Berliner Senat kürzt drei Milliarden und kündigt weiteren Kahlschlag an

Am Montag gab die Berliner Landesregierung, ein Bündnis aus CDU und SPD, die konkreten Einsparungen für den Haushalt im kommenden Jahr bekannt. Die Kürzungen haben ein Gesamtvolumen von über 3 Milliarden Euro und betreffen fast alle Bereiche.

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Allein beim Budget für den Bereich Mobilität, Verkehr und Umwelt sollen rund 660 Millionen Euro eingespart werden, was fast 20 Prozent des gesamten Etats ausmacht.

Hier wird das 29-Euro-Ticket für den Berliner ÖPNV, das erst seit Juli im Umlauf ist, wieder komplett gestrichen. Das Ticket war eine günstige Alternative zu den überteuerten regulären Tickets und fand entsprechend reißenden Absatz. Im Oktober gab es 210.000 Abonnenten, mit steigender Tendenz.

Mit unverschämtem Zynismus begründete die Wirtschaftssenatorin und ehemalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) den Schritt damit, man habe zwischen diesem Ticket und dem kostenlosen Schülerticket für über 300.000 Kinder, kostenlosem Schulessen und Kita-Betreuung abwägen müssen.

Der Preis für das Sozialticket für den ÖPNV, das Personen mit extrem niedrigem Einkommen in Anspruch nehmen können, wird mehr als verdoppelt. Statt bisher neun Euro kostet es künftig 19 Euro. Auch hier erklärte Giffey, trotz der Erhöhung sei dies „ein sehr, sehr geringer Betrag“.

Die SPD-Co-Vorsitzende Nicola Böcker-Giannini kommentierte, Berlinerinnen und Berliner hätten nun „Planungssicherheit“, und merkte mit unverhohlenem Zynismus an: „Uns war es wichtig, dass die ‚soziale Stadt‘ erhalten bleibt.“

Die Mittel für sämtliche Umweltprojekte, die ohnehin nie mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein waren, fallen dem Rotstift zum Opfer. Darunter sind beispielsweise die Anschaffung von Elektrobussen für die BVG, die Förderung eines öffentlichen Leihradsystems, Mittel für Gewässerschutz und Verkehrssicherheit sowie der Ausbau von Straßenbahnlinien.

Im Bildungshaushalt werden 370 Millionen Euro gestrichen. Beim dringend benötigten Kita-Ausbau werden 14 Millionen gekürzt, durch den Verzicht auf den geplanten Neubau von zwei Grundschulen fallen fast 100 Millionen weg, und dem Studierendenwerk werden die Mittel um rund ein Drittel gekürzt.

Im Kulturbereich werden 12 Prozent des Gesamtetats gestrichen. Renommierte und traditionsreiche Bühnen wie die Deutsche Oper, die Volksbühne, die Komische Oper und andere werden gezwungen, ihr Programm einzuschränken. Das Berliner Ensemble werde in den nächsten zwei Spielzeiten mindestens fünf Produktionen streichen, hat Intendant Oliver Reese schon angekündigt. Selbst die geplanten Mittel für das weltweit beachtete Filmfestival Berlinale werden um die Hälfte gekürzt.

Gegen die brutalen Kürzungen gibt es bereits Proteste. Zuletzt fand am Dienstag das Protestkonzert „Berlin ist Kultur“ statt. Daran beteiligten sich unter anderem das Berliner Ensemble, die Deutsche Oper, der Rundfunkchor und das Grips-Theater.

Die Liste lässt sich noch lange fortsetzen. So werden die Mittel für freie Jugendarbeit, Schwimmbäder, Wohnungslosenhilfe und vieles mehr drastisch gekürzt oder komplett gestrichen. Um etwa 150 Millionen wird die Wohnraumförderung gekürzt, in einer Stadt, die wie kaum eine andere in Deutschland unter explodierenden Mieten und Wohnungsmangel leidet.

Im Bereich Inneres und Sicherheit treffen die Kürzungen den Katastrophenschutz und die Feuerwehr. Völlig ausgespart werden hingegen Polizei und Justiz. Entsprechend zufrieden zeigte sich Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin, der erklärte: „Es scheint, als hätten CDU und SPD uns zugehört und den Rasenmäher für 2025 in der Garage gelassen.“ Bereits zu Beginn der Legislaturperiode hatte der schwarz-rote Senat die innere Aufrüstung zur obersten Priorität erklärt.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und sein Senat verteidigen die radikalen Kürzungen nicht nur gegen jede Kritik, sie preisen den Kahlschlag auch als Modell für andere Länder und den Bund an. SPD-Fraktionschef Raed Saleh bemerkte zu den beschlossenen Kürzungen, es sei die Aufgabe von Politik, für Ruhe und Stabilität zu sorgen. „Wie es nicht funktioniert, haben wir alle gerade auf der Bundesebene erlebt, wo am Haushalt eine ganze Koalition gescheitert ist.“

Während die Landesarmutskonferenz und andere Initiativen zu Protesten gegen die Sparmaßnahmen aufgerufen haben, wird die Kürzungspolitik von allen im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien unterstützt. FDP und AfD haben die Kürzungen gelobt und weitergehende Maßnahmen verlangt, wie eine Verwaltungsreform, also Stellenstreichungen im Öffentlichen Dienst, und Einsparungen im Bereich Migration und Asyl.

Die zaghafte Kritik von Grünen und Linken soll darüber hinwegtäuschen, dass auch sie in den letzten 25 Jahren, jedes Mal wenn sie im Senat saßen, massiv gekürzt haben. Daniel Wesener, Finanzsenator des Giffey-Senats, dem SPD, Linke und Grüne angehörten, hatte sich in der BZ sogar damit gebrüstet, dass sich seine Politik gegen die Bevölkerung richte. „Sie werden keinen Finanzsenator sehen, dem Blumengirlanden geflochten werden,“ hatte der Grünen-Politiker erklärt.

Auch die Kritik der Gewerkschaft Verdi ist nicht mehr als heiße Luft, um den weitverbreiteten Unmut gegen den Senat zu kanalisieren. Wortreich kündigte Verdi nach Bekanntwerden der geplanten Kürzungen solidarischen Protest mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft gegen „den geplanten Kahlschlag durch den Berliner Senat“ an.

„Wir werden uns nicht von vermeintlichen Sachzwängen erpressen lassen, die die gleichen Parteien geschaffen haben, die uns jetzt die Kürzungen als alternativlos präsentieren,“ erklärte Verdi-Landesbezirkschefin Andrea Kühnemann. „Wenn CDU und SPD zurück wollen in die Sarrazin-Jahre, in denen diese Stadt schon einmal kaputtgespart wurde“, müssten sie mit Widerstand rechnen.

Das dieser Widerstand nicht von den Gewerkschaften ausgeht, haben sowohl die „Sarrazin-Jahre“ als auch die Jahre danach gezeigt. Gemeinsam mit der SPD und anderen Regierungsparteien haben die Gewerkschaften vielmehr jedem Spardiktat zum Durchbruch verholfen. In den landeseigenen Kliniken Charité und Vivantes, der BVG, der Stadtreinigung und anderen öffentlichen Betrieben arbeiten sie eng mit dem Senat und dem Management zusammen, um Lohnsenkungen und Privatisierungen gegen die Beschäftigten durchzusetzen.

Mit der Bekanntgabe der Kürzungen machte der Senat deutlich, dass dies erst der Beginn von noch weit umfangreicheren Einschnitten sei. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) kündigte an, dass auch im nächsten Doppelhaushalt für die Jahre 2026 und 2027 weiter gespart wird. „Jedem muss klar sein: Es wird nicht mehr“, so Evers.

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