Die Tatsache, dass die Financial Times (FT) den Kommentar einer führenden Journalistin über den steigenden Goldpreis veröffentlicht hat, zeigt, dass das Thema in Finanzkreisen allmählich Besorgnis erregt. Offensichtlich geht die Frage um, was dies für die Stabilität des auf dem US-Dollar basierenden Weltwährungssystems bedeutet.
Der Artikel von Rana Foroohar vom 15. dieses Monats trägt den Titel: „Gold ist zurück - und es hat eine Botschaft für uns“. Er beginnt mit den Worten: „Es ist leicht, sich über Goldbugs lustig zu machen, aber ihre Zeit könnte endlich gekommen sein.“ [Als „Goldbugs“ werden im Finanzjargon Personen bezeichnet, die Gold als sicheren Vermögenswert und als Investition bevorzugen.]
Foroohar nennt mehrere direkte Faktoren für den Anstieg des Goldpreises von rund 1.800 Dollar im vergangenen Jahr auf heute fast 2.400 Dollar. Solche Faktoren sind die unerwartet hohe Inflation in den USA, geopolitische Sorgen, die US-Präsidentschaftswahlen und die Unsicherheit über die Geldpolitik.
Aber auch längerfristige Entwicklungen spielen eine Rolle. Dazu gehört eine länger anhaltende höhere Inflation, die – nebst einem „technologiegetriebenen Produktivitätswunder“ – offenbar eine reale Perspektive ist.
Als einen besonders wichtigen Aspekt nennt Foroohar die tiefgreifende Veränderung der globalen Wirtschaftsordnung.
„Es ist kein Geheimnis: Der Washington Consensus ist vorbei (er hatte von den Schwellenländern erwartet, sich den vom Westen aufgestellten Regeln des freien Markts zu beugen), und auch die Pax Americana der Nachkriegszeit ist vorbei.“
Im Handel mit China verschärfen sich die Spannungen. Die Aufwertung des Dollars nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine (als die USA und die europäischen Mächte die Gelder der russischen Zentralbank einfroren) „hat in vielen Ländern, vor allem in China, die Tendenz zum Verkauf von Schatzanweisungen und zum Kauf von Gold beschleunigt, um sich gegen die finanzielle Macht Amerikas abzusichern“.
Was die Autorin als „Pendelschlag“ bezeichnet, ist für viele Analysten Anlass zur Vorhersage eines „massiven Anstiegs des Goldpreises“.
Zwei Wirtschaftsstrategen von BNP Paribas Fortis, einer großen europäischen Bank, sagten voraus, dass der Goldpreis in „nicht allzu ferner Zukunft“ von seinem derzeitigen Stand von 2.347 US-Dollar pro Feinunze - was in monetärer Hinsicht bereits ein (wenn auch nicht inflationsbereinigter) Rekord ist – auf 4.000 US-Dollar steigen könnte.
Ein Analyst drückte es so aus: „Es geht nicht nur um den Zinssatz. Die Leute sichern sich gegen eine neue Welt ab.“
Diese „neue Welt“ ist vor allem durch Krieg und die Aufteilung der Welt in wirtschaftlich und politisch rivalisierende Blöcke gekennzeichnet. Eine Reihe von Ländern, nicht nur China, ist auf der Suche nach Möglichkeiten zur Abwicklung von Handelsgeschäften in ihrer eigenen Währung, unter Umgehung des Dollars.
In einem im Artikel zitierten Bericht der Currency Research Association heißt es: „China kauft Gold und verkauft Staatsanleihen. Das erinnert an die europäischen Zentralbanken, die Ende der 1960er Jahre, als das Bretton-Woods-System zusammenbrach, begannen, Dollar gegen Gold einzutauschen.“
Das System von Bretton Woods hatte den US-Dollar als Weltwährung etabliert mit dem Ziel, das internationale Finanzsystem, das durch die Große Depression in den 1930er Jahren zusammengebrochen war, wieder in Gang zu bringen. Der Dollar war damals mit Gold zu einem Kurs von 35 Dollar pro Unze gedeckt.
Das System war jedoch durch einen tiefgreifenden Widerspruch gekennzeichnet, der zu Beginn der 1960er Jahre zum Ausdruck kam. Um zu funktionieren, mussten Dollar aus den USA in den Rest der Welt fließen, um Handel und Investitionen zu finanzieren. Gleichzeitig untergruben die Dollar, die sich außerhalb der USA anhäuften, die Fähigkeit der USA, sie in Gold einzulösen.
Aufgrund der enormen Stärke der Vereinigten Staaten im Vergleich zu den anderen großen kapitalistischen Mächten stellte dies zunächst kein Problem dar. Doch mit der Erholung dieser Volkswirtschaften von den Verwüstungen des Kriegs und der Einführung produktiverer industrieller Methoden wurde die Konkurrenzfähigkeit der USA untergraben.
Die Wende kam, als die US-Handelsbilanz ins Negative geriet. Dies veranlasste US-Präsident Nixon, am 15. August 1971 die Golddeckung des Dollars aufzuheben.
Seit diesem Zeitpunkt arbeitet die Welt mit dem Dollar als einer globalen Fiat-Währung. Anders als Gold, das einen Gegenwert verkörpert, haben Papierdollars keinen inneren Wert. Sie können, solange sie von der wirtschaftlichen Macht des US-Staates und seines Finanzsystems gestützt werden, als Welt-Geld fungieren, indem sie Handel, Investitionen und Kredite erleichtern und als Wertaufbewahrungsmittel dienen.
Diese Macht wird heute mehr und mehr in Frage gestellt. Sie wurde durch die Weltfinanzkrise 2008 schwer erschüttert, die ihren Ursprung in der Spekulationswut amerikanischer Banken hatte. Ohne massive Interventionen der US-Notenbank hätte sie zum Zusammenbruch des Weltfinanzsystems geführt.
Seither gab es weitere schwere Schocks, die das Finanzsystem erschütterten, beispielsweise die Corona-Pandemie, die im März 2020 ausbrach. Der US-Schatzmarkt war tagelang eingefroren - es gab keine Käufer für US-Schuldpapiere, die angeblich sicherste Geldanlage der Welt - und die Fed musste erneut mit rund 4 Billionen Dollar intervenieren.
Die Rolle des US-Dollars hat dem US-Imperialismus in der Vergangenheit enorme Vorteile verschafft. Er hat es dem US-Imperialismus erlaubt, Defizite und Schulden anzuhäufen, von denen ein großer Teil in die Finanzierung von Militärausgaben und Kriegsführung geflossen sind, wie es in keiner anderen Volkswirtschaft der Fall war.
Inzwischen gibt es sehr deutliche Anzeichen dafür, dass sich als Folge dieses Prozesses eine neue Krise anbahnt, die Parallelen zu der von 1971 aufweist, allerdings auf einem viel höheren Niveau.
Die Anhäufung der US-Staatsschulden werde „schnell unhaltbar“, so Foroohar in ihrem Kommentar, in dem sie die Stimmung auf höchster Ebene des US-Finanzsystems, einschließlich des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell, wiedergibt.
„Die jüngsten Prognosen des Congressional Budget Office (CBO) gehen davon aus, dass die US-Verschuldung Ende dieses Jahres 99 Prozent des BIP erreichen wird und bis 2054 auf 172 Prozent ansteigt. Wenn dies eintritt, wird es zu einer Monetarisierung [eine Situation, in der schuldenbasierte Vermögenswerte im Wesentlichen wertlos werden], Inflation, finanzieller Repression und einer Periode extremen Chaos in der Geldpolitik und auf den Märkten kommen.“
Eine solche Situation wird nicht erst in 30 Jahren eintreten. Sie ist aufgrund des immer schneller wachsenden Schuldenbergs bereits heute eine zunehmende Realität. Das Problem konnte verdrängt werden, als die Zinsen aufgrund des quantitativen Lockerungsprogramms der Fed nahe Null lagen.
Das ist jetzt nicht mehr der Fall, denn der Leitzins liegt bei rund 5 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren.
Laut CBO wird das US-Haushaltsdefizit in den nächsten zehn Jahren um fast zwei Drittel von 1,6 Billionen auf 2,6 Billionen Dollar steigen, wobei drei Viertel dieses Anstiegs auf Zinszahlungen entfallen, mehr als der aufgeblähte Militärhaushalt.
Der Direktor des CBO, Phillip Swagel, wies letzten Monat in einem Interview mit der FT auf die Möglichkeit einer Finanzkrise in naher Zukunft hin.
Er sagte, die US-Haushaltslage sei auf einem „beispiellosen“ Weg, der das Risiko einer Finanzkrise im Stil von Liz Truss erhöhe: Die kurzzeitige britische Premierministerin hatte im September 2022 versucht, Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche durch Schuldenaufnahme zu finanzieren.
Die aktuelle Situation wirft entscheidende soziale, wirtschaftliche und politische Fragen auf.
Manchmal scheint es, dass das Finanzsystem weit jenseits des täglichen Lebens operiert und sogar eine Art Scheinwelt darstellt, in der die Zentralbanken auf Knopfdruck Geld aus dem Nichts schaffen können. Aber letztendlich zählt der Wert, der in der Realwirtschaft aus der Arbeiterklasse herauszupressen ist.
Wie die bitteren Erfahrungen von 2008 gezeigt haben, bedeutet eine Finanzkrise weitreichende Angriffe auf Löhne, vernichtet Arbeitsplätze und untergräbt lebenswichtige soziale Dienste.
Eine weitere Krise, für die alle Voraussetzungen geschaffen sind, wird noch schlimmere Angriffe nach sich ziehen. Der steigende Goldpreis - historisch gesehen das ultimative Wertaufbewahrungsmittel - ist eines der Warnzeichen.
Die Antwort darauf können Arbeiter nicht auf Fabrik- oder Betriebsebene, im Kampf gegen einzelne Arbeitgeber, gegeben. Dazu ist eine politische Strategie der gesamten Arbeiterklasse nötig, die das gesamte kapitalistische Profitsystem ins Visier nimmt und auf seinen Sturz als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Sozialismus zielt.