Der Film Soundtrack to a Coup d'Etat (Soundtrack zu einem Staatsstreich), geschrieben und inszeniert vom belgischen Filmemacher Johan Grimonprez, handelt von der Ermordung von Patrice Lumumba, der 1960 der erste Präsident der neuen unabhängigen Demokratischen Republik Kongo war. Dieser Mord war eines der brutalsten und dreistesten der zahlreichen Verbrechen, die der Imperialismus in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beging, als die herrschende Klasse der USA ihre Macht weitgehend unangefochten ausüben konnte.
Lumumba, ein linksnationalistischer Politiker, hatte die Parlamentswahlen im Mai 1960 gewonnen. Er wurde Premierminister des Kongo, als dieser im Juni von seinen belgischen Kolonialherren formell in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Sieben Monate später war Lumumba tot. Er wurde das Opfer einer Intrige und eines Komplotts der Großmächte, in dem sowohl die USA als auch Belgien eine Rolle spielten. Lumumba wurde von den belgischen Behörden und der Bergbaugesellschaft Union Minière als gefährlich angesehen, und auch Washington misstraute ihm, vor allem wegen seiner diplomatischen Annäherungsversuche an die Sowjetunion.
Der neue unabhängige Staat stürzte von da an sofort ins politische Chaos. Anfang September wurde Lumumba verfassungswidrig von Präsident Joseph Kasa Vubu abgesetzt. Etwa zehn Tage später putschte Oberst Joseph Mobutu, der von Lumumba selbst zur militärischen Führung ernannt worden war. Nach einigen weiteren Monaten übergab Mobutu, der in all seinen Handlungen stark vom US-Imperialismus unterstützt wurde, Lumumba an die Rebellen in der an Bodenschätzen reichen separatistischen Provinz Katanga unter ihrem Präsidenten Moïse Tschombé. Lumumba wurde gefoltert und im Januar 1961 ermordet. Obwohl kongolesische Soldaten den Mord verübten, wurde er eindeutig von mehreren imperialistischen Regimen und deren Geheimdiensten gebilligt, insbesondere von der CIA, die damals von dem berüchtigten Allen Dulles geleitet wurde.
Dies ist eine wichtige Geschichte, die mehr als sechs Jahrzehnte zurückliegt und von der die große Mehrheit der heutigen Weltbevölkerung nichts weiß. Der Film verzichtet größtenteils auf die üblichen Berichte von Zeitzeugen oder Historikern und verwendet stattdessen Archivmaterial und Auszüge aus Memoiren und historischen Berichten, die auf dem Bildschirm zitiert werden. Kombiniert und verwoben wird dies, wie der Titel des Dokumentarfilms schon andeutet, mit Aufnahmen von einigen der berühmtesten afroamerikanischen Jazzmusiker.
Das musikalische Element des Films beruht auf der Tatsache, dass Persönlichkeiten wie Louis Armstrong und Duke Ellington während des Kalten Krieges als „Jazz-Botschafter“ fungierten. Die Voice of America sendete Jazz zu Propagandazwecken in die ganze Welt. In einer Zeit, in der in den meisten Teilen des Südens der Vereinigten Staaten noch die Rassentrennung herrschte, wird der schwarze Kongressabgeordnete Adam Clayton Powell gezeigt, wie er den großen Jazzmusiker Dizzy Gillespie vorstellt und damit prahlt, dass er und andere Musiker in einem „coolen“ Krieg eingesetzt würden.
Gillespie, Armstrong und andere mögen durch einen naiven Patriotismus motiviert gewesen sein. Sie dachten, sie würden Musik und Kultur einem breiteren internationalen Publikum nahebringen, aber sie wurden vom Außenministerium benutzt, und zwar unwissentlich, um die diplomatischen Ziele der US-Regierung voranzutreiben und um die Aufmerksamkeit von Washingtons Rolle bei der Ermordung Lumumbas und anderen Gräueltaten abzulenken.
Soundtrack to a Coup d'Etat erzählt die Geschichte von Mitte der 1950er Jahre bis Mitte der 1960er Jahre, mit besonderem Augenmerk auf das Jahr 1960 und das Schicksal Lumumbas. Der Film enthält beeindruckendes Material, darunter Archivaufnahmen von den Ereignissen im Kongo und ihrem Nachhall am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Wir sehen US-Präsident Dwight Eisenhower und CIA-Direktor Dulles. Gezeigt wird auch der zweimal unterlegene demokratische Präsidentschaftskandidat Adlai Stevenson, wie er Washington bei der UNO vertritt. Außerdem sehen wir UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld und den sowjetischen Premierminister Nikita Chruschtschow, die kongolesischen Politiker Kasa Vubu und Tshombe sowie Lumumba, den jungen belgischen König Baudouin und den rechtsgerichteten belgischen Premierminister Gaston Eyskens.
Der historische Hintergrund ist der Kalte Krieg, den der Film ausführlich darstellt. Im Mittelpunkt steht die Konferenz von Bandung im Jahr 1955. Aus diesem Treffen der neuen unabhängigen afrikanischen und asiatischen Staaten, das in Bandung, Indonesien, stattfand, ging die Bewegung der Blockfreien Staaten hervor (die zwischen dem Sowjetblock und der imperialistischen Welt manövrierten). Auf einem Bildschirm, auf dem Persönlichkeiten wie Kwame Nkrumah (Ghanas erster Präsident), Sukarno (Indonesiens Gründungspräsident), der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser, Fidel Castro aus Kuba und Premierminister Jawaharlal Nehru (Indien) erscheinen, wird diese Entwicklung aufgezeigt.
Der Film betont das Ringen um Einfluss zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten, geht jedoch nicht näher auf die Wurzeln des Kalten Krieges ein. So wird weder die russische Revolution noch der jahrzehntelange Kampf des Weltkapitalismus gegen die Bedrohung durch die internationale Arbeiterklasse erwähnt. Informiert werden wir über die enormen Bodenschätze der Region, insbesondere über die riesigen Uranvorkommen, die während des Zweiten Weltkriegs aus Belgisch-Kongo an die USA geliefert wurden. Auf dem Bildschirm wird der geschätzte aktuelle Wert der wertvollen Mineralvorkommen von 24 Billionen Dollar im Kongo eingeblendet.
Von besonderer Bedeutung sind die zahlreichen Interviews und Berichte, die mit Zitaten und Quellenangaben versehen sind und die Rolle der US-amerikanischen und belgischen Behörden bei der Ermordung Lumumbas konkret aufzeigen. Robert Johnson, ein Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates, wird beispielsweise wie folgt zitiert: „Präsident Eisenhower sagte etwas – ich kann mich nicht mehr an seine genauen Worte erinnern –, das sich für mich wie ein Befehl zur Ermordung Lumumbas anhörte.“
Daphne Park, damals Vertreterin des britischen Geheimdienstes MI6, wird in einem Archivinterview gezeigt, wie sie schmunzelnd und geradezu prahlerisch die britische Rolle bei der Förderung von Mobutu und bei der Ermutigung zur Entführung und Ermordung Lumumbas beschreibt. „Sie werden sich gegenseitig vernichten“, bemerkt sie mit Genugtuung.
William Burden, der frühere Präsident des Museum of Modern Art in New York und Geschäftsführer eines Unternehmens mit Bergbauinteressen im Kongo, wurde in dieser Zeit zum US-Botschafter in Belgien ernannt. In einem Interview von 1968 erklärte er, dass die Belgier „mit dem Gedanken spielten“, Lumumba zu beseitigen. „Ich hielt das ebenfalls für keine schlechte Idee.“
Der irische Söldnerführer „Mad“ Mike Hoare, dessen berüchtigte Rolle sich nicht auf den Kongo beschränkte, wird auf dem Bildschirm gezeigt, wie er prahlt: „50 gut ausgebildete Söldner können eine Regierung stürzen.“ Hoare wurde mit den Worten zitiert: „Kommunisten zu töten ist wie Ungeziefer zu töten. Afrikanische Nationalisten zu töten ist wie das Töten von Tieren. Ich mag weder die einen noch die anderen. Während der zwanzig Monate, die ich im Kongo verbracht habe, haben meine Männer und ich zwischen fünf- und zehntausend kongolesische Rebellen getötet.“
Die Ereignisse dieser Zeit, die für das Verständnis der heutigen afrikanischen und weltweiten Politik von entscheidender Bedeutung sind, werden in Soundtrack to a Coup d'Etat mit Jazzauftritten von Armstrong und Ellington, Gillespie, Abbey Lincoln und Max Roach, Nina Simone, Thelonious Monk, John Coltrane, Archie Shepp und anderen Musikern kombiniert. Die Musik ist nicht einfach nur ein Element des Films. Mit klassischen Aufführungen und Aufnahmen, die auf dem Bildschirm zu sehen sind, durchdringt sie einen Großteil des Dokumentarfilms.
Die Musik ist natürlich außergewöhnlich, aber die Kombination von Musik und Geschichte erzielt nicht immer die richtige Wirkung. Sie verleiht dem Film einen impressionistischen, kaleidoskopischen Charakter. Der Zuschauer, der die Geschichte kennt, wird zuweilen abgelenkt und kommt vielleicht zu dem Schluss, dass die Musik in erster Linie ein Mittel ist, um das historische Material „aufzupeppen“, damit der Zuschauer die Geschichte nicht als langweilig empfindet. Diejenigen Zuschauer, für die alles neu ist, wird die Musik unterhalten, aber sie werden vielleicht aus der Geschichte weniger lernen.
Das soll die Stärken des Materials nicht schmälern, von dem vieles fesselnd ist. In den letzten Minuten des Films wird gezeigt, wie Lumumba vor seiner Ermordung in Gefangenschaft misshandelt wird. Es folgt der machtvolle Protest vor dem UN-Sicherheitsrat am 15. Februar 1961, Wochen nach Lumumbas Ermordung. Die Sängerin Abbey Lincoln und die Dichterin Maya Angelou hatten ihn organisiert. Der Vertreter der USA im Sicherheitsrat Stevenson, ein bekannter liberaler Verteidiger der Verbrechen des amerikanischen Imperialismus, sieht mit offenem Mund zu, wie die Demonstranten durch den Saal rennen und den versammelten Würdenträgern ihre Anschuldigungen wegen Ermordung und Folter entgegenschreien.
Dieser Dokumentarfilm hat aber eine Schwäche, die weitaus schwerwiegender und folgenreicher ist als die hybride Art und Weise, wie er Musik und Geschichte kombiniert. Das ist seine unkritische Haltung gegenüber dem Nationalismus und insbesondere dem Panafrikanismus.
Der Mord an Lumumba wird als eine besonders bittere Episode im andauernden Kampf der unterdrückten und wirtschaftlich benachteiligten Völker gegen den Imperialismus gesehen. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts wird aus rein nationaler Sicht dargestellt, ohne Bezugnahme auf den internationalen Klassenkampf oder auf das 20. Jahrhundert als eines des imperialistischen Verfalls. Wie ein Rezensent es formulierte, zeigt der Film, wie diese Ereignisse „auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges dazu führte, dass der Traum von einem geeinten globalen Süden endete“.
Dies weist auf einen weiteren Grund für die Verwendung des amerikanischen Jazz in Soundtrack to a Coup d'Etat hin. Die Musiker werden als Teil der afrikanischen Diaspora gesehen, und der Kampf, den Lumumba repräsentiert, wird nicht nur als Ausdruck des Panafrikanismus, sondern als schwarzer Nationalismus im weiteren Sinne gesehen. Dies war in der Tat die Sichtweise einiger der einbezogenen Musiker, darunter Lincoln, Roach und Simone.
Aber was fehlt in diesem Bild (sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne)? Das 20. Jahrhundert war nicht nur das Jahrhundert von Lumumba und der Entkolonialisierung Afrikas. Es war vor allem das Jahrhundert der russischen Revolution, das Jahrhundert, in dem der Sozialismus zu einer internationalen Kraft wurde und der Imperialismus seine bösartige konterrevolutionäre Antwort darauf mobilisierte.
Dazu gehörte auch das Anwachsen der stalinistischen Bürokratie, die die Isolierung des ersten Arbeiterstaates verstärkte. Der Stalinismus fungierte als Hauptakteur des Imperialismus und führte einen mörderischen Feldzug zur Zerstörung der Führung der Revolution von 1917, während er gleichzeitig vorgab, in ihrem Namen zu herrschen. Der Stalinismus verriet die Sache des Sozialismus und der tatsächlichen revolutionären Kämpfe, und schließlich löste er 1991 die Sowjetunion selbst auf und führte den Kapitalismus wieder ein.
Einer der irreführendsten Teile dieses Dokumentarfilms ist daher die unkritische Darstellung des stalinistischen Führers Chruschtschow als treuen Verbündeten von Lumumba und anderen. Tatsächlich benutzte die Moskauer Bürokratie die koloniale Revolution, wie auch andere Kämpfe, nur als Verhandlungsmasse im Rahmen des Kalten Krieges.
Was ist das Vermächtnis von Lumumba und der gesamten Bewegung der Blockfreien Staaten, an der er sich orientierte? Diejenigen, die einen „Mittelweg“ für die Entwicklungsländer suchten, sind alle gescheitert. Von denen, die in diesem Film gezeigt werden, wurden Ghanas Nkrumah und Indonesiens Sukarno gestürzt. Auf Nasser folgten schließlich so widerwärtige Gestalten wie Sadat, Mubarak und der zur Zeit herrschende Schlächter al-Sisi. Und der derzeitige Präsident Indiens ist der rassistische Hinduist Narendra Modi mit seiner BJP, und nicht die Kongresspartei von Gandhi und Nehru. Der einzige nationalistische Führer, von dem man sagen kann, dass er politisch überlebt hat, war Fidel Castro, aber das Wort „Überleben“ ist mit Vorsicht zu genießen. Der Bankrott von Castros nationalem Weg ist heute für alle offensichtlich.
Heute erklingt ein neuer Sirenengesang, und er präsentiert als wichtigsten Konflikt den Kampf des globalen Südens gegen den Norden. Mithilfe dieses Mythos‘ werden die Klassenunterschiede zwischen den kapitalistischen Herrschern und den unterdrückten Arbeitern und Bauern in Afrika, Asien und Lateinamerika verwischt. Dies steckt hinter den Appellen zur „Multipolarität“ und der Forderung der BRICS-Staaten nach einer Neuordnung der Weltordnung. Ihnen geht es natürlich nicht darum, die Arbeiterklasse an die Macht zu bringen, geschweige denn, das überholte kapitalistische nationalstaatliche System abzuschaffen. Sie interessieren sich nur für die Interessen der reaktionären herrschenden Klassen in diesen Ländern. Die wertvollen und lehrreichen Elemente von Soundtrack to a Coup d'Etat müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden.