Debatte zur Vertrauensfrage: Alle Parteien unterstützen Krieg und Kürzungen

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Montag im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt und, wie vorgesehen, verloren. Nur die 207 Abgeordneten der SPD sprachen ihm das Vertrauen aus, die 116 der Grünen enthielten sich und die 394 restlichen stimmen mit Nein.

Bundeskanzler Olaf Scholz begründet das Misstrauensvotum [Photo by DBT / Thomas Köhler / photothek ]

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann damit vorzeitig den Bundestag auflösen und Neuwahlen für den 23. Februar festlegen. Dieser Zeitplan war vorher zwischen Steinmeier, Scholz und den etablierten Parteien vereinbart worden. Scholz bleibt bis zur Wahl seines Nachfolgers durch den neuen Bundestag im Amt.

In der Debatte vor der Abstimmung erklärte Scholz, mit der vorgezogenen Neuwahl könnten die Wählerinnen und Wähler den Kurs der künftigen Politik bestimmen: „Sie entscheiden bei der Wahl, wie wir die großen Fragen beantworten, die vor uns liegen.“

Nichts könnte weiter weg von der Wahrheit sein. Die vorgezogene Wahl dient nicht dazu, die Wählerinnen und Wähler über die großen Fragen der Zukunft entscheiden zu lassen, sondern eine Regierung an die Macht zu bringen, die stabil genug ist, um höchst unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen – Sozialabbau, Massenentlassungen, niedrigere Löhne und längere Arbeitszeiten, Abschiebung von Migranten, mehr Aufrüstung und eine weitere Eskalation der Kriegspolitik.

In diesen Fragen sind sich alle etablierten Parteien einig. Die Hitze der Debatte stand in umgekehrtem Verhältnis zu den inhaltlichen Differenzen. Die Redner überhäuften sich gegenseitig mit Vorwürfen, waren sich aber einig, die Ukraine im Krieg gegen Russland weiter zu unterstützen, die Bundeswehr stärker aufzurüsten, mehr Migranten abzuschieben und die Folgen der Wirtschaftskrise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen.

Während sie sich gegenseitig beschimpften, beschworen sie gleichzeitig „Respekt“ und „Kompromiss“, weil sie alle wissen, dass sie auch nach der Wahl eng zusammenarbeiten werden. Inzwischen sind sie in der Bevölkerung so verhasst, dass sie froh sein können, wenn das Ergebnis für eine mehrheitsfähige Koalition reicht.

Vor allem in der SPD und der Union hoffen viele auf eine Neuauflage der Großen Koalition. Dazu müssten allerdings andere Parteien die Fünf-Prozent-Hürde verfehlen. Die Union liegt in den Umfragen bei 32 und die SPD bei 16 Prozent. Eine Koalition der beiden wäre nicht mehr „groß“, sondern könnte bestenfalls auf die Hälfte der Abgeordneten zählen. Bei den Grünen hoffen viele auf ein Regierungsbündnis mit der CDU. Und die FDP tritt schon jetzt als Juniorpartner der Union auf.

Robert Habeck, Wirtschaftsminister und Spitzenkandidat der Grünen, rief im Namen der geopolitischen Interessen Deutschlands zum Schulterschluss aller Parteien auf. „Die Welt dreht sich weiter, und sie dreht sich häufig gegen Deutschland,“ sagte er. Deswegen hätten die Grünen alles dafür getan, dass die Regierungskoalition bestehen bleibt, und seien „drei Jahre lang bis zur Selbstverleugnung“ Kompromisse eingegangen. Deutschland dürfe sich nicht mit sich selbst beschäftigen.

Am deutlichsten zeigt sich die Übereinstimmung aller Parteien in der Kriegspolitik. „Deutschland ist der größte Unterstützer der Ukraine in Europa. Ich will, dass das so bleibt,“ erklärte Scholz unter dem Beifall von SPD und Grünen. Er habe Präsident Selenskyj bei seiner Reise nach Kiew deshalb gesagt: „Auf Deutschland ist Verlass.“

Merz forderte mehr. Er will die Ukraine mit Taurus-Raketen beliefern und erinnerte Scholz daran, dass er im Februar 2022 eine „Zeitenwende“ angekündigt und ein 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen habe und dabei von der Union unterstützt worden sei. Doch von der Zeitenwende sei nichts geblieben. Anstatt gleichzeitig mindestens 2 Prozent in die Bundeswehr zu investieren, habe er aus dem Sondervermögen den laufenden Betrieb der Bundeswehr finanziert.

Sowohl Merz wie FDP-Chef Christian Lindner, der im November geschasste Finanzminister, forderten einen massiven Sozialabbau, um die Kriegsausgaben zu finanzieren.

„Wir setzen dem Stillstand und der Umverteilung sozialdemokratischer und grüner Wirtschaftspolitik eine Wirtschaftspolitik der Leistungsbereitschaft und der Wettbewerbsfähigkeit entgegen,“ sagte Merz. Dieser Weg werde nicht leicht. Die Arbeitszeit sei in Deutschland viel zu niedrig. Als positives Beispiel nannte er die Schweiz, wo 200 Stunden mehr im Jahr gearbeitet werde. „Wir müssen alle mehr arbeiten, uns alle mehr anstrengen.“ Das Bürgergeld will Merz abschaffen, es brauche „Anreize, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren“.

Lindner warf Bundeskanzler Scholz vor, sich der „notwendigen Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ zu verweigern. Er wolle Milliarden nicht in Investitionen geben, sondern in eine Verteilpolitik. Er wolle die Schuldenbremse aufheben, damit er mehr verteilen könne.

Wie Merz forderte auch Lindner eine Reform des Bürgergeldes, um „den Arbeitsmarkt zu mobilisieren“. Durch die Senkung des Regelsatzes und eine Pauschalierung der Kosten der Unterkunft könne viel Geld gewonnen werden, um Steuern zu senken. Die „Debatte über höhere Steuern für die oberen soundso viel Prozent oder die Milliardäre“ bezeichnete er dagegen als „Versuch, mit Neid Wahlkampf zu machen“.

Die Richtungsentscheidung bei der Bundestagswahl laute, so Lindner: „Will dieses Land Verteilungspolitik auf Pump? Oder erkennen die Bürgerinnen und Bürger, dass ein Aufschwung von uns allen erarbeitet werden muss.“

Der Versuch, die SPD als Partei der sozialen Umverteilung darzustellen, ist absurd. Es gibt keine andere Partei, die so viel zur Ausbreitung der Armut beigetragen hat, wie die SPD – erst mit den Hartz-Gesetzen der Regierung Schröder, dann mit der Anhebung des Rentenalters auf 67 sowie zahlreichen anderen „Reformen“, für die sozialdemokratische Arbeitsminister verantwortlich waren.

Auch unter Kanzler Scholz ist die soziale Ungleichheit gewachsen. Der DAX hat erstmals die 20.000-Punkte-Schwelle durchbrochen und liegt damit rund 5000 Punkte höher als bei Scholz Amtsantritt. In Deutschland leben inzwischen 249 Milliardäre und 3000 Menschen, die über 100 Millionen Dollar besitzen. Auf der anderen Seite ist mehr als jeder Fünfte von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Für Arbeiter, Jugendliche und Rentner gibt es in der kommenden Bundestagswahl unter den etablierten Parteien keine Alternative und auch kein kleineres Übel. Auch die Linkspartei unterstützt die Kriegspolitik und organisiert auf Landesebene die sozialen Angriffe. Das BSW ist nur Monate nach seiner Gründung in Thüringen und Brandenburg ebenfalls in Kürzungskoalitionen mit den Kriegsparteien eingetreten.

In Sachsen könnte eine Landesregierung in einzelnen Projekten erstmals mit der AfD zusammenarbeiten, um die Politik von Krieg und Kürzungen gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen. In der Bundestagsdebatte haben Vertreter von Regierung und Opposition bereits die Flüchtlingspolitik der AfD eins zu eins übernommen und für Massendeportationen getrommelt.

Unabhängig davon, welche der Parteien nach dem 23. Februar miteinander koalieren werden, wird die neue Regierung eine extrem rechte Politik durchsetzen. So wie Donald Trump in den USA die direkte Herrschaft der Finanzoligarchie einläutet, sollen auch hier die letzten Reste des Sozialstaats zerschlagen und Deutschland auf Krieg und Handelskrieg ausgerichtet werden. Der Grund dafür ist die tiefe, internationale Krise des kapitalistischen Systems.

Die Sozialistische Gleichheitspartei nimmt an den Wahlen teil, um dieser Allparteienkoalition für Krieg und Kürzungen entgegenzutreten. Wir bauen eine internationale Bewegung gegen Krieg und seine Wurzel, den Kapitalismus auf. Unterschreibt jetzt für unsere Wahlteilnahme und werdet Mitglied der SGP!

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