Ein knappes Jahr nach der Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) haben die ersten Landesminister der neuen Partei ihren Amtseid abgelegt. In Brandenburg übernahm diese Woche eine Koalition aus SPD und BSW die Regierung, in Thüringen ein Dreierbündnis aus CDU, BSW und SPD, das außerdem von der Linkspartei unterstützt wird.
Das BSW hatte nach seiner Gründung im Januar einen raschen Aufstieg erlebt und war im September in Thüringen, Sachsen und Brandenburg drittstärkste Partei geworden. Inzwischen fällt es wieder zurück. Es ist fraglich, ob das BSW im kommenden Februar den Einzug in den Bundestag schafft. Hatte es im Sommer in den bundesweiten Umfragen noch 9 Prozent erreicht, steht es nun bei 5 Prozent.
Wagenknechts Partei hatte vor allem Stimmen gewonnen, weil sie sich gegen die Unterstützung des Ukrainekriegs aussprach, soziale Ungerechtigkeiten anprangerte und die etablierten Parteien angriff. Gleichzeitig trat sie für eine Stärkung der Polizei und für eine Flüchtlingspolitik ein, die sich nicht von jener der rechtsextremen AfD unterscheidet.
Doch nun regiert die Wagenknecht-Partei gemeinsam mit SPD und CDU, die seit Jahrzehnten die Bundespolitik dominieren und für die Eskalation des Ukrainekriegs verantwortlich sind. Sie hat sowohl in Brandenburg wie in Thüringen die Verantwortung für das Finanzministerium übernommen und ist damit für die Sanierung der klammen Haushalte durch massive Sparprogramme zuständig.
Wie die WSWS bereits berichtet hat, verpflichtet sich das BSW im Thüringer Koalitionsvertrag, die Schuldenbremse einzuhalten und umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um „ein strukturelles Haushaltsdefizit von über 1,3 Milliarden Euro“ abzubauen. Bei einem Gesamthaushalt von 13,5 Milliarden Euro bedeutet das durchschnittliche Einsparungen von 10 Prozent. Da die Ausgaben für Polizei und Innere Sicherheit gesteigert werden, sind die Kürzungen im Sozialbereich entsprechend höher. In Brandenburg verhält es sich ähnlich.
Von den Koalitionsverträgen und den neuen Regierungen in Brandenburg und Thüringen geht eine klare Botschaft aus: „Es geht so weiter wie bisher!“ Die Beteuerungen der Wagenknecht-Partei, sie werde die Verhältnisse ändern, erweisen sich als Schall und Rauch. Das ist ein Wachstumsprogramm für die rechtsextreme AfD, die in Thüringen die einzige und in Brandenburg vor der CDU die größte Oppositionspartei ist. Sie kann die Wut auf die etablierten Parteien weiterhin für ihre reaktionären Zwecke ausschlachten.
In Brandenburg verlief der Übergang von der alten zur neuen Regierung weitgehend reibungslos. Man kennt sich und arbeitet seit Jahrzehnten zusammen. Ministerpräsident bleibt Dietmar Woidke (SPD), der das Land seit 2013 regiert.
Robert Crumbach, sein Stellvertreter, war 41 Jahre – und damit länger als Woidke – Mitglied der SPD, bevor er in diesem Jahr zum BSW wechselte. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Verdi und hat unter anderem als Referent im brandenburgischen Arbeitsministerium, als Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion sowie als Arbeitsrichter in Potsdam und Brandenburg an der Havel gearbeitet. Nun übernimmt er in der neuen Regierung die Verantwortung für Finanzen und Europa.
Auch Britta Müller, die für das BSW das Ministerium für Gesundheit und Soziales leitet, war bis zu ihrem Austritt in diesem Jahr Mitglied der SPD. Nun ist sie parteilos. Der dritte Minister des BSW, Detlef Tabbert, ist für Infrastruktur und Landesplanung zuständig. Er kommt aus der Linkspartei und war bisher Bürgermeister der Stadt Templin in der Uckermark.
Alle anderen Ministerien – Leitung der Staatskanzlei, Inneres, Wirtschaft, Landwirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Justiz – stehen unter Kontrolle der SPD und werden von bisherigen Ministern und engen Vertrauten Woidkes geleitet.
Die einzige Bedingung, die Wagenknecht für die Fortführung der bisherigen Politik in neuer Verkleidung stellte, waren einige hohle Floskeln über den Ukrainekrieg im Koalitionsvertrag. Dort heißt es: „Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der Krieg ausweitet und damit das Risiko besteht, dass auch Deutschland in eine sich immer schneller drehende Kriegsspirale hineingezogen wird. Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.“
Das ist weder eine klare Ablehnung der Kriegspolitik der Bundesregierung, noch hat es praktische Konsequenzen, weil über diese Fragen nicht in Potsdam, sondern in Berlin entschieden wird.
Wo die Landesregierung dagegen etwas bewirken könnte, bekennt sich der Koalitionsvertrag uneingeschränkt zum Militarismus. Er unterstützt ausdrücklich die Entwicklung der Bundeswehrstandorte in Brandenburg und begründet dies damit, dass „die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes von großer Bedeutung ist und die Fähigkeit der Bundeswehr zur Verteidigung gestärkt werden muss“.
Im neuen Landtag sind neben SPD und BSW nur noch die AfD und die CDU vertreten, da Linke und Grüne die Fünf-Prozent-Hürde verpasst haben. SPD und BSW verfügen mit 46 von 88 Mandaten über eine knappe Mehrheit. Dennoch scheiterte Woidke im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten. Er erhielt nur 43 statt der 45 erforderlichen Stimmen.
Der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf hatte bereits vorher angekündigt, aus Protest gegen die Stationierung des Raketenabwehrsystems Arrow 3 in Brandenburg Woidke nicht zu wählen. Wer die beiden weiteren Abgeordneten der Regierungskoalition sind, die ihm in der geheimen Wahl die Stimme verweigerten, ist nicht bekannt. Im zweiten Wahlgang erhielt Woidke dann 50 Stimmen, also mindestens vier von Abgeordneten der AfD und/oder der CDU.
In Thüringen gestaltete sich die Regierungsbildung wesentlich komplizierter. Die AfD unter Führung des Faschisten Björn Höcke ist hier mit Abstand stärkste Partei. Die Linke, die mit Bodo Ramelow in den letzten zehn Jahren den Ministerpräsidenten stellte, liegt nur noch auf Platz vier.
Der CDU-Vorsitzende Mario Voigt einigte sich schließlich mit dem BSW und der SPD auf eine Koalition, die aber nur über die Hälfte aller Abgeordnetenmandate verfügt und damit keine eigene Mehrheit hat. Die Linke war zwar bereit, sich ebenfalls an der Regierung zu beteiligen, Voigt lehnte dies aber ab, weil es einen Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-CDU gegen die Linkspartei gibt.
Schließlich verhalf Die Linke Voigt dennoch zur Mehrheit. Er wurde im ersten Wahlgang mit 51 von 88 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt. Voigt hatte Die Linke vorher in die Regierung eingebunden, indem er in einem „parlamentarischen Pflichtenheft“ regelmäßige Beratungen vereinbarte, bevor ein Gesetzesentwurf ins Parlament eingebracht wird. Damit sind mit Ausnahme der AfD alle im Parlament vertretenen Parteien in die Regierungsarbeit eingebunden.
Das BSW und Die Linke betätigen sich so als Steigbügelhalter für den Vertreter einer Partei, deren Bundesvorsitzender und möglicher nächste Bundeskanzler Friedrich Merz vehement für eine Eskalation des Ukrainekriegs, einschließlich der Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine eintritt.
Voigts Stellvertreterin und Finanzministerin seiner Regierung ist Katja Wolf, die Landesvorsitzende des BSW. Sie kommt aus der Linkspartei und war vorher Bürgermeisterin von Eisenach. Auch der neue Umweltminister, Tilo Kummer, kam aus der Linkspartei zum BSW.
Die SPD, der kleinste Koalitionspartner, führt mit dem Innen- und dem Sozialressort zwei gewichtige Ministerien. Innenminister Georg Maier hat dieses Amt schon unter Bodo Ramelow ausgeübt.