Am 24. Oktober wurde im Landtag von Sachsen-Anhalt anlässlich des Doppeljubiläums des UNESCO-Weltkulturerbes Bauhaus in den Jahren 2025 und 2026 ein Antrag der Alternative für Deutschland (AfD) diskutiert. Die rechtsextreme Partei verurteilt darin das Bauhaus und seine Wirkungsgeschichte als „Irrweg der Moderne“ und fordert von der Landesregierung, eine „einseitige Glorifizierung des Bauhaus-Erbes … abzulehnen und stattdessen in einer kritischen Auseinandersetzung ein seriöses und kulturgeschichtliches Gesamtbild aufzustellen, das alle Aspekte des Bauhauses beleuchtet“.
Der AfD geht es nicht um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus, die es schon lange gibt. Ihr Antrag zeugt von ihrer provinziellen Rückständigkeit und Ignoranz in Fragen der Geschichte und Wirkungsgeschichte des Bauhauses und zielt darauf, die Debatte über Kunst und Kultur „im Sinne eines völkischen Kulturerbes zu drehen“, wie sich die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau ausdrückte. Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Hans-Thomas Tillschneider, der den Bauhaus-Antrag formuliert hat, wird dem rechtsextremen Flügel der AfD zugeordnet.
Ein anderer Antrag der AfD-Fraktion zur Bildungspolitik weist in die gleiche Blut- und Boden-Richtung: „Zukunft braucht Herkunft – Heimat und Volksgut im Lehrplan stärken“, lautet ihr Titel.
Der Antrag „Irrweg der Moderne“ kritisiert vorgebliche „historische Bausünden“ des Bauhauses, da „ihre puristische Ästhetik und funktionale Reduktion oft nicht mit der Lebensqualität der Bewohner in Einklang gebracht“ worden seien. Die Betonung auf „Nüchternheit und Minimalismus“ habe „häufig zu unpersönlicher Architektur“ geführt, die als „kalt, abweisend und unattraktiv wahrgenommen“ werde. „Insbesondere in Bezug auf den sozialen Wohnungsbau und öffentliche Gebäude“, sei sie als „menschenfeindlich“ zu bezeichnen.
Wer sich mit den Konzepten des Bauhauses auch nur etwas auskennt, weiß, dass seine Künstler und Designer gerade die Menschen im Blick hatten, denen ihre Produkte dienen und gefallen sollten. Die AfD dagegen beklagt eine angeblich „universelle Ästhetik, die auf eine Vereinheitlichung von Kunst und Design“ abziele, bei der „individuelle und regionale Besonderheiten“ verlorengingen. Die „radikale Vereinfachung und Funktionalisierung des Lebensumfeldes“ widersprächen oft „traditionellen und kulturell verankerten Vorstellungen von Wohn- und Lebensräumen“ und sorgten für eine „Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt“.
Nicht fehlen dürfen in der Tirade natürlich auch Seitenhiebe auf den „Kommunismus“, für den aus Sicht der Antragssteller Hannes Meyer steht, der Nachfolger von Walter Gropius als Bauhausleiter. Seine Konzepte eines funktionalen Wohnungsbaus für die Bedürfnisse der Bewohner seien für die „Ideologisierung von Kunst und Architektur“ verantwortlich, die „langfristig negative gesellschaftliche Auswirkungen hatte und weiterhin haben könnte“. Ganz besonders stört sich die AfD am Internationalismus des Bauhauses. Die Verbreitung seines „uniformen und austauschbaren Stils“ habe zu einem globalen „Einheitsbrei“ und zur „Verwässerung regionaler Eigenheiten“ geführt.
Der Antrag der AfD könnte in seiner Wortwahl und ideologischen Ausrichtung den Schriften des berüchtigten Spitzdachbefürworters und Bauhauskritikers Paul Schulze-Naumburg entstammen, der in den Kulturdebatten der 1920er und 30er Jahre für einen konservativen Baustil eintrat und mit seinen Vorstellungen von einem mit Rassenideologie begründeten, „volksgemäßen“ Wohnungsbau schließlich bei den Nazis landete.
1925 war die Kunst-, Design- und Architekturschule Bauhaus nicht zuletzt wegen der Agitation Schulze-Naumburgs gezwungen, ihren ersten Standort im thüringischen Weimar aufzugeben und nach Dessau in Sachsen-Anhalt umzuziehen.
In Thüringen, wo im November 1923 eine Regierung von SPD und KPD durch die Reichswehr abgesetzt worden war, gelangte 1924 eine erzkonservative Minderheitsregierung an die Macht, die – erstmals in Deutschland – von den Nazis und anderen völkischen Abgeordneten geduldet wurde. Sie entzog dem Bauhaus die Finanzierung. Dessau, eine Industrie- und Arbeiterstadt, ermöglichte dem Bauhaus einen Neuanfang und seine wichtige kreative Entwicklung. Dort entstanden die bis heute berühmtesten Bauhausbauten – die Meisterhäuser, das große von Walter Gropius entworfene Schulgebäude mit seiner grandiosen Glasfront sowie eine große Wohnsiedlung und die Laubenganghäuser.
Die Errungenschaften des Bauhauses in all seinen vielfältigen Arbeitsfeldern wirken bis heute fort und haben die feindlichen Angriffe von Rechtskonservativen, Nationalsozialisten und Stalinisten bis hin zu postmodernistischen Strömungen überdauert.
Trotz der Faszination, die es noch heute auslöst, kann aber von einer „Glorifizierung“ des Bauhauses, wie die AfD unterstellt, nicht die Rede sein. Denn seit vielen Jahren wird das Bauhaus in seiner historischen Komplexität und auch Widersprüchlichkeit, in seinen vielfältigen Ausprägungen und seiner historischen Entwicklung auch kritisch wissenschaftlich untersucht.
So zeigte zum Beispiel in diesem Jahr eine Ausstellung in Weimar die Verquickung von Bauhäuslern mit dem Nationalsozialismus auf. Hatten doch etliche von ihnen ihre Karriere im Nationalsozialismus fortgesetzt oder sich zur Sicherung ihrer Existenz an die Nazis angepasst. Wobei diese sich, was die Einschätzung der Moderne anging, anfangs keineswegs einig waren. Es gab einen NSDAP-Flügel, der modernes Bauen und zeitgenössische Kunst, sogar den Expressionismus, durchaus schätzte, was nicht verhinderte, dass er als „entartete Kunst“ verfemt wurde.
Mehr als zwanzig Bauhausvertreter verloren schließlich in den Konzentrationslagern der Nazis ihr Leben. Viele andere, darunter Walter Gropius und Mies van der Rohe, konnten ins Ausland fliehen. Letzterer hatte ebenfalls zunächst versucht, sich mit den neuen Machthabern einzulassen.
Weshalb ist die AfD so wütend auf das Bauhaus?
Es sind nicht nur das moderne Design, das diese Kunstschule entwickelt und propagiert hat, oder die schlichte, sachliche Architektur, die das 20. Jahrhundert weitgehend prägte. Vielmehr sind es das Zusammenwirken aller Formen künstlerischer Arbeit und die schöpferische Kraft, die sich in der gemeinsamen Arbeit im Kollektiv der Bauhauslehrer und -schüler entfalten konnte und die einen Gegenentwurf zum Eklektizismus und Individualismus bedeuten, die im profitorientierten Kulturbetrieb des Kapitalismus vorherrschen.
Die „Gleichberechtigung aller Arten schöpferischer Arbeit und ihr logisches Ineinandergreifen innerhalb der modernen Weltordnung“, wie Gropius einmal den Grundgedanken des Bauhauses definierte, stehen für einen fortschrittlichen Kunstbegriff, der dem der AfD diametral entgegengesetzt ist.
Es ist dieser künstlerische Anspruch, mit dem das Bauhaus sich den Bedürfnissen und Problemen der Gesellschaft stellte, und es ist heute immer noch ein aktueller und zukunftsweisender Ansatz, Kunst und Design in den Dienst einer nach Frieden, Solidarität und Gleichheit strebenden menschlichen Gesellschaft zu stellen.
Das Bauhaus war in der revolutionären Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg entstanden. Dass es sich zu einem Mythos des 20. Jahrhunderts entwickelte und die Menschen bis heute fasziniert, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass es kein Ort war, an dem sich Künstler, Designer oder Architekten nur selbst verwirklichen und ihre Schüler nach ihrem Bilde formen konnten. Seine Kreativität, die man an den Exponaten der Bauhausmuseen nachempfinden kann, rührte nicht zuletzt aus dem pädagogischen Konzept, das auf Walter Gropius zurückging und unterschiedlich interpretiert wurde, aber in einen Grundzügen von höchst unterschiedlichen Künstlern und Architekten übernommen wurde.
Nicht zufällig schmückte das Gründungsmanifest des Bauhauses eine von Lionel Feininger gezeichnete Kathedrale, die „Kathedrale des Sozialismus“.
Der Landtag von Sachsen Anhalt lehnte den offensichtlich unsinnigen Antrag AfD ab, wobei es sicher auch eine Rolle spielte, dass die Dessauer Bauhausgebäude jährlich weit über 100.000 Touristen aus aller Welt anziehen, wie Barbara Steiner, die Direktorin der Stiftung Bauhaus in Dessau erklärte.
Es war nicht der erste Angriff der AfD auf Kultureinrichtungen, die nicht ihrem rückwärtsgewandten, deutschnationalen Weltbild entsprechen und denen sie die Finanzierung entziehen würde, wenn sie dazu in der Lage wäre.
In der Süddeutschen Zeitung warnt Peter Laudenbach vor dem rechten Kulturkampf der AfD gegen Kunstwerke und Kulturinstitutionen. Zwar hätten derartige Anträge der AfD zur Zeit noch keinen Einfluss auf das Regierungshandeln, aber die Feindbildmarkierungen seien deshalb nicht folgenlos: „Nachdem die AfD in Sachsen-Anhalt gegen ein Festival für Neue Musik polemisiert und in Berlin Anträge auf Mittelkürzungen für das Maxim-Gorki-Theater und den Friedrichstadtpalast gestellt hatte, erhielten die jeweiligen Intendanzen Morddrohungen.“
Laudenbach scheint davon auszugehen, dass die übrigen parlamentarischen Parteien der AfD ernsthaft entgegentreten. Aber auch sie richten ihre Politik immer stärker auf Nationalismus und Militarismus aus und setzen im Kulturbereich massiv den Rotstift an. Die Kürzungen treffen gerade die freie Kulturszene, insbesondere soziale und multinationale Projekte. Schon jetzt werden Kulturschaffenden, Wissenschaftler und Studierende, die den Genozid in Gaza verurteilen, unter dem verleumderischen Vorwurf des „Antisemitismus“ verfolgt und diskriminiert. Die Kürzungen im Kulturbetrieb, eine Folge des Sparzwangs zugunsten des Militärhaushalts, werden mit Argumenten gerechtfertigt, die auch die AfD vorbringt.