In den letzten Monaten wurden in den arktischen Regionen Norwegens, Schwedens und Finnlands militärische Aktivitäten verzeichnet, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr vorgekommen sind. Eine große Nato-Übung, an der Zehntausende Soldaten teilnehmen, jagt die nächste. Die USA haben ihre bilateralen Verteidigungsabkommen mit Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden erweitert, um so etwas wie ein massives amerikanisches Aufmarschgebiet für eine Invasion Russlands von Norden her zu schaffen.
In den ersten beiden Märzwochen nahmen rund 20.000 Nato-Soldaten aus 13 Ländern an der Übung Nordic Response 2024 teil. Die Übung war der Nachfolger des langjährigen, alle zwei Jahre stattfindenden norwegischen Manövers Cold Response, das nach dem Beitritt Schwedens und Finnlands zu dem aggressiven Militärbündnis unter Führung der USA um diese Länder erweitert wurde. Der Einsatz umfasste große Kontingente von Boden-, Luft- und Seestreitkräften in einer simulierten Schlacht, die durch die Invasion eines „fiktiven Gegners“ ausgelöst wurde. Im Rahmen der Übung wurde erstmals ein gemeinsames nordisches Luftoperationskommando erprobt, bei dem die Luftstreitkräfte Dänemarks, Finnlands, Norwegens und Schwedens von einem Stützpunkt in Bodo in Nordnorwegen aus gesteuert wurden.
„Nordic Response“ war Teil der umfassenderen „Steadfast Defender“–Mobilisierung, einer Reihe kontinuierlicher militärischer Manöver, an denen 90 000 Nato-Angehörige beteiligt sind und die im Januar begannen und bis Juni andauern. Das Einsatzgebiet erstreckt sich von der Arktis über die nordischen und baltischen Regionen bis nach Mitteleuropa. In der ersten Phase umfasste die Übung den Transport von US-Militärpersonal über den Atlantik, um europäische Nato-Mitglieder in einem Kriegsszenario zu unterstützen. In der nächsten Phase, die bereits weit fortgeschritten ist, geht es um den Transit amerikanischer Soldaten von ihren Landeplätzen entlang der nordischen Küste in Richtung der russischen Grenze.
Die Operation Immediate Response begann Ende April, als ein Frachtschiff mit großen Mengen an US-Militärgütern im nordnorwegischen Hafen von Narvik anlegte. Im Rahmen der Übung wird die Ausrüstung der 10. Gebirgsdivision der US-Armee auf dem Schienen- und Straßenweg durch Schweden nach Finnland transportiert, wo sie im Rahmen des Manövers Nordwald eingesetzt wird. Rund 1.600 US-Soldaten und 200 Militärfahrzeuge trafen in der vergangenen Woche in Finnland ein, nachdem sie die 550 Kilometer lange Strecke zurückgelegt hatten. Ein weiterer Standort für die Übung weiter südlich war Kalundborg in Dänemark, wo ebenfalls militärisches Gerät an Land gebracht wurde. „Diese Operation ist im Rahmen der Nato von großer Bedeutung. Sie zeigt die Fähigkeit und den Willen der Amerikaner zur schnellen Verlegung und unsere Fähigkeit, ein Transitland zu sein“, kommentierte Oberst May Brith Valen-Odlo von den norwegischen Streitkräften. „Im Einklang mit den neuen Plänen der Nato könnten wir schnell zu einem Transitland werden, um Streitkräfte aufzunehmen, vorzubereiten und über Schweden und Finnland zu entsenden.“
Das letzte Mal, dass Norwegen und Schweden als „Transitländer“ dienten, war für Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Einmarsch der Nazis in das Land und der Errichtung eines Marionettenregimes unter Vidkun Quisling im April 1940 wurde die Armee Norwegen der Wehrmacht aufgestellt. Im Rahmen des anschließenden Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion im Juni 1941 wurde die 163. Infanteriedivision von Norwegen über das neutrale Schweden verlegt, um die finnische Armee beim Überfall auf die Sowjetunion zu unterstützen. Der Vormarsch der Nazis an dieser Front führte die Truppen bis auf 30 Kilometer an Leningrad heran, das die finnischen Soldaten gemeinsam mit ihren Verbündeten blockierten. Befehlshaber der Armee Norwegens leiteten Operationen gegen die sowjetischen Truppen in Lappland.
In den Monaten vor den letzten großen Nato-Manövern schlossen die USA eine Reihe bilateraler Abkommen mit den nordischen Ländern, um sich den uneingeschränkten Zugang zu Dutzenden von Militäreinrichtungen in Schlagdistanz zur russischen Grenze zu sichern. Drei Abkommen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (DCA), die im Dezember 2023 mit Finnland, Schweden und Dänemark geschlossen wurden, und ein aktualisiertes DCA, das im Februar 2024 mit Norwegen abgeschlossen wurde, decken insgesamt 47 „vereinbarte Einsatzgebiete“ in den vier Ländern ab. In einem „vereinbarten Gebiet“, das in der Regel mit einer Militärbasis oder einem Truppenübungsplatz verbunden ist, können US-Soldaten frei operieren und Material lagern, das bei künftigen Einsätzen verwendet werden soll. Insgesamt 15 dieser „vereinbarten Gebiete“ befinden sich in den arktischen Regionen Finnlands, Norwegens und Schwedens, nahe der russischen Grenze zu Norwegen und Finnland. Amerikanische Militärangehörige haben auch die Befugnis, in den „vereinbarten Gebieten“ oder in deren „unmittelbarer Nähe“ Gewalt über Zivilisten auszuüben. In „Extremfällen“ kann diese Befugnis über die „unmittelbare Umgebung“ eines „vereinbarten Gebiets“ hinaus ausgedehnt werden. Die Abkommen machen deutlich, dass die USA das Privileg genießen, ihre Soldaten nach amerikanischem Recht für alle Verbrechen zu belangen, die sie im Dienst oder außerhalb des Dienstes begehen.
Die Initiative für diese Abkommen, die an das Diktat einer neokolonialen Macht über ihre besetzten Gebiete erinnern, ging von den Vereinigten Staaten aus. Die US-Regierung nennt das erste DCA, das 2021 mit Norwegen vereinbart wurde, eine „unverzichtbare Vorbedingung“ für weitere US-Investitionen in die militärische Infrastruktur des Landes. Der amerikanische Imperialismus betrachtet den Zugang zur Arktis als unverzichtbar unter Bedingungen, unter denen der Klimawandel die Region für die Ausbeutung von Ressourcen und den interkontinentalen Handel öffnet. Washington ist entschlossen, die eigene dominante Position im hohen Norden auf Kosten Russlands, Chinas und anderer potenzieller Rivalen zu sichern. Dazu gehören auch die europäischen Verbündeten, die allerdings, angeführt vom deutschen Imperialismus, ihre eigene Präsenz in der Region ausbauen.
Auch zwischen den nordischen Ländern selbst wird die militärische Zusammenarbeit drastisch ausgebaut. Das Nordische Verteidigungskommando (NORDEFCO) wurde 2009 von Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden gegründet. Die Zusammenarbeit diente zunächst vor allem dazu, den finnischen und schwedischen Streitkräften die Teilnahme an Nato-Übungen zu ermöglichen und Erfahrungen mit der Ausbildung und dem Einsatz von Nato-Ausrüstung nach den Standards der Allianz zu sammeln. Jetzt jedoch, da alle Staaten der Nato angehören, wird die Kommandostruktur konsolidiert, um die nordischen operativen Fähigkeiten zu integrieren.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Kürzlich hat NORDEFCO die neue Strategie „Vision 2030“ vorgestellt, die ein „energisches gemeinsames Handeln“ in acht Verteidigungs- und Sicherheitsbereichen vorsieht. In der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter erklärten die Verteidigungsminister Dänemarks, Finnlands, Norwegens und Schwedens sowie der isländische Außenminister: „Insgesamt verfügen wir über ein einzigartiges Wissen über den Nordatlantik, die Arktis und die Ostsee sowie über eine fast 1.500 Kilometer lange Landgrenze zu Russland. Insgesamt verfügen wir über 250 Kampfflugzeuge und 350.000 Soldaten. Gemeinsam werden wir in der Lage sein, die Voraussetzungen für die Aufnahme, den Einsatz und die Weiterverlegung von verbündeten Truppen in und durch unsere Länder zu schaffen.“
Ein Schwerpunkt ist die Stärkung der „Abschreckung und Verteidigung“ der nordischen und euro-atlantischen Region durch die Verbesserung der operativen Zusammenarbeit. Kürzlich fand auf den Färöer-Inseln eine NORDEFCO-Tagung statt, auf der die militärischen Optionen der Nato erörtert wurden, die sich von Grönland im Westen, wo die USA seit dem Zweiten Weltkrieg eine Militärpräsenz unterhalten, über Island, das sich beim Luftschutz auf die Nato-Verbündeten verlässt, da es keine eigenen Streitkräfte hat, bis hin zu den nordischen Ländern in der Arktis und im Baltikum erstrecken. Das Bündnis zielt auch darauf ab, die „Unterstützung der Gastländer und die logistische Unterstützung“ für Truppen anderer Nato-Verbündeter, die in der Region operieren, die Zusammenarbeit bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern und die „nordische Verteidigungsindustrie“ zu stärken, um die Zuverlässigkeit der Versorgungslinien zu verbessern.
Das Strategiedokument unterstreicht, dass das Ziel darin besteht, alle Bereiche der Gesellschaft dem Ziel der Kriegsführung unterzuordnen. NORDEFCO strebt eine „Gesamtverteidigung an, um in allen Bedrohungsszenarien und -situationen eine angemessene Unterstützung des Verteidigungssektors durch alle Bereiche der Gesellschaft zu gewährleisten“, heißt es in dem Dokument.
Von allen nordischen Ländern ist Finnland bei der Umsetzung einer Strategie der „totalen Verteidigung“ am weitesten gegangen. Bei einer Bevölkerung von knapp 5,5 Millionen Einwohnern kann es mehr als eine Viertelmillion Soldaten schnell mobilisieren und hat rund 900.000 Mitglieder in der militärischen Reserve. Finnland hat kürzlich fast 10 Milliarden Dollar für den Kauf von 64 F-35-Kampfjets von Lockheed Martin ausgegeben, was dem Kauf von rund 1.000 dieser Flugzeuge durch ein Land von der Größe Deutschlands entspricht.
Bei einem Besuch in Berlin in der vergangenen Woche erhielt der finnische Präsident Alexander Stubb viel Zuspruch für seinen Appell an andere Länder, „es Finnland gleichzutun“. Nach Ansicht des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, dessen Regierung die Militärausgaben massiv erhöht und Deutschlands globale imperialistische Ambitionen wiederbelebt hat, kann Deutschland viel vom finnischen Ansatz lernen. „Wir würden gerne von den finnischen Erfahrungen mit dem Nachbarn Russland lernen“, sagte Scholz im Zusammenhang mit Stubbs Besuch. „Wir sind auch an der finnischen Herangehensweise an den Zivilschutz interessiert.“