3000 VW-Beschäftigte protestieren gegen Kahlschlag

Am Dienstag, den 1. Oktober, findet um 19 Uhr das Online-Treffen des Volkswagen-Aktionskomitees statt, um über die angekündigten Angriffe auf Werke und Löhne zu diskutieren. Nehmt daran teil, schreibt eine Nachricht über Whatsapp an +491633378340 oder registriert euch über das untenstehende Formular.

Demonstration von VW-Arbeitern in Hannover, 25.09.2024

Rund 3000 Beschäftigte aus den deutschen VW-Standorten, darunter Emden, Zwickau, Braunschweig, Kassel-Baunatal, Wolfsburg, Salzgitter und Hannover haben am Mittwochmorgen in Hannover gegen den Kahlschlag demonstriert, den der VW-Vorstandsvorsitzende Oliver Blume jüngst angekündigt hat.

Die IG Metall und der Betriebsrat hatten zum Protest vor dem Schloss Herrenhausen aufgerufen. Hier begannen an diesem Mittwochmorgen die Verhandlungen mit der Konzernspitze über einen neuen Haustarifvertrag und die angekündigten Massenentlassungen.

Blume hatte Anfang September angekündigt, massiv Arbeitsplätze abzubauen und dabei auch mindestens zwei der zehn Werke in Deutschland zu schließen. Zu diesem Zweck hat der Konzern den 30 Jahre alten Beschäftigungssicherungsvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen verhindern soll, zum Ende des Jahres aufgekündigt. Seitdem wiederholt Blume ständig, dass er an seinem Plan festhalten und die rigorosen Angriffe im Auftrag der Aktionäre durchsetzen werde.

Die IG Metall und der von Daniela Cavallo geleitete VW-Gesamtbetriebsrat haben sich zwar lautstark gegen betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen ausgesprochen, aber im gleichen Atemzug betont, dass sie in der Analyse mit Blume übereinstimmen: Es müsse gespart werden.

Demonstration von VW-Arbeitern in Hannover, 25.09.2024

Betriebsrat, IG Metall und Konzernspitze gingen sofort daran, sich hinter den Kulissen abzustimmen, wie sie vorgehen sollten, um diese Einsparungen auf Kosten der Belegschaften durchzusetzen. Sie ziehen alle am gleichen Strang.

Die Meldung des gewöhnlich gut informierten Manager Magazins, dass im VW-Vorstand diskutiert werde, 30.000 der 130.000 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, wurde erst von Cavallo und dem Betriebsrat und anschließend von der Konzernspitze dementiert. Zu keiner Zeit haben Cavallo und Kollegen gesagt, dass sie nicht wüssten, was der Vorstand diskutiert. Aus dem Betriebsrat in Wolfsburg hieß es nur: „Diese Zahl entbehrt jeglicher Grundlage und ist einfach nur Schwachsinn.“ Auf welcher Grundlage welche Zahlen diskutiert werden, verrät der Betriebsrat nicht.

Dies zeigt schon, dass die Tarifverhandlungen zwischen VW-Vorstand, Betriebsrat und IG Metall, die wegen des von Blume angekündigten Kahlschlags um einen Monat vorgezogen worden sind, ein anderes Ziel verfolgen als die protestierenden Arbeiterinnen und Arbeiter und Auszubildenden, die am Mittwoch einen großen Teil der 3000 angereisten Teilnehmenden ausmachten.

Während Cavallo mit ihrer Entourage und die IG Metall darüber verhandeln, wie Einsparungen zu realisieren sind, waren viele der Beschäftigten nicht bereit, erneut Zugeständnisse zu machen.

Samed, Auszubildender aus Salzgitter, war da eindeutig: „Wir sind ja hier wegen der Frage über das ‚Ob‘ und nicht des ‚Wie‘. Wir werden auf jeden Fall dafür kämpfen, dass aus dem ‚Wie‘ ein ‚Ob‘ wird.“ Wie viele seiner Mitauszubildenden sieht er die Zukunft für sich und seine Generation gefährdet.

Samed

Benni arbeitet seit 2010 im Werk in Braunschweig. „Wenn die Konzernspitze sich durchsetzt mit ihren Forderungen, wird es für mich ganz, ganz schwierig werden“, sagte er. Benni gehört zum Team für die Batteriezelle und war mit vielen Kollegen jetzt gerade neun Monate in China. „Das hat keiner von uns gemacht, weil er gesagt hat, China ist das Land, was wir unbedingt mal gesehen haben wollten. Das haben wir für Volkswagen gemacht, um uns voranzubringen, weil wir gemerkt haben, hier findet eine Transformation statt und wir können daran teilhaben. Jetzt kommen wir zurück und bekommen zu hören: ‚Ach übrigens, eure Jobs sind in Gefahr.‘“

Benni

Die Stimmung sei gerade nicht die beste bei ihnen, berichtet Benni. Er hat an der Demonstration teilgenommen, weil er sich dafür stark machen möchte, „dass wir unsere Arbeitsplätze behalten (...) Und dass wir weiterhin zu fairen Löhnen arbeiten können. Und natürlich auch, dass wir weltweit solidarisch dem Stellenabbau entgegenwirken können.“

Viele VW-Arbeiter waren sichtlich wütend über die Dreistigkeit, mit der die Managementspitze einseitig Kürzungen bei ihnen verlangten, anstatt dort zu sparen, wo es wirklich etwas zu sparen gibt.

„Die VW AG hat letztes Jahr über 22 Milliarden Euro Gewinn gemacht“, sagte Nazim aus dem Nutzfahrzeugwerk in Hannover. Nun werde so getan, als ob VW am Bettelstab gehen würde. „Aber das Geld, das eingespart werden soll, kommt nicht uns zugute, sondern einzig und allein den Aktionären.“ Die Milliardäre wollen mehr Geld, so Nazim, der mit dieser Meinung nicht allein stand.

„Wir müssen immer die Zeche zahlen, die Zeche für Milliarden oder Millionen, die die [Aktionäre und Manager] verdienen“, sagte Tino, der im VW-Werk in Zwickau arbeitet. „Ich bin seit 33 Jahren im Unternehmen, aber so einen Zustand hatten wir noch nie.“

Tino

Unterstrichen wurde diese Feststellung von einem Schreiben des Unternehmens über die interne Kommunikationsplattform 360°. Darin wird den 130.000 Beschäftigten noch einmal klar gemacht, weshalb sie mit der Schließung ihrer Werke und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes konfrontiert sind: „Vor zehn Jahren – 2013 – erwirtschaftete die Marke VW eine Marge von 2,9 Prozent, Stellantis, 2,0 Prozent und Renault 1,3 Prozent.“ Während VW aktuell bei einer Rendite von 4,1 Prozent liege, „agiert Renault mittlerweile auf einem Level von 6,9 Prozent, Stellantis gar auf 11,8 Prozent“.

Das ist der Hauptgrund, weshalb der Vorstand das Arbeitsplatzmassaker ankündigt. Die Rendite oder Marge geht ausschließlich an die Aktionäre in Form der Dividende. Das ganze Gerede über Investitionen in die Transformation zur Elektromobilität und die Produktion preisgünstiger Fahrzeuge, die sich die von Reallohnsenkungen getroffene Bevölkerung leisten kann, soll davon ablenken. Die Aktionäre – zum Großteil die Familien Porsche/Piëch (Vermögen: 42 Milliarden Euro), dann das Scheichtum Katar und das von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geführte Land Niedersachsen sowie zu einem geringeren Anteil die Fonds- und Aktiengesellschaften – verlangen immer mehr Geld.

Die IG Metall und ihr VW-Betriebsrat schlagen nicht vor, die Dividende zu kürzen – in diesem Jahr 4,5 Milliarden Euro. Sie haben bereits ins Spiel gebracht, die Kosten durch die Einführung einer Vier-Tage-Woche mit entsprechenden Lohneinbußen sowie verschiedenen Formen der sozialverträglichen Arbeitsplatzvernichtung zu drücken. Ähnliche Einbußen, etwa beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, waren bereits der Bestandteil des alten, nun von VW gekündigten Beschäftigungssicherungsvertrags, mit der Folge, dass Anfang 2025 die alten Tarifkonditionen gelten und die Personalkosten dann sogar steigen würden.

Dem Ziel, das zu verhindern, galt das erste Treffen am Mittwochmorgen auf dem luxuriösen Tagungszentrum des von der VW-Stiftung wiederaufgebauten Schloss Herrenhausen, der einstigen Residenz der Kurfürsten und Könige von Hannover. Öffentlich wurde im Anschluss darüber kaum was gesagt. Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall, sagte im Anschluss, mögliche Werkschließungen und Entlassungen wurden „nicht konkretisiert, sondern da ist man im Allgemeinen geblieben“. Die Forderung der IG Metall in der Haustarifverhandlung nach 7 Prozent mehr Lohn lehnte der VW-Vorstand ab. „Statt Kostenbelastung brauchen wir Kostenentlastung“, sagte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel.

Ein neuer Verhandlungstermin wurde zunächst nicht vereinbart. Gröger hofft, dass dieser vor Ende November stattfindet.

Dann wird es für das ein oder andere Werk vielleicht schon zu spät sein. Die meist auf fünf Jahre ausgerichteten Investitionsentscheidungen sind dann getroffen. VW-Finanzvorstand Arno Antlitz hatte bereits angekündigt, die Investitionen um 10 Milliarden auf 160 Milliarden Euro zu senken, um die Profitmarge zu erhöhen.

Dies alles zeigt, dass es dringend notwendig ist, dass die VW-Belegschaften selbst aktiv werden. Die IG Metall und ihr Betriebsrat unter Cavallo stehen auf der Seite des Konzerns. Sie beide teilen die Ansicht, dass auf Kosten der Beschäftigten gespart werden muss.

Mitglieder der Sozialistischen Gleichheitspartei verteilten den Gründungsaufruf des Volkswagen-Aktionskomitees. Der beginnt mit der dringlichen Feststellung: „Es müssen sofort Vorbereitungen getroffen werden, um den drohenden Kahlschlag bei VW abzuwehren!“ Abwarten sei keine Option. Der Aufruf richtet sich an alle Arbeiterinnen und Arbeiter – ob Gewerkschaftsmitglied oder nicht – und fordert sie auf, sich dem Aktionskomitee anzuschließen, um sich völlig unabhängig von der IG-Metall-Bürokratie zu organisieren. „Alle Arbeitsplätze an allen Standorten müssen prinzipiell verteidigt werden! Keine Zugeständnisse bei Löhnen, Renten, Errungenschaften!“

Am Dienstag, den 1. Oktober, findet um 19 Uhr das nächste Online-Treffen des Aktionskomitees statt, auf dem diese Fragen diskutiert werden. Wir rufen alle VW-Beschäftigten und ihre Unterstützer auf, daran teilzunehmen. Meldet euch über Whatsapp an +491633378340 und füllt das folgende Formular aus!

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