VW-Eignerfamilien drängen auf Werksschließungen

Seit Montag sitzen die Tarifkommission der IG Metall und das Management des Volkswagen-Konzerns zusammen und beraten darüber, wie bei den 130.000 VW-Beschäftigten jährlich Milliarden eingespart werden können.

Protestierende VW-Arbeiter am 9. Dezember in Wolfsburg [AP Photo/Martin Meissner, Pool]

Aus Verhandlungskreisen wird berichtet, dass die Löhne durch die Erhöhung der Wochen-Arbeitszeit auf 38 Stunden ohne Lohnausgleich sowie durch die drastische Senkung von Zulagen, etwa für Nachtschichten, gesenkt werden sollen.

Werke sollen nicht unmittelbar, aber in absehbarer Zukunft geschlossen werden. Genannt werden die Elektro-Fahrzeugwerke in Zwickau und Emden. Das Stammwerk in Wolfsburg soll die Produktion des Golfs an das Werk im mexikanischen Pueblo abgeben. Zehntausende Arbeitsplätze sollen über Abfindungs- und Frühverrentungsregeln vernichtet werden.

Im Ergebnis sind das die zehnprozentige Lohnkürzung und die Werksschließungen, die das Management und die Aktionäre fordern. Die IG Metall und ihr Betriebsrat sind dabei, das zu akzeptieren, was sie bislang als „rote Linie“ abgelehnt hatten, und sich den milliardenschweren Eigner-Familien zu unterwerfen.

Erst am Mittwoch hatte die in London erscheinende Financial Times berichtet, dass die größten Eigner, der Familienclan Porsche-Piëch, vehement die Schließung mehrerer Werke und massive Lohneinschnitte fordert, „da die Gefahr sinkender Dividenden droht“.

Der Reichtum der Oligarchen-Familie – geschätzte 41 Milliarden Euro – begann in der Nazi-Herrschaft durch die enge Zusammenarbeit mit Adolf Hitler und der Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Heute hält die Familien über ihre Porsche SE Holding die Aktienmajorität an Volkswagen. Erst im Juni hatten sie 1,4 Milliarden Euro der insgesamt 4,5 Milliarden Euro Dividenden kassiert, die die VW AG ausschüttete.

Laut Financial Times hatte die Porsche SE Holding 2022 einen hohen Kredit aufgenommen, um einen 25-prozentigen Stimmrechtsanteil beim Sportwagenbauer Porsche AG zu erwerben. Nun hat die Porsche SE 5,1 Milliarden Euro Schulden, dafür konnte die Familie die direkte Kontrolle über das von Ferdinand Porsche gegründete Unternehmen zurückgewinnen. „Der Plan war, mit den Dividenden von Porsche und VW die Zinszahlungen zu finanzieren und die Verschuldung abzubauen,“ erklärt in der Financial Times Analyst Daniel Schwarz. „Das ist jetzt eindeutig gefährdet.“

Deshalb habe der „De-facto-Chef der Familie, Wolfgang Porsche“, Enkel von Ferdinand Porsche, das so genannte Zukunftspaket der IG Metall abgelehnt und deutlich gemacht, dass er „substanzielle Maßnahmen zur Kosteneffizienz“ sehen wolle. Das Zukunftspaket der IGM warf den Aktionären noch vor Beginn der Verhandlungen 1,5 Milliarden Euro an Personalkosten zum Fraß vor. Die Belegschaft, die diese Opfer zu bringen hätte, wurde nicht einmal gefragt.

Mit anderen Worten: Die weitere Bereicherung der Oligarchen-Familie Porsche und Piëch sollen die VW-Beschäftigten mit ihren Arbeitsplätzen und Löhnen bezahlen. Diese hatten in den vergangenen Tagen und Wochen mit Protesten und Warnstreiks ihre hohe Kampf- und Streikbereitschaft gezeigt.

Doch die IG Metall und der von ihr dominierte Gesamtbetriebsrat unter Daniela Cavallo weigern sich, die Belegschaften gegen die Forderungen von Management und Aktionären zu mobilisieren. Stattdessen arbeiten sie die Mechanismen aus, mit denen die geforderten Angriffe durchgesetzt werden können.

Und das, obwohl die Aktionäre im Geld schwimmen. Die Gesamtsumme der Dividendenauszahlungen der Volkswagen AG allein in den letzten zehn Jahren beträgt über 25 Milliarden Euro. Da ist die für das Jahr 2021 ausgezahlte Sonderdividende in Höhe von 10 Milliarden Euro aufgrund des Börsengangs der Porsche AG nicht mitgerechnet.

VW mangelt es nicht an Geld. Für den Diesel-Abgasbetrug hat VW bislang mehr als 32 Milliarden Euro gezahlt. VW hat dennoch Gewinne erzielt und macht sie auch gegenwärtig.

Das Eigenkapital des Konzerns nach Abzug aller Verbindlichkeiten beträgt laut letztem Geschäftsbericht rund 140 Milliarden Euro. Daraus und aus den zukünftigen Gewinnen könnten alle notwendigen Investitionen bezahlt werden. Doch Finanzchef Arno Antlitz hat schon angekündigt, in den fünf Jahren von 2022 bis 2027 statt ursprünglich 180 nur noch 160 Milliarden Euro investieren zu wollen.

Es geht also nicht darum, Geld zu investieren, um bessere, kostengünstigere Autos zu bauen, und schon gar nicht, um Arbeitsplätze und Löhne zu sichern. Es geht vor allem um das Geld für die Aktionäre. Die bekommen den Hals nicht voll.

Deshalb soll die Rendite für die Anteilseigner der VW-Aktien erhöht werden. Die liegt aktuell bei 7,6 % und soll bis 2028 auf 12,85 % steigen! Die Porsche SE der Familie Porsche-Piëch hält 31,7 % der VW-Anteile. Jedes Prozent, das die Rendite steigt, bedeutet für die Porsche SE eine zusätzliche Ausschüttung von rund 158 Millionen Euro.

Bislang haben die Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionäre solche Angriffe im Interesse der Eigner im Rahmen von „Sozialpartnerschaft“ und „Mitbestimmung“ stets umgesetzt. Dafür werden sie fürstlich bezahlt. Doch der „sozialverträgliche“ Arbeitsplatz- und Lohnabbau der Vergangenheit ist jetzt vorbei.

Die Auseinandersetzung bei VW ist nur der klarste Ausdruck der Zeitenwende in der Sozialpolitik. So wie die herrschende Klasse in der Außenpolitik wieder auf Aufrüstung und militärische Gewalt setzt, setzt sie auch in der Sozialpolitik auf Konfrontation.

Die global operierenden Autokonzerne, angetrieben vom unstillbaren Hunger der globalen Finanzmärkte und unterstützt durch Zölle und Handelskriegsmaßnahmen ihrer Regierungen, führen eine erbitterte Schlacht um Profite und Absatzmärkte auf dem Rücken ihrer Belegschaften.

Die Oligarchen und Konzerne schicken ihre Politiker vor, um ihnen Steuern, Abgaben und kostspielige Auflagen zu erlassen. Das den Konzernen und Reichen geschenkte Geld wird dann durch Kürzungen im Sozialbereich wieder eingespart – insbesondere beim Bürgergeld, also bei den Ärmsten der Armen. Alle sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte stehen auf der Abschussliste.

Das ist die Bedeutung der Parole von FDP-Chef Christian Lindner „Mehr Milei und Musk wagen“. Im Bundestag hat er leidenschaftlich dafür geworben, wie der designierte US-Präsident Donald Trump die „Unternehmenssteuerlast auf 15 % zu senken“, also zu halbieren. Eine selbst symbolische Steuer auf Milliardäre, so Lindner, bediene nur Neid.

Die IG Metall ist bereit, die Angriffe dieser superreichen Parasiten und ihrer Handlanger in Regierung und Parteien gegen die Belegschaften durchzusetzen. Im Bundestagswahlkampf steht sie getreu an der Seite der SPD, die über den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, da das Land ein Fünftel der Anteile an VW hält. Weil war es auch, der darauf drängte, ein Ergebnis noch vor den Weihnachtsfeiertagen zu präsentieren.

Die SPD und alle anderen Bundestagsparteien wollen im Bundestagswahlkampf nicht unter den Druck von 130.000 streikenden VW-Beschäftigten geraten, der sich angesichts der wachsenden Opposition gegen das gesamte politische Establishment leicht zu einer systembedrohenden Bewegung auswachsen könnte.

Doch genau eine solche Bewegung ist notwendig. Arbeiterinnen und Arbeiter müssen dem Generalangriff auf ihre Errungenschaften weit über die Autoindustrie hinaus entgegentreten. Sie dürfen sich von Gewerkschaft und Betriebsrat nicht in den „darwinistischen Überlebenskampf“ der großen Autokonzerne einspannen lassen.

Die Betriebsräte werden versuchen, die einzelnen Werke gegeneinander auszuspielen, um die Angriffe durchzusetzen. Das muss verhindert werden. Die VW-Beschäftigten haben eine ungeheure Macht, die eingesetzt werden muss. Bei VW arbeiten 670.000 Kolleginnen und Kollegen in 114 Werken in 17 Ländern in Europa und in 10 Ländern in Nord- und Südamerika, Asien und Afrika.

Sie sind nicht allein. In jedem Land sind Arbeiterinnen und Arbeiter den gleichen umfassenden Angriffen ausgesetzt. Die Beschäftigten müssen sich in diesen Kämpfen zusammenschließen.

Folgende Forderungen müssen sich Arbeiterinnen und Arbeiter – in der IG Metall organisierte und nicht organisierte, fest angestellte und Leiharbeiter – zu eigen machen:

  • Keine Vereinbarung ohne Abstimmung! Die Tarifkommission der IGM hat kein Mandat, Kürzungen auszuhandeln. Die Forderungen waren 7 % mehr Lohn und Gehalt, nicht Lohnsenkungen und Werksschließungen. Jedes Verhandlungsergebnis muss der Gesamtbelegschaft zur Abstimmung vorgelegt werden! Die Details der Vereinbarung müssen in vollem Umfang offengelegt sein.
  • Kein Cent für Dividenden! Das Recht auf Arbeit und Lohn steht höher als die Profitinteressen der Anleger. Die Milliarden, die bislang den Eignern, allen voran der Familie Porsche-Piëch und den Scheichen aus Katar, in den Rachen geworfen wurden, müssen in die Produktion guter und kostengünstiger Autos investiert werden.
  • Sofortige Einberufung von Betriebsversammlungen zur Vorbereitung eines unbefristeten Vollstreiks! An allen Standorten müssen Aktionskomitees aus Kolleginnen und Kollegen gegründet werden, die wirklich für die Interessen der Belegschaft kämpfen wollen.
  • Für die internationale Zusammenarbeit und Einheit der Belegschaften! Auf den Betriebsversammlungen gewählte Delegationen kampfbereiter Kolleginnen und Kollegen der Aktionskomitees müssen weltweit Kontakt zu den Beschäftigten des Konzerns aufnehmen, in Europa, den USA, in Südamerika, Asien und Afrika.

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