit Unterstützung der Kommunistischen Partei, der VLSSP und der Federal Party für den 12. August zu einem eintägigen Hartal auf, einem Generalstreik mit Schließung aller Geschäfte, um gegen steigende Preise zu protestieren. Das Ergebnis überraschte alle Parteien, auch die LSSP. Der Streik brachte Colombo zum Erliegen und die Proteste breiteten sich auf die ländlichen Gebiete im Süden und Westen aus. In vielen Gebieten trotzten Demonstranten der Gewalt der Polizei, blockierten Straßen und rissen Eisenbahnschienen heraus. In Panik traf sich die UNP-Regierung auf einem britischen Kriegsschiff im Hafen von Colombo, erklärte den Notstand, setzte das Militär in Marsch und schloss die Büros und Publikationen der Arbeiterparteien. Die Proteste dauerten zwei weitere Tage an, neun Menschen wurden von Polizisten erschossen.
13.3. Seither hat die Geschichtsschreibung der LSSP den Generalstreik von 1953 genutzt, um den revolutionären Charakter der Partei zu demonstrieren. In Wirklichkeit nahm die LSSP keine Führungsrolle bei der Massenbewegung ein. Sie hat nicht einmal solch elementare Schritte unternommen, wie Aktionskomitees in Fabriken, Vororten und Dörfern vorzuschlagen, um eine Selbstverteidigung der Arbeiter gegen die staatliche Unterdrückung aufzubauen. Stattdessen schloss sich die LSSP-Führung der KP und der VLSSP an, die ein Ende des Streiks forderten. Diejenigen, die weiter protestierten, wurden der staatlichen Gewalt ausgesetzt. In einem langen Artikel erklärte Colvin R. de Silva den Streik zu einem neuen Stadium des Klassenkampfes „mit den Kennzeichen des Bündnisses von Arbeitern und Bauern.“ Aber er kam zu dem Schluss, dass es jetzt darum ginge, „die UNP-Regierung zum Rückzug zu zwingen und Neuwahlen abzuhalten.“ Die LSSP hatte den Generalstreik die ganze Zeit nur als Mittel für ihre parlamentarischen Manöver gesehen. So konnte Bandaranaike von dem Widerstand der Massen profitieren und Einfluss gewinnen, vor allem bei den singhalesischen Massen auf dem Land, die von der LSSP-Führung enttäuscht waren. Bandaranaikes politischer Aufstieg wurde weiter gefestigt, als die LSSP seinen Misstrauensantrag gegen die UNP-Regierung unterstützte. Teile der srilankischen Elite waren schockiert über das Ausmaß des Streiks und unterstützten die SLFP, um auf andere Weise die kapitalistische Herrschaft zu konsolidieren. Bandaranaike war zwar gegen die Proteste, und seine SLFP hatte sich nicht an dem Streik beteiligt, aber Bandaranaike wurde trotzdem zu einer wichtigen Figur für die herrschende Klasse Sri Lankas.
13.4. Nach dem Streik verstärkten sich die Forderungen in der LSSP nach einer „linken Einheit“ mit der stalinistischen KP und der VLSSP. Nach der Wahl von 1952 kam eine Tendenz auf, die Verluste der Partei darauf zurückzuführen, dass sie kein Ankommen mit der KP und der VLSSP geschlossen hatte, sich gegenseitig keine Konkurrenz zu machen. Die beiden Parteien hatten von der LSSP gefordert, ihre Kritik an den stalinistischen Regimes in der Sowjetunion und China einzustellen. Nachdem die „Einheits“-Fraktion durch Pablos pro-stalinistische Linie auf dem Dritten Kongress gestärkt worden war, brachte sie auf dem Kongress der LSSP im Oktober 1953 einen Änderungsantrag ein, in dem die Partei aufgefordert wurde, sich den „sozialistischen Staaten“ gegenüber „bedingungslos freundschaftlich“ zu verhalten. Als der Antrag scheiterte, trat die pro-stalinistische Gruppe aus der Partei aus und ihre Anhänger verteilten sich auf KP und VLSSP.
13.5. In diesem Kontext muss die Reaktion der LSSP-Führung auf den offenen Brief gesehen werden. Dass sie sich gegen Cannons Appell stellte und sich weigerte, das Internationale Komitee zu unterstützen, war angesichts der Tatsache, dass sich die ehemaligen BLPI-Führer des pro-stalinistischen Charakters von Pablos Revisionen sehr wohl bewusst waren, politisch noch verwerflicher. Außerdem hatten sie in ihrer eigenen Partei selbst die Auswirkungen des Pablismus erlebt. Aber die LSSP protestierte auf legalistische Weise gegen die Art, wie der offene Brief veröffentlicht worden war und weigerte sich, politisch Stellung zu beziehen. Cannon schrieb an Leslie Goonewardene, die LSSP habe zwar ihre eigene pro-stalinistische Tendenz ausgeschlossen, fügte aber hinzu: „Als Internationalisten ist es unsere Pflicht, die selbe Einstellung auch gegenüber offenen oder verdeckten Formen des stalinistischen Versöhnlertums in anderen Parteien und allgemein in der internationalen Bewegung zu zeigen.“[30]
13.6. Mit Verspätung veröffentlichte das Zentralkomitee der LSSP im April 1954 eine Resolution, in der es auf die weitreichenden Folgen von Pablos Behauptungen einging, die stalinistischen Parteien könnten durch Druck der Massen auf einen revolutionären Kurs gedrängt werden. „Dieses Konzept führt nicht nur zu einer grundlegenden Revision der Positionen des Trotzkismus gegenüber dem Stalinismus, sondern spricht der trotzkistischen Bewegung auch jede Rechtfertigung für eine weitere unabhängige Existenz ab“, hieß es darin. In der Praxis versuchte sich die LSSP jedoch, auf Kosten von politischer Klarheit und Prinzipien mit den Pablisten zu versöhnen und die „Einheit“ mit ihnen zu wahren. Hiermit vergrößerten sie die Probleme, denen die SWP und das IKVI gegenüberstanden. Die LSSP-Führung kapitulierte schließlich vor dem Pablismus, beteiligte sich 1954 am pablistischen Vierten Kongress und verlieh ihm so Legitimität. Sie unterstützte seine Resolutionen, wenn auch mit kleinen Änderungen, und verblieb im pablistischen Internationalen Sekretariat. Dies war der Beginn einer völlig opportunistischen Beziehung, die für die Arbeiterklasse verheerende Folgen haben sollte. Die LSSP konnte sich mit dem Namen des Trotzkismus für ihre Reformpolitik in der nationalen Arena Glaubwürdigkeit verschaffen und das Internationale Sekretariat konnte sich mit einer „trotzkistischen Massenpartei“ in Asien brüsten. Die Unterstützung der LSSP für den Pablismus war ein schwerer Schlag gegen den Trotzkismus und damit gegen die Arbeiterklasse, vor allem in Asien. Wenn die LSSP, oder ein Teil von ihr, einen festen Standpunkt eingenommen hätte, hätte dies das Internationale Komitee sofort gestärkt, ihre Arbeit in der Region, vor allem in Indien, verbessert und wäre ein starkes Gegenmittel gegen den schädlichen Einfluss des Maoismus gewesen.
Trotskyism Versus Revisionism, Volume Two (London: New Park 1974), S. 89. Hervorhebung im Original (aus dem Engl.)