Während der Ukrainekrieg von den imperialistischen Nato-Mächten immer stärker eskaliert wird, holt die deutsche herrschende Klasse zu einem Frontalangriff auf Studierende aus, um ihre Kriegs- und Aufrüstungspolitik zu finanzieren. Die Hochschulen in Berlin, Baden-Württemberg und anderen Bundesländern werden einem eisernen Spardiktat unterworfen.
Berlin
In der Bundeshauptstadt will die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Gesundheit weit mehr einsparen als bisher bekannt. Statt den vormals 100 Millionen Euro sollen jetzt 280 Millionen Euro in beiden Bereichen eingespart werden – fast 10 Prozent des Haushalts. Die Kürzungen in der Bildung sind Teil eines umfassenden Kahlschlags des Berliner Senats.
Von den 280 Millionen sollen insgesamt 100 Millionen bei den Hochschulverträgen gespart werden, erklärte Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU). Zur Frage, wie das Geld hier eingespart werden kann, erklärte Evers, dass es für 2025 ausreichen könnte, die Rücklagenbestände aufzulösen, danach müsse man jedoch besprechen, „ob man die Hochschulverträge auf ein neues und anderes Fundament“ bringen kann. Was das heißt, ist klar: Der Sparhaushalt an den Universitäten soll dann auch noch in Gesetzesform gegossen und verankert werden.
Der Kanzler der Technischen Universität Lars Oeverdieck erklärte bei den ersten Ankündigungen der Einsparungen: „Wir hoffen, dass allen die Bedeutung der Wissenschaft für Berlin bewusst ist.“ Aus den laufenden Hochschulverträgen könne man die 100 Millionen Euro nicht nehmen und auch Rücklagen für die dringend nötigen Sanierungs- und Baumaßnahmen könne man dafür nicht aufwenden.
Tatsächlich soll aber auch in genau dem Bereich scharf gekürzt werden. Hier sollen die Universitäten 8 Millionen Euro, die Fachhochschulen 1,5 Millionen Euro und die Kunsthochschulen 650.000 Euro weniger erhalten. Der Investitionspakt „Hochschulbau“ wird mit 2 Millionen Euro fast um die Hälfte gekürzt. Die Charité verliert mit 8,5 Millionen nahezu die Hälfte des Geldes, das für die Anschaffung neuer technischer Geräte bestimmt war.
Für viele notwendige Sanierungen und Bauvorhaben an den teilweise völlig maroden Universitäten ist damit die Zukunft unklar. So muss beispielsweise für die Sanierung des großen Gebäudes der Humboldt-Universität in der Invalidenstraße eine neue Geldquelle gefunden werden. Das Neubauprojekt Herzzentrum auf dem Campus der Charité soll künftig kreditfinanziert werden und damit noch direkter dem Spardiktat der Banken unterworfen werden.
Besonders krasse Folgen für Studierende werden die Kürzungen beim Studierendenwerk haben, das für die Bafög-Beratung, Mensen, Cafés, Wohnheime, Kindertagesstätten oder auch Beratungen bei psychischen Problemen zuständig ist. Sein Etat soll um ca. ein Drittel oder 7,5 Millionen Euro sinken. Hier werden die grundlegenden Rechte von Studierenden auf Wohnen und Ernährung direkt angegriffen.
Das „wird das nicht ohne Folgen bleiben – das bekommen die Studierenden zu spüren“, sagte die Sprecherin des Studierendenwerks Jana Judisch auf Anfrage vom Tagesspiegel. Sie gehe unter anderem davon aus, dass der Sozialbeitrag für Studierende, den sie in ihren Semestergebühren zahlen, um mindestens 30 Euro angehoben werden muss. Man könne dabei zwar noch nicht sagen, welche Stellen genau betroffen sein werden, aber klar sei: „Es wird Preiserhöhungen, Angebots- und Investitionsstreichungen geben.“ Sicher sei beispielsweise schon, dass mindestens zwei Mensa-Backshops geschlossen werden.
Millionenkürzungen stehen auch bei verschiedenen Instituten, Stiftungen und anderen Initiativen an: Die Einstein-Stiftung, die exzellente Forschung in Berlin fördert, soll vier Millionen Euro weniger erhalten. Die „Qualitäts- und Innovationsoffensive an Hochschulen“, die Programme stellt, um Lehre zu verbessern, wird von 5,5 Millionen Euro auf eine Million gekürzt. Das Weizenbaum-Institut, das die Folgen der Digitalisierung auf die Gesellschaft erforscht, bekommt 1,5 Millionen Euro weniger. Und die „Berlin Quantum Alliance“, die das Ziel hatte, Berlin zum „Hotspot für die Erforschung und Entwicklung von Quantentechnologie“ zu machen, bekommt seine zugesagte Förderung von 6,09 Millionen vollständig gestrichen.
Die HU-Präsidentin Julia von Blumenthal hat bereits offen erklärt, dass sie den Sparkurs unterstützt, ihn nur „effizient“ umsetzen will. „Dass das Land Berlin sparen muss, erkennen wir als Hochschulen natürlich an“, so Blumenthal in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Sie ist in den diversen Gremien schon dabei, nach Sparpotenzial oder – wie sie sich ausdrückt – „vernünftigen Synergien“ zu suchen. Seit Jahresbeginn sei sie zudem „mit allen Fakultäten im Gespräch darüber, wie wir unsere Mittel effizient und zukunftsweisend einsetzen und wo Einsparungen möglich sind“.
Das ist eine Kampfansage an die Studierenden. Der Berliner Senat kann auf die HU-Leitung setzen, denn sie wird versuchen, die Kürzungen möglichst geräuschlos durchzudrücken. Bereits ihre Vorgängerin Sabine Kunst hatte gegen den Widerstand der Studierenden einen Stellenabbau an der HU durchgeführt – schon damals in Zusammenarbeit mit Blumenthal, die von 2014 bis 2018 Dekanin der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät war.
Baden-Württemberg
Auch die schwarz-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg hat den Hochschulen einen erdrückenden Sparkurs auferlegt. Konkret geht es um die Hochschulfinanzierungsvereinbarung (HoFV III) für die Jahre 2026 bis 2030. Allein für das Jahr 2026 will die Landesregierung 91 Millionen Euro bei den Hochschulen einsparen.
Das soll durch eine Nullrunde erreicht werden. Ab 2027 soll es dann eine Erhöhung des Etats um 3,5 Prozent geben – ein Wert, der weit unter der Inflationsrate der letzten Jahre liegt. Da allein für die Tarifsteigerung bei den Gehältern an den Hochschulen schon 3,1 Prozent des Geldes benötigt werden, stehen den Hochschulen somit nur noch 0,4 Prozent für andere Kostenpunkte wie z. B. Renovierungen zu Verfügung.
Bisher gab es eine vertragliche Regelung, die eine Kürzung der Hochschulfinanzierung während einer Legislaturperiode untersagte. Diese will die Landesregierung jetzt jedoch streichen.
Laut dem grünen Finanzminister in Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, muss das Wirtschaftsministerium künftig eine „bockelharte“ Ausgabenkürzung, die sogenannte „globale Minderausgabe“, umsetzten, die auf die Universitäten und Hochschulen durchschlägt.
Diese Sparpolitik hat massive Auswirkungen auf die ohnehin seit Jahren unterfinanzierten Universitäten und Hochschulen. Die Universität Stuttgart müsste beispielsweise jährlich rund 10 Millionen Euro einsparen. Das bedeutet die Streichung von Studiengängen, Professuren, die nicht neu besetzt werden, oder anderer Leistungen für Studierende.
In Hessen streicht die Landesregierung im Nachtragshaushalt für dieses Jahr schon 34 Millionen Euro aus dem Wissenschaftsbudget. Weitere Kürzungen für das nächste Jahr sind zu erwarten.
Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), der Stipendien für ausländische Studierende, Promovierende und Forschende vergibt, bleibt von den Kürzungen nicht verschont. 13 Millionen muss der DAAD voraussichtlich einsparen, was zur Streichung von Stipendien und Forschungsreisen führen würde.
Am 15. November fand in Stuttgart ein erster Protest gegen die Sparpolitik in der Hochschulbildung statt, zu dem die Studierendenvertretung und die Universität Stuttgart aufgerufen haben. „In ganz Baden-Württemberg verlieren die Hochschulen und Universitäten einen Teil ihrer Finanzierungsgrundlage“, warnten sie in ihrem Aufruf und forderten eine „jährliche Steigerung des Landeszuschusses um 6 Prozent“, ein „Transformationsbudget zur Weiterentwicklung der Hochschulen / Universitäten“ und ein „bezahlbares Deutschland-Ticket für alle Studierenden“. Außerdem wolle man sich für den „Abbau des Sanierungsstaus“ und „bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte“ einsetzen.
Bei dem Protest nahmen rund 900 Studenten aus ganz Baden-Württemberg teil. Ein Team der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) und der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) verteilte auf der Demonstration ein Flugblatt gegen die Kürzungs- und Kriegspolitik aller bürgerlichen Parteien und diskutierte die angekündigten Sparmaßnahmen und die massive militärische Aufrüstung mit den Studierenden.
Amelie aus Nürtingen sprach sich konsequent gegen die Kürzungen aus. „Es ist sehr schade, dass die jungen Menschen nicht mehr richtig ausgebildet werden und notwendige Materialien fehlen“, so die Studentin. Sie lehnt es ab, dass das Geld im Bildungsbereich gestrichen wird, um es in die Aufrüstung zu stecken.
Doch die Organisatoren des Protests, die von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi unterstützt wurden, forderten die Mitglieder der IYSSE schon zu Beginn des Demonstrationszugs auf, keine Flugblätter zu verteilten, und holten sogar die Polizei, die das Verteilen untersagte.
Diese feindliche Haltung ist offensichtlich politisch motiviert. Die Organisatoren wollen nicht, dass die Frage des Sozialabbaus mit der Kriegspolitik in Zusammenhang gebracht und eine sozialistische Perspektive unter Studierenden diskutiert wird.
Die Vorstellung, man könne Druck auf die Landesregierung ausüben, damit diese ihre Sparpolitik ändere, ist völlig bankrott. Die herrschende Klasse wird durch die Krise des Kapitalismus dazu gezwungen, Militarismus und Krieg zur Neuaufteilung der Welt zu forcieren. Von diesem Kurs wird sie nicht abrücken.
Die Einsparungen sind aus Sicht der herrschenden Klasse notwendig, um die massive Aufrüstung der Bundeswehr und die militärische Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland zu finanzieren. So soll der Verteidigungshaushalt nächstes Jahr auf 53,25 Milliarden Euro ansteigen. Dazu kommen noch 22 Milliarden aus dem Sondervermögen. Für das Jahr 2028 ist geplant, den Verteidigungshaushalt um ganze 30 Milliarden auf 80 Milliarden Euro zu erhöhen.
Studierende, Arbeiter und Jugendliche müssen diesem Kürzungswahn entschieden entgegentreten. Klar ist: Die Milliarden, die jetzt aus Bildungs-, Kultur- und Sozialhaushalten gekürzt werden, fließen in Aufrüstung und Krieg.
In dieser Situation ist es jedoch nutzlos, Appelle an die Bundes- bzw. Landesregierungen zu richten und um Einhalt bei den Kürzungsorgien zu bitten. Um die Bildung und Wissenschaft gegen die Angriffe zu verteidigen, ist es notwendig, dass sich Studierende und Dozierende mit den Arbeitern in den Betrieben verbünden und gemeinsam Streiks und Proteste gegen Sozialabbau, Massenentlassungen und Krieg vorbereiten.
Die Sparmaßnahmen sind Ausdruck der tiefen Krise des kapitalistischen Systems, in dem alle sozialen Errungenschaften, auch Bildung und Forschung, der Profitlogik unterworfen werden. Deshalb muss sich die Opposition an den Hochschulen auf ein sozialistisches Programm gegen den Kapitalismus stützen. Für dieses Programm tritt die Sozialistische Gleichheitspartei zu den Neuwahlen an. Die IYSSE unterstützen die Wahlkampagne der SGP und rufen alle Studierenden auf, hier ihre Unterschrift für die Wahlteilnahme zu geben und bei uns aktiv zu werden.