Perspektive

Bidens Pressekonferenz und die Kriegshysterie des amerikanischen Imperialismus

US-Präsident Joe Biden bei einer Pressekonferenz am letzten Tag des NATO-Gipfels, 11. Juli 2024, in Washington. (AP Photo/Jacquelyn Martin) [AP Photo/Jacquelyn Martin]

Im Anschluss an die Pressekonferenz von US-Präsident Joe Biden am Donnerstag drehte sich die Diskussion in den Medien vor allem darum, ob er sich als Kandidat der Demokratischen Partei für die Wahlen 2024 wird behaupten können oder nicht.

Doch viel bedeutender als das senile Auftreten Bidens ist der politische Wahnsinn, der in seiner Politik und seinen Äußerungen zum Ausdruck kommt. Von diesem Wahnsinn ist nicht er allein, sondern das gesamte politische Establishment und die Medien befallen.

Biden begann die Pressekonferenz mit einer achtminütigen Kriegstirade unter der Flagge der NATO, dem Militärbündnis, das die Speerspitze des globalen Kriegs des amerikanischen Imperialismus bildet. Er erklärte, dass der NATO-Gipfel in Washington ein großer Erfolg gewesen sei, und stellte heraus, dass er den Gipfel geleitet habe.

Das Treffen räumte mit der Behauptung auf, dass sich die NATO nicht direkt im Krieg mit Russland befände. Das Bündnis beschloss, ein NATO-Kommando mit Sitz in Deutschland aufzubauen, NATO-Offiziere nach Kiew zu schicken und Langstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, die in der Läge wären, große Städte weit im russischen Kernland, einschließlich Moskau, zu beschießen.

Mit Blick auf Putin erklärte Biden: „Wieder einmal war ein mörderischer Wahnsinniger auf dem Vormarsch.“ Die einzige Lösung zur Bekämpfung dieses „Monsters“ sei, so Biden, eine massive militärische Eskalation. In Wirklichkeit wurde der russische Einmarsch in der Ukraine durch die ständige Expansion der NATO provoziert. Sie wurde, wie Biden selbst prahlte, dazu genutzt, die Zahl der Mitgliedsstaaten des Militärbündnisses zu erhöhen und es noch weiter an Russlands Türschwelle heranzuführen.

An einem Punkt erklärte Biden mit Blick auf die Angriffe der Ukraine auf russisches Territorium, dass „wir Selenskyj erlaubt haben, kurzfristig amerikanische Waffen einzusetzen“, es aber „keinen Sinn“ machen würde, wenn die Ukraine den Kreml damit angreift.

Bidens Sorge gilt offenbar nicht dem Umstand, dass die Entscheidung, Moskau mit Langstreckenwaffen anzugreifen, einen Atomkrieg und den Tod von Millionen, wenn nicht gar Milliarden Menschen zur Folge hätte. Vielmehr ist er der Ansicht, dass es – zum jetzigen Zeitpunkt – „keinen Sinn“ mache und dies „nicht die beste Art und Weise wäre, die Waffen, die er [Selenskyj] hat, einzusetzen“. Kein Pressevertreter machte sich die Mühe nachzufragen, was Biden unternimmt, um zu verhindern, dass der Krieg zu einer nuklearen Apokalypse eskaliert.

Tatsächlich scheint die gesamte Politik der Vereinigten Staaten, die von den anderen NATO-Mächten auf dem Gipfel unterstützt wurde, darauf ausgerichtet zu sein, eine Reaktion der Putin-Regierung zu provozieren. Diese würde dann als Rechtfertigung für eine weitere Eskalation dienen, wozu auch der direkte Einsatz von NATO-Truppen in dem Konflikt gehören würde.

An anderer Stelle erklärte Biden rhetorisch: „Jeder Amerikaner muss sich die Frage stellen: Ist die Welt durch die NATO sicherer? Sind Sie selbst sicherer? Ist Ihre Familie sicherer?“ Diese Fragen müssen ganz eindeutig mit „Nein“ beantwortet werden. Die gesamte Politik der Biden-Regierung und der NATO-Mächte treibt die Menschheit an den Rand des Abgrunds. Doch niemand aus den Reihen der Presse stellt die Behauptung in Frage, dass eine Eskalation des globalen Kriegs im Interesse des „amerikanischen Volkes“ sei.

Einerseits mag Biden an Altersschwäche leiden, doch sind andererseits diejenigen, die ihn auf der Konferenz befragten, von Ignoranz und Dummheit befallen. Ihr Interesse galt viel mehr den jüngsten Äußerungen des millionenschweren Schauspielers George Clooney sowie aus den Reihen der Spender der Demokratischen Partei als der Frage, welche Folgen es hat, wenn der Krieg gegen Russland weiter eskaliert.

Zum anhaltenden Völkermord in Gaza sagten sowohl Biden als auch die Pressevertreter fast nichts. Die jüngste Studie der Fachzeitschrift The Lancet, in der die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen infolge des amerikanisch-israelischen Kriegs auf 186.000 oder mehr geschätzt wird, d. h. auf mindestens 8 Prozent der Gesamtbevölkerung vor dem Krieg, wurde nicht erwähnt. Als Antwort auf eine Frage, die dann doch gestellt wurde, bekräftigte Biden seine volle Unterstützung für Israel und machte die verlogene Aussage: „Ich baue keine 2.000-Pfund-Bomben“ für Israel. Weiter erklärte er, dass diese „weder im Gazastreifen noch irgendeinem anderen bewohnten Gebiet eingesetzt werden [können], ohne dabei großen menschlichen Schaden anzurichten“.

Doch erst vor zwei Wochen veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters einen Bericht darüber, dass Biden seit Oktober mehr als 10.000 eben jener 2.000-Pfund-Bomben an Israel geliefert hat, die ganze Wohnblöcke zerstören.

Die Presse – das, was man früher als „Vierte Gewalt“ bezeichnete – ist vollständig in den Geheimdienstapparat integriert. Bidens Darstellung des Kriegs in der Ukraine und sein Beharren darauf, dass er „gewonnen“ werden müsse, wurden nicht in Frage gestellt.

Stattdessen verwies David Sanger, der wichtigste außenpolitische Kommentator der New York Times, auf die aggressive, gegen China gerichtete Wortwahl aus dem NATO-Kommuniqué und verlangte zu erfahren, was die NATO tue, um die Beziehungen zwischen China und Russland zu „stören“, und ob ein wiedergewählter Präsident Biden in drei Jahren in der Lage sein werde, sich bei einem Treffen mit Präsident Xi „zu behaupten“.

Die Pressekonferenz wurde als entscheidende Prüfung für Biden nach seinem Debakel in der Debatte gegen Trump vor zwei Wochen bezeichnet. Kurz nach dem Ende der Pressekonferenz gaben fünf weitere Demokraten im Repräsentantenhaus Erklärungen ab, in denen sie Biden aufforderten, seine Kandidatur zu beenden, damit er durch einen Demokraten ersetzt werden könne, der Trump im November besiegen könne. Damit stieg deren Zahl bis zum Freitagmorgen auf 18 sowie einen amtierenden Senator, Peter Welch aus Vermont.

Der Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Joseph Kishore, erklärte in einem gestern auf X veröffentlichten Statement: „Was bei den Diskussionen über Bidens Schicksal als Kandidat der Demokratischen Partei bei den Wahlen 2024 am meisten auffällt, ist die Abwesenheit wirklicher politischer Differenzen. Sämtliche Fraktionen unterstützen die massive Eskalation des imperialistischen Kriegs, durch die der Menschheit eine Katastrophe droht.“

Kishore fügte hinzu:

Besonders hervorzuheben ist die Position von Alexandria Ocasio-Cortez und anderen Mitgliedern der Democratic Socialists of America (DSA), die Biden am aggressivsten verteidigen. Ungeachtet ihrer unaufrichtigen und heuchlerischen Kritik am Völkermord in Gaza stehen die DSA voll hinter der Politik des amerikanischen Imperialismus. Sie sind nichts als eine Fraktion der Demokratischen Partei.

Falls die Demokraten letztlich einen anderen Kandidaten aufstellen, dann wird dies nicht geschehen, um einen Politikwechsel durchzusetzen, sondern um sicherzustellen, dass die extreme Rücksichtslosigkeit, die sich auf Bidens Pressekonferenz gezeigt hat, auf eine effektivere Weise umgesetzt wird.

Man muss an der Demokratischen Partei der Vergangenheit nichts beschönigen, doch es lohnt sich, daran zu erinnern, dass im Vorfeld der Wahlen von 1968 die heftigen Konflikte und die Krise innerhalb der Demokraten mit Konflikten über den Verlauf des Vietnamkriegs zusammenhingen. Solche Differenzen gibt es heute nicht mehr.

Der gesamte Wahlprozess wird von dem Prinzip der Oligarchie beherrscht. Alle Entscheidungen, auch die über Bidens persönliches Schicksal, werden von einer Handvoll milliardenschwerer Geldgeber getroffen sowie von politischen Figuren, die den militärisch-geheimdienstlichen Teil des Staatsapparats beherrschen. Die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung, der Arbeiterklasse, bleiben völlig außen vor.

In dieser politischen Situation besteht die wesentliche Aufgabe der Arbeiterklasse darin, ihre unabhängigen Interessen gegenüber den Demokraten und den Republikanern und dem gesamten kapitalistischen System zum Ausdruck zu bringen.

Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party veranstalten am 24. Juli in Washington D.C. eine Kundgebung und ein Treffen anlässlich der Rede des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress. Ziel dieser Kundgebung ist es, die politische Ausrichtung und Strategie für eine Massenbewegung gegen den Völkermord in Gaza und den US-Imperialismus darzulegen.

Wir rufen alle Arbeiter und Jugendlichen auf, sich aktiv an dieser Kundgebung zu beteiligen.

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