Der anhaltende Anstieg des Goldpreises – der letzte Woche ein Rekordhoch von über 2.700 Dollar pro Feinunze erreichte und im vergangenen Jahr um 40 Prozent gestiegen ist – wirft Fragen über die Zukunft des auf dem Dollar beruhenden internationalen Währungssystems auf.
Die Rolle des Dollars als Weltwährung verschaffte den USA ein „exorbitantes Privileg“, das es ihnen erlaubte, Staatsschulden anzuhäufen wie kein anderes Land. Donald Trump wies kürzlich auf die Bedeutung der Dollar-Vorherrschaft hin und erklärte, dass ihr Verlust gleichbedeutend mit dem Verlust eines Krieges sei. Diese Ansicht wird auch von der Demokratischen Partei geteilt.
Der bekannte Finanzanalyst und Kommentator Mohammed El-Erian wies in einem Kommentar in der Financial Times in der vergangenen Woche darauf hin, dass weitaus größere Mächte am Werk seien als Marktschwankungen und unmittelbare geopolitische Probleme.
„Etwas Seltsames geschah im vergangenen Jahr mit dem Goldpreis“, schrieb er. „Indem er einen Rekord nach dem anderen aufstellte, schien er sich von seinen traditionellen Einflussfaktoren wie Zinsen, Inflation und Dollar abzukoppeln. Darüber hinaus steht sein stetiges Wachstum im Kontrast zu den Schwankungen der ausschlaggebenden geopolitischen Konstellationen.“
El-Erian führte eine Reihe von Faktoren auf, die erklären sollen, warum der Goldpreis im vergangenen Jahr einen stetigen Anstieg verzeichnete.
Dazu gehören: der allgemeine Anstieg der Vermögenspreise, der verstärkte Goldkäufe durch Zentralbanken, das schwindende Vertrauen in die Fähigkeit der USA eine stabile Weltordnung zu gewährleisten, die Instrumentalisierung von Zöllen durch die USA sowie ihr schrittweises Verlassen eines kooperativen regelbasierten Systems, sowie die Suche nach einem Nicht-Dollar-Zahlungssystem als Folge des Ausschlusses Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift zu Beginn des Ukraine-Krieges.
Die Suche nach einem alternativen Zahlungssystem war einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte des dreitägigen Gipfeltreffens der BRICS-Koalition (Brasilien-Russland-Indien-China-Südafrika), das vergangene Woche im russischen Kasan stattfand und an dem Vertreter aus rund 36 Ländern teilnahmen. Ob Zufall oder Absicht, der BRICS-Gipfel fand zeitgleich mit der Tagung des IWF und der Weltbank in Washington statt.
Die hohe Teilnehmerzahl an der BRICS-Konferenz spiegelt die Befürchtung vieler Länder wider, dass das Einfrieren russischer Dollar-Guthaben von den USA und ihren europäischen Verbündeten gegen jedes Land eingesetzt werden könnte, das sich ihnen in den Weg stellt.
Der Gipfel befürwortete „die Verwendung lokaler Währungen für Finanztransaktionen zwischen den BRICS-Ländern und ihren Handelspartnern“ und beschloss, „die Machbarkeit der Einrichtung einer unabhängigen grenzüberschreitenden Abwicklungs- und Verwahrungsinfrastruktur, BRICS Clear, zu prüfen“.
Wie weit eine solche Initiative gehen kann, bleibt abzuwarten – es gibt erhebliche Differenzen zwischen den beteiligten Ländern, aber dass Alternativen zum Dollar-System überhaupt diskutiert werden, ist signifikant.
Auch in Finanzkreisen ist man sich des Wandels bewusst geworden. Letzten Donnerstag gab die Hongkonger Niederlassung der global agierenden Bank HSBC auf einer Konferenz in Peking bekannt, dass sie sich offiziell dem chinesischen grenzüberschreitenden Interbankenzahlungssystem (CIPS) anschließen wird. David Liao, Co-Chef des China-Geschäfts der Bank, sagte, die dominante Rolle des Dollars werde „verwässert“.
El-Erian kommentierte die Versuche, sich vom Dollar abzuwenden, und stellte richtig fest, dass „keine andere Währung oder kein anderes Zahlungssystem in der Lage und willens ist, den Dollar im Kern des Systems zu verdrängen.“
„Aber es werden immer mehr kleine Leitungen gebaut, um diesen Kern zu umgehen; und immer mehr Länder sind interessiert und zunehmend beteiligt.“
Vor diesem Hintergrund sei das, was mit dem Goldpreis passiert sei, nicht nur im Hinblick auf traditionelle wirtschaftliche und finanzielle Einflüsse ungewöhnlich. Es sei Ausdruck eines „umfassenderen Phänomens, das eine säkulare Dynamik entwickelt“.
Als Verteidiger der gegenwärtigen finanziellen und politischen Ordnung führte dies El-Erian zu seiner zentralen Sorge, der seiner Meinung nach die westlichen Regierungen mehr Aufmerksamkeit schenken sollten.
„Wenn sie [die Krise] tiefere Wurzeln schlägt, besteht die Gefahr, dass sie zu einer erheblichen Fragmentierung des globalen Systems führt und den Einfluss des Dollars und des Finanzsystems der Vereinigten Staaten untergräbt. Das würde die Informations- und Einflussmöglichkeiten der USA beeinträchtigen und ihre nationale Sicherheit gefährden.“
Der Anstieg des Goldpreises hat auch eine tiefere Bedeutung, die über die Position der USA als dominierende imperialistische Macht hinausgeht, so entscheidend diese Frage auch ist.
Er ist ein erster Ausdruck einer sich abzeichnenden Krise des gesamten Geld- und Wertesystems des globalen Kapitalismus, die nur in ihrem historischen Kontext verstanden werden kann.
Auf der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 versammelten sich die Führer der siegreichen imperialistischen Mächte, um ein neues internationales Währungssystem zu schaffen. Sie waren sich bewusst, dass eine Rückkehr zum Chaos der 1930er Jahre, geprägt von Zöllen, Währungsblöcken und dem Fehlen eines internationalen Zahlungssystems, zu einer Krise und einer sozialen Revolution durch die wiedererstarkte Arbeiterklasse führen würde.
Anlässlich ihres 80. Jahrestages wird die Bretton-Woods-Konferenz in den Medien oft als Modell globaler Zusammenarbeit gepriesen, zu dem man angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Krisen zurückkehren sollte.
In Wirklichkeit war sie weit davon entfernt. Die USA nutzten ihre wirtschaftliche Vormachtstellung, um ein internationales Währungssystem auf der Grundlage des Dollars zu schaffen. Sie lehnten den Vorschlag des britischen Chef-Unterhändlers John Maynard Keynes ab, eine internationale Währung namens „Bancor“ einzuführen. Genauso wie die USA für ihre Interessen kämpften, zielte Keynes’ Vorschlag darauf ab, die Position des britischen Empire zu verteidigen und die Dominanz der USA einzuschränken.
Die überwältigende Wirtschaftskraft der USA half ihnen dabei, sich durchzusetzen, aber sie mussten Zugeständnisse in Form einer Garantie machen, dass die Dollarbestände zu einem Kurs von 35 Dollar pro Unze in Gold als endgültiges Wertaufbewahrungsmittel umgetauscht werden konnten.
Das System von Bretton Woods beruhte jedoch auf einem inhärenten Widerspruch. Der Dollar wurde zur internationalen Währung und ein Abfluss von Dollars aus den USA war notwendig, um eine ausreichende Liquidität zu gewährleisten.
Um zu verhindern, dass die Weltwirtschaft und letztlich auch die USA in eine Depression mit den daraus resultierenden revolutionären Umwälzungen zurückfielen, mussten zudem die besiegten imperialistischen Mächte wiederbelebt werden. Dies war die Grundlage des Marshall-Plans der USA von 1947 zum Wiederaufbau der kriegszerstörten Wirtschaft Westeuropas.
Das neue System überdauerte kaum ein Vierteljahrhundert.
Es brach zusammen, als die US-Handelsbilanz aufgrund der zunehmenden Konkurrenz ihrer wiedererstarkten Rivalen auf den Weltmärkten negativ wurde. Die im Rest der Welt zirkulierenden Dollars überstiegen bei weitem die Goldreserven der USA. Dies führte dazu, dass Präsident Nixon am 15. August 1971 beschloss, die Golddeckung des Dollars aufzuheben.
Der Dollar fungierte zwar nach wie vor als Weltwährung, aber es handelte sich nun um eine Fiat-Währung, die nicht mehr durch das Gold als Wertaufbewahrungsmittel gedeckt war, sondern durch die Macht des amerikanischen Staates.
Die theoretische Frage, die sich nun stellte, war die nach der Natur dieses Geldes und danach, ob dieses System auf unabsehbare Zeit Bestand haben könne. In der bürgerlichen politischen Ökonomie wurden diese Fragen im Allgemeinen ignoriert, solange das System funktionierte – war Geld einfach ein technisches Instrument.
Diese Vorstellungen wurden jedoch bereits von Karl Marx in den ersten Kapiteln seines Meisterwerks „Das Kapital“ widerlegt. Dort erklärte er, dass Geld nicht erfunden wurde, sondern ein objektives Produkt des Warenproduktionssystems sei, also der Produktion für einen Markt, auf dem das kapitalistische System basiere.
In einem System der gesellschaftlichen Produktion, dessen höchste Stufe der Kapitalismus ist, wird der Wert jeder Ware letztlich durch die in ihr enthaltene Menge an gesellschaftlich notwendiger Arbeit bestimmt. Und dieser Wert musste einen eigenständigen materiellen Ausdruck in Form einer anderen Ware finden, der Geldware, die aus historischen Gründen und aufgrund ihrer physischen Eigenschaften Gold war.
Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems behaupteten verschiedene Kritiker von Marx, darunter auch einige selbsternannte Marxisten, dass das Fortbestehen eines Geldsystems, das auf einer Fiat-Währung und einem nicht durch Gold gedeckten Kredit basierte, seine Analyse widerlegt habe.
Wenn sie sich überhaupt mit der Frage beschäftigten, welchen Wert dieses Papiergeld repräsentierte, das durch eine Druckerpresse oder heute durch den Druck eines Computerknopfes geschaffen wird, so geschah dies in Form eines Zirkelschlusses:
Der Dollar war ein Wertaufbewahrungsmittel und die Grundlage des Finanzsystems, weil er für Handel und andere Transaktionen begehrt war, und er war begehrt, um diese Funktionen zu erfüllen, weil er ein Wertaufbewahrungsmittel war.
Marx’ Analyse blieb nicht bei den ersten Kapiteln des Kapitals stehen. Später erklärt er, dass der Kredit, der ebenfalls eine gesellschaftliche Form des Reichtums ist, das Gold verdrängen und an seine Stelle treten kann. Es ist „das Vertrauen in den gesellschaftlichen Charakter der Produktion, welches die Geldform der Produkte [d. h. den Ausdruck ihres Wertes in Gold] als etwas nur Verschwindendes und Ideales, als bloße Vorstellung erscheinen läßt.“ (Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 25, „Das Kapital“, Bd. III, Fünfter Abschnitt, S. 588)
Zweifellos hat sich diese Usurpierung weit länger gehalten, als Marx erwartet hatte. Die sich im Finanzsystem auftürmenden Stürme, insbesondere seit der Krise von 2008, zeigen jedoch, dass die grundlegenden Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise und ihres Geldsystems an die Oberfläche treten.
Der Anstieg des Goldpreises verdeutlicht, dass eine auf die Wirtschafts- und Finanzmacht eines Staates gestützte Fiat-Währung nicht unbegrenzt als Weltgeld funktionieren kann. Schon gar nicht, wenn dieser Staat, die USA, seine einstige Wirtschaftsmacht verloren hat, mit 36 Billionen Dollar verschuldet ist, weitere Schulden aufnehmen muss, nur um die Zinsen für die alten Schulden zu bezahlen (inzwischen etwa 1 Billion Dollar pro Jahr) und nun die am höchsten verschuldete Nation in der Geschichte geworden ist.
Diese Krise lässt sich nicht durch die Schaffung einer multipolaren Welt lösen, so sehr sich die BRICS-Staaten das auch erhoffen mögen. Der US-Imperialismus, konfrontiert mit einer Krise, die tief in der DNA des Kapitalismus verankert ist, versucht sie mit Gewalt zu lösen, wie seine immer weiter ausgedehnten Kriegsfronten und die verschärften Angriffe auf die Arbeiter im eigenen Land zeigen.
Für die Arbeiter ist die einzige Lösung der Kampf für den internationalen Sozialismus, die Eroberung der politischen Macht und die Beendigung des kapitalistischen Warensystems, in dem die Krise letztlich ihre Wurzeln hat, und die Errichtung der historisch notwendigen höheren Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.