Eine Regierung der Menschen, nicht der Gesetze:

US-Justizministerium stellt Staatsstreich-Prozess gegen Trump ein

Am Montag hat die US-Bundesrichterin Tanya Chutkan das Verfahren der Grand Jury gegen den künftigen Präsidenten Donald Trump wegen seiner Rolle beim gescheiterten Staatsstreich am 6. Januar 2021 eingestellt – auf Antrag des Sonderermittlers Jack Smith. Am Dienstag folgte die Abweisung des Verfahrens gegen Trump wegen der Aufbewahrung von Geheimdokumenten in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach (Florida) durch ein Bundesberufungsgericht.

Sonderermittler Jack Smith spricht am 1. August 2023 im US-Justizministerium in Washington über die Anklage gegen Trump [AP Photo/Jacquelyn Martin]

Zusätzlich zu diesen Fällen wurde auch eine Verurteilung im Fall von Trumps Schweigegeldzahlung in New York ebenso wie Trumps Strafverfahren in Georgia wegen seines Versuchs, im Jahr 2020 das dortige Wahlergebnis zu kippen, auf unbestimmte Zeit vertagt. Am 18. November kündigte das Berufungsgericht von Georgia an, es habe eine für den 5. Dezember angesetzte Verhandlung abgesagt, bei der es um Trumps Versuche gehen sollte, die Bezirksstaatsanwalt von Fulton County, Fani Willis, von dem Fall abzuziehen. Weder Willis noch das Gericht haben eine offizielle Erklärung für die Absage gegeben.

Zusammenfassend bedeutet das, Trump muss für keine der Straftaten, für die er verurteilt oder angeklagt wurde, mit Konsequenzen oder einer Haftstrafe rechnen.

Smith wies in seinem Antrag auf Einstellung der Verfahren gegen Trump auf dessen Wiederwahl hin. Seit 1973 „vertrete das Justizministerium die Position, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten die Anklage und anschließende Strafverfolgung eines amtierenden Präsidenten verbietet“. Das mag die „Position“ des Justizministeriums sein, aber es gibt tatsächlich weder ein Gesetz noch eine Verfassungsbestimmung, die es daran hindert, das Verfahren weiterzuführen.

Smith schreibt, er habe sich mit „dem Office of Legal Counsel (OLC) des Ministeriums beraten“, um zu prüfen, ob diese „ihre Position geändert haben“. Dieser Versuch, der kläglichen Kapitulation einen legalen Deckmantel zu verschaffen, ignoriert das Wesen der Anschuldigungen gegen Trump. Er ist der erste Präsident in der Geschichte der USA, der einen Putschversuch organisiert hat, um das Ergebnis einer landesweiten Wahl zu kippen und die Macht als Präsidialdiktator zu übernehmen.

Gewaltbereite Trump-Anhänger versuchen am 6. Januar 2021 eine Polizeiabsperrung am Kapitol in Washington zu durchbrechen [AP Photo/Julio Cortez]

Weiter erklärt Smith, das Justizministerium habe „nach sorgfältiger Abwägung beschlossen, dass die vorherigen Auffassungen des OLC über das Verfassungsverbot von Anklagen und Strafverfolgungen eines amtierenden Präsidenten in dieser Situation gelten, und diese Strafverfolgung daher vor der Amtseinführung des Angeklagten eingestellt werden muss“. Mit anderen Worten, die Spitzenjuristen der Biden-Regierung, vermutlich auch Justizminister Merrick Garland, haben Smith angewiesen, Trump nicht gerichtlich zu belangen.

Das passt zu dem bisherigen doppelzüngigen Vorgehen von Justizminister Garland im Fall von Trump. Garland hat Smith erst im November 2022 zum Sonderermittler für Trumps Putschversuch ernannt – also fast zwei Jahre nach dem Angriff und erst nachdem bereits Hunderte von faschistischen Anhängern der unteren Ebene wegen ihrer Verbrechen angeklagt und verurteilt worden waren.

Smith fügte hinzu, das Verbot sei zwar „kategorisch“, beziehe sich aber „nicht auf die Schwere der Verbrechen, für die er angeklagt wird, die Stärke der Beweise der Regierung oder die Verdienste der Anklage, hinter der die Regierung uneingeschränkt steht“. Zum Schluss seines Antrags forderte Smith, die Anklagen „ohne Präjudiz“ fallen zu lassen, was Richterin Chutkan gewährte.

„Ohne Präjudiz“ (Vorentscheid) bedeutet, der Fall könnte theoretisch neu aufgerollt werden, wenn Trump aus seinem Amt ausscheidet (vorausgesetzt, er scheidet aus dem Amt aus). Allerdings werden mehrere der Anklagepunkte dann verjährt sein. Wichtiger ist jedoch, dass das extrem langsame Tempo, mit dem die Gerichte und das Justizministerium nach dem Putschversuch gegen Trump vorgegangen waren, zeigt, wie gleichgültig die herrschende Klasse der Verteidigung der demokratischen Rechte der Bevölkerung gegenübersteht.

Präsident Joe Biden und die Demokratische Partei sind voll und ganz dafür verantwortlich, dass Trump vier Jahre nach dem Angriff auf das Kapitol wieder ins Weiße Haus einziehen kann. Vor, während und nach dem Angriff war es nicht die oberste Priorität der Demokraten, Trump und seine faschistischen Mitverschwörer in der Republikanischen Partei, dem Obersten Gerichtshof und im Militär- und Geheimdienstapparat zu entlarven und zur Rechenschaft zu ziehen. Stattdessen setzten sie auf „nationale Einheit“ für ihren globalen Kriegskurs, der mit dem Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine begann.

Die Entscheidung, die Anklagen abzuweisen, folgt auf ein zweistündiges Treffen zwischen Trump und Biden im Weißen Haus Anfang November. Bei diesem Treffen erörterte Biden mit Trump die Pläne der scheidenden Regierung, den Krieg gegen Russland zu verschärfen, darunter die Erlaubnis für den Einsatz von amerikanischen ATACMS-Langstreckenraketen auf russischem Territorium – womit Trump ausdrücklich einverstanden war. Als er das Treffen verließ, lobte er Biden und stimmte zu, dass es einen „reibungslosen Übergang“ geben werde.

Abschuss einer ATACMS-Rakete bei einer gemeinsamen amerikanisch-südkoreanischen Übung an einem geheimen Ort in Südkorea am 5. Oktober 2022 [AP Photo]

Der Krieg ist die oberste Priorität der Demokratischen Partei. Ihr geht es nicht um den Schutz der Bevölkerung vor der Gefahr des Faschismus – ein Wort, das seit Trumps Wahl aus ihrem Wortschatz verschwunden ist.

Deshalb forderten Biden und die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach dem Putschversuch eine „starke Republikanische Partei“, obwohl die Mehrheit der Partei Trumps Diktaturpläne unterstützte.

Nach dem gescheiterten Putschversuch taten die Demokraten alles, um zu vertuschen, dass Trumps Pläne starken Rückhalt in wichtigen Stützen des kapitalistischen Staats hatten und bis heute haben. Die Demokraten organisierten die Farce des Repräsentantenhaus-Ausschusses zum 6. Januar unter der Führung der Republikanerin Liz Cheney. Sie weigerte sich, Trumps Verbündete im Pentagon, die vorsätzlich die Entsendung von Truppen zum belagerten Kapitol verzögert hatten, und im Obersten Gerichtshof der USA, darunter die Richter Clarence Thomas und Samuel Alito, zu entlarven und gegen sie zu ermitteln.

Die Einstellung der Verfahren gegen Trump wegen seiner zahlreichen Verbrechen widerlegt die Auffassung, die USA seien „eine Regierung der Gesetze, nicht der Menschen“ – wie John Adams, der zweite Präsident der USA, einst sagte. Trump steht über dem Gesetz. Tatsächlich zeichnete sich Smiths Antrag auf Klageabweisung bereits im Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Trump vs. United States im Juli ab. Die World Socialist Web Site schrieb damals, dieses Urteil stelle „den Präsidenten über das Gesetz“ und verwandele „den ,Oberbefehlshaber‘ effektiv in einen Diktator, der ungestraft Verbrechen begehen kann“.

Die Entscheidung des Gerichts, die von der rechtsextremen Mehrheit beschlossen wurde, darunter drei von Trump selbst ausgesuchte Richter, besagt, dass Trump für alle „Amtshandlungen“ als Präsident „Immunität“ vor Strafverfolgung genießt. Die abweichende Richterin Sonia Sotomayor erklärte dazu, das Gericht habe faktisch eine „gesetzesfreie Zone um den Präsidenten herum“ geschaffen.

Sotomayor schrieb: „Wenn der Präsident seine Amtsbefugnisse in irgendeiner Weise nutzt, ist er nach der Argumentation der Mehrheit nun vor Strafverfolgung geschützt. Er befiehlt dem Seal Team 6 der Marine, einen politischen Rivalen zu ermorden? Immun. Organisiert er einen Militärputsch, um sich an der Macht zu halten? Immun. Nimmt er Bestechungsgelder an, um danach eine Begnadigung auszusprechen? Immun. Immun, immun, immun.“

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom Juli war ebenso wenig eine Verirrung wie der Putsch am 6. Januar. Vielmehr handelte es sich um ein weiteres Kapitel im anhaltenden und langwierigen Zusammenbruch demokratischer Herrschaftsformen im Zentrum des Weltimperialismus.

Zu diesem Prozess des Niedergangs, den die WSWS seit Jahrzehnten analysiert, gehört auch der gestohlene Wahlsieg von George W. Bush im Jahr 2000. Damals hatte der Oberste Gerichtshof mit einer Mehrheit von 5 zu 4 die Auszählung der Stimmen in Florida gestoppt. Die Redaktion der World Socialist Web Site schrieb damals:

Die Krise der Wahl 2000 widerspiegelt die Zuspitzung der sozialen Gegensätze in einem Ausmaß, das einen Ausgleich im Rahmen des bestehenden politischen und verfassungsmäßigen Rahmens nicht mehr zulässt...

Von entscheidender Bedeutung ist das enorme Anwachsen der sozialen Ungleichheit, das Ausmaße angenommen hat wie seit den 1920er Jahren nicht mehr. Die Spaltung Amerikas in eine märchenhaft reiche Oberschicht und die überwiegende Bevölkerungsmehrheit ist letztendlich unvereinbar mit demokratischen Herrschaftsmethoden.

Seither haben sich die Ungleichheit in den USA und damit auch die Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse noch weiter verschärft. Laut dem Congressional Budget Office kontrollierten im Jahr 2022 die obersten zehn Prozent der US-Bevölkerung 60 Prozent des gesamten Reichtums, im Jahr 1989 waren es noch 56 Prozent. Im gleichen Zeitraum stagnierte der Anteil des Vermögens der unteren 50 Prozent der Bevölkerung bei sechs Prozent.

Die WSWS schrieb Anfang November nach Trumps Wahlsieg, die Wahl eines Faschisten stelle „eine gewaltsame Neuausrichtung des amerikanischen politischen Überbaus dar, die den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen in den Vereinigten Staaten entspricht“.

Die Demokraten werden sich dieser Neuausrichtung nicht widersetzen, sondern streben eine Versöhnung mit Trump im Interesse von Völkermord und imperialistischem Krieg an. Der Kampf zur Verteidigung demokratischer Rechte erfordert einen Bruch mit Trumps Unterstützern in beiden Parteien und die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Ursache von Krieg, Faschismus und Ungleichheit: das kapitalistische System

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