Nach Abbruch des Hafenarbeiterstreiks:

Streik der Mechaniker bei Boeing: Staatliche Schlichtung soll wieder aufgenommen werden

Nachdem am letzten Donnerstag der Hafenarbeiterstreik an der US-Ostküste von der Gewerkschaft ILA abgebrochen wurde, sollen am Montag die Verhandlungen zwischen Vertretern von Boeing und der Gewerkschaft International Association of Machinists (IAM) unter Vermittlung der Regierung wieder aufgenommen werden. Etwa 33.000 Boeing-Mechaniker befinden sich seit rund drei Wochen im Streik.

Streikende Boeing-Arbeiter in Everett (US-Bundesstaat Washington)

Es wird die dritte Runde der Verhandlungen sein und die US-Regierung soll dabei als Schlichter auftreten. Der US-Imperialismus steht am Rand eines Krieges mit dem Iran, während die Ukraine Raketenangriffe auf Russland durchführt. Vor diesem Hintergrund kann der US-Imperialismus nicht tolerieren, dass der Streik bei Boeing, einem bedeutenden Rüstungskonzern, weitergeht.

Am Freitagnachmittag veröffentlichte die Washington Post einen Artikel mit detaillierten Informationen über die Schlüsselrolle, die die Biden-Regierung dabei spielte, den Hafenarbeiterstreik zu beenden. Die Zeitung beschrieb, dass Vertreter des Weißen Hauses bei einem Treffen mit Hafenbetreibern ein „schroffes Ultimatum“ gesetzt hätten.

Die Post schrieb zu dem Treffen:

Während die Wirtschaft der Nation – und ein Großteil des Vermächtnisses des Präsidenten – nur wenige Wochen vor der Wahl auf dem Spiel steht, erklärte der Chefökonom des Weißen Hauses, Lael Brainard, dem Management, sie müssten den streikenden Hafenarbeitern ein neues Angebot vorlegen. Verkehrsminister Pete Buttigieg betonte, dass eine Übereinkunft angesichts von Hurrikan Helene umso bedeutsamer sei. Arbeitsministerin Julie Su äußerte Optimismus, dass die Gewerkschaft einer vorübergehenden Verlängerung [des Arbeitsvertrags] zustimmen würde, wenn der Deal Lohnerhöhungen beinhalte.

Laut der Post hatte der Stabschef des Weißen Hauses Jeff Zients den Vorständen der Hafenbetreiber erklärt: „Ich brauche heute ein Angebot – nicht morgen, heute. Ich werde dem Präsidenten in einer Stunde berichten, dass Sie davon ausgehen, das heute noch zu schaffen.“

Die Post versucht, die Vorgänge so darzustellen, als würde das Weiße Haus zu Gunsten der Arbeiter eingreifen. In Wirklichkeit hat die Gewerkschaft International Longshoremen's Association (ILA) die Regierung gerettet, indem sie den Streik ohne neuen Vertrag abgebrochen hat. Diskussionen über die Schlüsselfrage, die Automatisierung, die Tausende von Arbeitsplätzen vernichten könnte, haben gerade erst begonnen.

Stattdessen kehren die Arbeiter mit einer 90-tägigen Verlängerung des alten Tarifvertrags an die Arbeit zurück. Dieses Vorgehen hat im Wesentlichen die gleichen Auswirkungen wie eine einstweilige Verfügung, doch versetzt es Biden nach seinem Verbot des nationalen Eisenbahnerstreiks im Jahr 2022 in die Lage, behaupten zu können, dass er keine einstweilige Verfügung habe durchsetzen müssen. Tatsächlich ist der jetzige Zustand schlimmer als eine einstweilige Verfügung: die 90-tägige Verlängerung ist zehn Tage länger als die „Abkühlperiode“, die der Taft-Hartley Act vorsieht.

Was die Regierung tatsächlich in Schrecken versetzte, waren nicht die (stark übertriebenen) Auswirkungen des Streiks auf die Hilfsoperationen in Hurrikan-Gebieten oder gar „die Wirtschaft“, d. h. die Aktienkurse und Profite der Konzerne. Sie trieb die Sorge um, dass die Streiks bei Boeing und in den Häfen eine größere Bewegung der Arbeiterklasse auslösen könnten, die ihre Kriegspläne gefährdet.

Dies ist nur der jüngste Arbeitskampf, in dem Biden auf die Zusammenarbeit mit der unternehmensfreundlichen Gewerkschaftsbürokratie gesetzt hat, die er als seine „Nato im Inland“ bezeichnet. Selbst während des Streiks hat die ILA versprochen, weiterhin Kriegsgerät nach Übersee zu verladen. Während sich die Bürokratie zu ihrem Bündnis mit der US-Kriegsmaschinerie bekennt, drohte der republikanische Gouverneur von Florida Ron DeSantis am Freitag mit dem Einsatz der Nationalgarde im Bundesstaat. Diese Drohung verdeutlicht, dass der Kampf der Arbeiterklasse gegen Ausbeutung untrennbar mit dem Kampf gegen den Imperialismus verbunden ist.

Der Streik bei Boeing

Nun, da die Hafenstreiks zumindest vorläufig beendet sind, kann Biden sich dem Boeing-Streik zuwenden. Dieser Kampf hat sich zu einer Rebellion gegen die Bürokratie der Gewerkschaft IAM entwickelt, die in letzter Minute einen Vertrag durchsetzen wollten, der jedoch von den Arbeitern mit 95 Prozent abgelehnt wurde.

Am Freitag besuchte die Kongressabgeordnete Pramila Jayapal Streikposten bei Boeing im Bundesstaat Washington. Hierbei handelte es sich lediglich um den jüngsten Auftritt in einer Reihe ähnlicher Aktionen von demokratischen Amtsinhabern, die sich zum Fototermin an den Streikposten stellen. Laut der Gewerkschaft waren auch die Abgeordneten Val Hoyle, Suzan DelBene und Rick Larsen aufgetreten. Jayapal ist als Vorsitzende des Congressional Progressive Caucus die ranghöchste Abgeordnete, die Streikposten besucht hat.

Solche Besuche von Demokraten haben den Charakter eines versuchten „Todesstoßes“. Das berüchtigtste Beispiel dafür war der Besuch von Präsident Biden an Streikposten in der Autoindustrie, wo die Gewerkschaft United Auto Workers einen begrenzten „Standup-Streik“ in einer Handvoll Werke organisiert hatten. Später unterstützte das Weiße Haus einen weiteren Vertrag der UAW und stellte ihn als angeblichen „Sieg“ dar.

Innerhalb weniger Monate nach Inkrafttreten dieses neuen Vertrags verloren Tausende von Autoarbeitern ihre Stellen. Zum 8. Oktober werden fast 2.500 Arbeiter des Truck-Werks von Stellantis in Warren bei Detroit ihre Arbeitsplätze verlieren.

Letzte Woche gab es zwei weitere Unfälle mit Boeing-Passagierflugzeugen, die verdeutlichten, dass die Arbeiter dringend die Kontrolle über die Produktion übernehmen müssen, um den profitgetriebenen Sicherheitsskandal zu beenden, der zu Hunderten von Toten geführt hat.

Am Donnerstag geriet eine Boeing 737-800 des irischen Billigfliegers Ryanair auf dem Flughafen im italienischen Brindisi kurz vor dem Start in Brand, sodass mehr als 180 Passagiere evakuiert und der Flughafenbetrieb eingestellt werden mussten. Von Passagieren aufgenommene Videos zeigen, wie am rechten Triebwerk des Flugzeugs ein Feuerball aufleuchtete.

Am Dienstag hatte eine weitere 737 von Ryanair Probleme mit den Reifen, als sie am Flughafen Bergamo nahe Mailand landete.

Am Montag schickte die US-Behörde für Verkehrssicherheit (National Transportation Safety Board) einen Brief an den Kongress, laut dem bis zu 40 Fluggesellschaften weltweit Boeing 737-Flugzeuge mit potenziell fehlerhaften Teilen im Seitenruder betreiben. Letzte Woche veröffentlichte sie einen Bericht über potenzielle Probleme im Ruderkontrollleitsystem, die die Behörde während der Untersuchung eines Beinahe-Unfalls zu Beginn des Jahres in Newark (New Jersey) festgestellt hatte.

Unterdessen ziehen Boeing und die IAM-Bürokratie gegenüber den Arbeitern die Daumenschrauben an, um den Widerstand an den Streikposten zu schwächen. Am Dienstag entzog das Unternehmen 33.000 Streikenden die Krankenversicherung. Auch ihr erstes reguläres Gehalt, das letzte Woche hätte ausgezahlt werden müssen, erhielten die Arbeiter nicht. Die IAM, die auf einem Vermögen von 300 Millionen Dollar aus Mitgliedsbeiträgen sitzt, speist die Arbeiter mit nur 250 Dollar pro Woche ab.

Im Anschluss an eine frühere Schlichtungsrunde ging Boeing mit einem Angebot an die Presse, das eine stufenweise Lohnerhöhung von 30 Prozent vorsah – unter der Bedingung, dass die Arbeiter es sofort annehmen. Dies war jedoch nur ein Versuch, die Entschlossenheit der Arbeiter auszuloten. Nachdem sie den ganzen Tag abgewartet hatte, veröffentlichte die IAM schließlich eine Erklärung, in der sie das Vorgehen verurteilte – nachdem klar war, dass die Arbeiter nicht zustimmen würden.

Der Streik genießt immense Unterstützer unter Arbeitern in den USA und der Welt. Sie dürfen nicht zulassen, dass der Streik bei Boeing isoliert wird. Das Aktionskomitee der Boeing-Arbeiter, das während des Streiks gegründet wurde, um für demokratische Kontrolle und gegen den Ausverkauf der Bürokraten zu kämpfen, hat die Arbeiter am Donnerstag aufgerufen, „unsere Streiks in eine breitere Bewegung der Arbeiterklasse gegen Ausbeutung und Krieg zu verwandeln.“

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