Neue Volksfront bekennt sich im französischen Wahlkampf zum Krieg

Die Ereignisse bestätigen in rasantem Tempo, dass das Wahlbündnis Neue Volksfront, das Jean-Luc Mélenchon für die vorgezogenen französischen Parlamentswahlen gegründet hat, eine politische Falle ist. Nach den Europawahlen vom 9. Juni, der einen Rechtsruck erbrachte, wollen viele Arbeitenden einen weiteren Sieg der Rechtsextremen verhindern. Aber die Neue Volksfront vertritt eine Kriegspolitik, die mit den Interessen des französischen Imperialismus und denen von Emmanuel Macron, dem „Präsidenten der Reichen“, kompatibel ist.

Am Montag veranstaltete die Neue Volksfront ihre erste Kundgebung in Montreuil bei Paris. Als Redner traten führende Mitglieder der vier wichtigsten Parteien der Neuen Volksfront auf: François Ruffin von Mélenchons Partei La France insoumise (LFI, Unbeugsames Frankreich), Clémentine Autain von der LFI, die vormals der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) angehörte, Marine Tondelier von den Grünen und Olivier Faure von Hollandes Parti Socialiste (PS, Sozialistische Partei).

Ruffin, der zur Gründung der Neuen Volksfront aufgerufen hatte, behauptete dort: „Wir haben noch nicht gewonnen, aber wir haben gegen das Abgleiten in das Schlimmste und das Gefühl der Resignation gewonnen.“

Der PS-Vorsitzende Olivier Faure forderte: „Lasst uns einen Eid schwören, einander niemals im Stich zu lassen.“ Er erklärte, er lehne es ab, die Neue Volksfront mit dem rechtsextremen Rassemblement National (RN, Nationaler Zusammenschluss) „gleichzusetzen“, und wies damit die offiziellen Antisemitismusvorwürfe gegen Mélenchon wegen dessen Solidaritätsbekundungen mit Gaza zurück. Faure erklärte, in der Neuen Volksfront gebe es „Menschen, die manchmal laut sind, die manchmal gewisse Franzosen verärgern (...) Aber sie verteidigen ein Programm der Gerechtigkeit“.

Allerdings hatte vor der Kundgebung der ehemalige PS-Europawahlkandidat Raphaël Glucksmann deutlich gemacht, dass die Grundlage dieses Bündnisses die Unterstützung der globalen imperialistischen Kriegspläne ist. Er unterstützt die Nato-Intervention in der Ukraine gegen Russland und hat geleugnet, dass Israel in Gaza einen Völkermord begeht.

Gleichzeitig mit der Leugnung des Gaza-Genozids wiederholte Glucksmann die anti-chinesische Kriegspropaganda der Nato und erhob haltlose Anschuldigungen gegen China wegen des angeblichen Völkermords an den Uiguren in Xinjiang.

Glucksmann erklärte, die Neue Volksfront unterstütze die Eskalation gegen Russland, und wies Mélenchons frühere Äußerungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine zurück. Unter Berufung auf Gespräche innerhalb der Neuen Volksfront über das Wahlprogramm erklärte er:

Es war ein ideologisches Kräftemessen, es war hart. Aber wir haben ein sehr klares Bekenntnis zu Waffenlieferungen an die Ukraine, zu den Grenzen der Ukraine und zur unerschütterlichen Unterstützung für den ukrainischen Widerstand erreicht.

Macron reagierte darauf, indem er am Montag seine Unterstützung für die Neue Volksfront signalisierte. Seine Partei Renaissance erklärte, sie werde keinen Kandidaten gegen François Hollande aufstellen, den allgemein verhassten früheren Präsidenten, den die Neue Volksfront als PS-Mitglied zum Kandidaten für einen Parlamentssitz in der Region Corrèze benannt hat. Macron erklärte, die Entscheidung sei ein Ausdruck des „Respekts vor [Hollandes] ehemaliger Position“ als Präsident Frankreichs.

Die Kriegspläne der Nato gegen Russland stehen im Mittelpunkt von Macrons Kalkül. Er hat die vorgezogenen Neuwahlen in zwei Runden für den 30. Juni und den 7. Juli anberaumt, praktisch parallel zu dem Datum vom 4. Juli, für den auch der britische Premierminister Rishi Sunak ebenfalls Neuwahlen angesetzt hat. Sowohl Großbritannien als auch Frankreich werden also noch vor dem Nato-Kriegsgipfel in Washington am 9. Juli neue Regierungen haben. Macron und andere Nato-Vertreter haben bereits die Entsendung von Truppen in die Ukraine gefordert, und der Nato-Gipfel soll eine direkte Nato-Intervention gegen Russland vorbereiten.

Macrons Entscheidung für vorgezogene Wahlen ist ein verzweifelter Versuch, die Staatsmaschinerie auf einen Krieg gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land vorzubereiten, damit sie im Ausland Krieg gegen Russland führen kann. Um die damit verbundene Erhöhung der Militärausgaben zu finanzieren, hatte Macron letztes Jahr per Dekret die Renten gekürzt. Er tat dies gegen den überwältigenden Widerstand der Mehrheit der Bevölkerung, die mit Streiks und Massenprotesten reagierte. Diese Streiks und Proteste wurden allgemein, selbst von kapitalistischen Medien, als die schwerste politische Krise Frankreichs seit dem Generalstreik im Mai 1968 bezeichnet.

Die militärische Eskalation gegen Russland, die die Nato jetzt plant, wird ebenso von der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit abgelehnt. Laut einer Umfrage lehnen 68 Prozent der Franzosen, 80 Prozent der Deutschen und 90 Prozent der Polen Macrons Forderung nach einer Entsendung von Nato-Truppen in den Krieg gegen Russland ab. Die Frage, die Macron mit dieser Wahl nun lösen will, lautet: Welche Regierung kann diese extrem rücksichtslose Eskalation, die einen Atomkrieg auslösen könnte, am besten gegen die Arbeiter durchsetzen.

In dieser angespannten Situation herrscht über das Wahlergebnis enorme Unsicherheit. Umfragen sehen den Rassemblement National (RN) bei 33 Prozent der Stimmen, die Volksfront bei 25 Prozent und Macrons Koalition bei 20 Prozent. Die rechte Partei Les Républicains (LR, Die Republikaner) käme auf sieben Prozent, die rechtsextreme Partei Reconquête! (R!, Rückeroberung) auf drei Prozent, und der Rest entfiele auf verschiedene kleinere Parteien, von denen die meisten mit der Volksfront verbündet sind.

Da Macron mit seiner eigenen Partei keine Mehrheit in der Nationalversammlung zusammenbringt, stellt sich die Frage, ob er eine Regierung mit dem RN oder der Volksfront bilden würde. Die Bild-Zeitung hatte sich letzte Woche auf die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, berufen, die in der CDU gesagt haben soll, Macron erwäge, den RN an die Macht zu bringen. Laut von der Leyen soll Macron gesagt haben, der RN werde auf diese Weise an Popularität verlieren, und das werde in Frankreich zu einer dauerhaften Desillusionierung über die Rechtsextremen führen.

Solche Berichte und die weit verbreitete Opposition gegen Macrons repressives Regime in Frankreich haben neue Proteste ausgelöst. Die Wut über Macrons Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen ist groß. Allerdings ist es zutiefst zynisch, wenn Abgeordnete, Akademiker und kleinbürgerliche Funktionäre nun versuchen, mit der Neuen Volksfront von dieser Wut zu profitieren.

Mit der strategischen Ausrichtung der LFI auf die PS bietet sich die Neue Volksfront als weitere kapitalistische Regierungs- und Kriegspartei an. Bei den Wahlen von 2022 hatte Mélenchon angeboten, als Premierminister unter Macron oder sogar unter einem neofaschistischen Präsidenten zu dienen. Dass Mélenchon es begrüßt, dass die Neue Volksfront Hollande in Corrèze antreten lässt, bestätigt diese Ausrichtung. Hollande ist allgemein verhasst. Er hat in seiner Amtszeit als Präsident Sparmaßnahmen verhängt, den Ausnahmezustand ausgerufen, demokratische Rechte außer Kraft gesetzt und das afrikanische Mali überfallen.

In der Tat ist die Forderung von La France insoumise nach einer Volksfront keine leere Rhetorik oder Demagogie. Mélenchon trat kurz nach dem Generalstreik vom Mai 1968 in die Politik ein und schloss sich Pierre Lamberts Organisation communiste internationaliste (OCI) an, zu einer Zeit, als diese mit dem Trotzkismus und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) brach. Als er 1976 in die PS eintrat und schließlich Senator und Minister wurde, war sich Mélenchon der Kritik Trotzkis an der konterrevolutionären Rolle des Stalinismus und der Volksfront durchaus bewusst.

Die Liberalen, Sozialdemokraten und Stalinisten der Volksfront von 1934–1938 verhinderten während des Generalstreiks von 1936 einen Kampf der Arbeiterklasse für die Machtübernahme und den Sozialismus. Die von ihnen gebildete kapitalistische Regierung unterdrückte dann die Streiks, die in den folgenden zwei Jahren ausbrachen, mit brutaler Gewalt. Die Volksfront vereitelte damit die letzte große Chance in Europa, die Revolution zum Sieg zu führen und den Zweiten Weltkrieg aufzuhalten. Letzten Endes stimmte die Mehrheit der liberalen und sozialdemokratischen Abgeordneten Frankreichs im Jahr 1940 dafür, dem Nazi-Kollaborateur Philippie Pétain diktatorische Vollmachten zu übertragen.

Auch wenn Mélenchon 2009 die PS verlassen hat, um zuerst die Parti de Gauche und später die LFI zu gründen, behielt er diese grundlegende Orientierung bei, Ihre Grundlage ist die Zurückweisung des Trotzkismus und die Strangulierung und Entwaffnung der Arbeiterklasse. Das Wesen besteht darin, einen revolutionären Kampf für Arbeitermacht und Sozialismus zu verhindern.

Dies hat sich bereits im letzten Jahr auf drastische Weise gezeigt, als Mélenchon bei den Kämpfen gegen Macrons Rentenkürzungen eine üble Rolle spielte. Das Bündnis aus LFI, PCF und PS richtete damals leere moralische Appelle an Macron und unterstützte die Entscheidung der Gewerkschaftsbürokratie, die Streiks abzubrechen und zu beenden.

Notwendig ist eine scharfe Warnung: Die Neue Volksfront versucht zwar, die Wut der Arbeiterklasse gegen den Neofaschismus auszunutzen, aber sie spricht für pro-imperialistische Schichten des Kleinbürgertums, die weder Krieg noch Diktatur ablehnen. Die Arbeiterklasse muss eine wirkliche Bewegung gegen imperialistischen Krieg, Sparmaßnahmen und Kapitalismus aufbauen, aber dies ist nur durch den Kampf gegen die Neue Volksfront möglich. Dieser Kampf ist untrennbar mit dem Kampf für den Trotzkismus und gegen Stalinismus und Volksfrontideologie verbunden.

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