Kurz vor Weihnachten verabschiedete der CDU-SPD-Senat unter Kai Wegner (CDU) den Berliner Doppelhaushalt von rund 80 Milliarden Euro, 39,3 Milliarden Euro für 2024 und 40,5 Milliarden Euro für 2025.
Ausgaben in Höhe von sieben Milliarden Euro sind vom Haushalt nicht gedeckt. Diese Finanzierungslücke soll durch eine rigorose Rotstift-Politik vor allem in den Bereichen Wohnungsbau, Klimaschutz und Wissenschaft sowie eine Einsparauflage von rund 6 Prozent in allen Ressorts geschlossen werden.
Damit setzt der schwarz-rote Senat mit einigen kosmetischen Änderungen die Sparpolitik seines rot-rot-grünen Vorgängers unter Franziska Giffey (SPD) fort, die sich gegen die arbeitende Bevölkerung richtet.
Den Schwerpunkt ihrer Politik – die Aufrüstung der Polizei und ein massiver Angriff auf demokratische Rechte – hatte die Koalition bereits bei ihrem Regierungsantritt deutlich gemacht. „Sie werden merken, dass diese neue Koalition hinter der Polizei steht“, erklärte Wegner, der im April 2023 im dritten Wahlgang (vermutlich mit AfD-Stimmen) zum Regierenden Bürgermeister gekürt wurde.
Daran lässt der Doppelhaushalt keinen Zweifel. Schon bei der Vorstellung des Haushaltsplans im Dezember 2023 hatte Wegner im bedrohlichen Jargon eines Law-and-Order-Mannes verkündet: „Die Zeit des Ignorierens von Problemen, des Wegschauens und des Verharmlosens ist vorbei.“ Die Ausgaben für Polizei und Öffentliche Ordnung, die 2022 bei 2,15 Milliarden Euro lagen, steigen in diesem Jahr auf 2,3 und im nächsten Jahr auf 2,4 Milliarden Euro.
Als neuer Ausgabeposten sind für dieses Jahr im Haushaltsplan 3 Millionen für die Anschaffung von „Drohnenabwehrtechnik/Schulungs- und Einsatzdrohnen“ eingeplant. Weitere 1,5 Millionen Euro sind für die „Einführung eines Videoschutzes für kriminalitätsbelastete Orte“ vorgesehen.
Darunter fällt der wegen Drogenhandels verschriene Görlitzer Park („Görli“) in Kreuzberg, der darüber hinaus eingezäunt und nachts abgeschlossen werden soll. Obdachlosen wird damit die Übernachtung im Park verwehrt. Der geplante Bau einer ganzjährigen Notübernachtungsstelle für Obdachlose am „Görli“ wird hingegen aus Sparzwängen auf Eis gelegt.
Aber auch Kieze wie der Herrmannplatz oder die Sonnenallee im Bezirk Berlin-Neukölln werden wohl darunterfallen. Gerade hier treten nahezu täglich Polizeikräfte gegen Einwohner, die oft einen Migrationshintergrund haben, und Pro-Palästina-Proteste auf. Straßen und Zugänge sind wiederholt gesperrt und nicht-deutsch aussehende Personen kontrolliert worden.
Auch für zusätzliche Polizeistellen, Elektroschockpistolen (Taser), Kameras in Polizeifahrzeugen (Dashcams) und an Uniformen (Bodycams) sowie für mobile Sperren sind hohe Summen eingeplant. Die für ihre Brutalität berüchtigten Polizeikräfte sollen so besser für ihren Einsatz gegen soziale, Klima- und Anti-Kriegsproteste gerüstet werden.
Mit diesen Posten flankiert der Haushaltsplan die mit Unterstützung der AfD verabschiedete Verschärfung des Berliner Polizeigesetzes, das die Befugnisse der Polizei auf Kosten demokratischer Rechte ausweitet. Unter anderem ermöglicht es den Einsatz von Tasern und erhöht den Präventivgewahrsam von zwei auf fünf Tage, für „mutmaßliche Terroristen“ sogar auf sieben Tage.
Außerdem soll „der Kampf gegen Antisemitismus und Diskriminierung gestärkt“ werden, was nur bedeuten kann, dass Proteste gegen den Völkermord an den Palästinensern, die regelmäßig als antisemitisch denunziert werden, noch stärker unterdrückt werden. Auch Studien- und Berufsverbote sind im Gespräch.
Neben dem Ausbau der Sicherheit lägen die Schwerpunkte des Senats auf mehr Bildung und sozialer Sicherheit, beteuern Wegner und seine Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Das ist ebenso eine Lüge, wie die Behauptung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, der in der Generalaussprache zum Doppelhaushalt im Dezember sagte, dass „wir weder heute noch morgen mit dem angespitzten Rotstift durch die Haushaltsbücher gehen müssen“.
Angesichts steigender Energiekosten und Flüchtlingshilfen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg sowie vergangener Corona-Ausgaben ist laut Saleh die aktuelle Haushaltslage „zweifelsohne eine schwierige“. „Die finanziellen Spielräume werden kleiner“, sagte er, deshalb müssten die elf Senatsverwaltungen „pauschale Minderausgaben“ in Höhe von rund 4 Milliarden Euro einsparen. Einsparungen durch „pauschale Minderausgaben“ seien üblich – wenn auch nicht in dieser Größenordnung.
Bisher haben die Ressorts eingeplante, aber nicht anfallende Ausgaben genutzt, um eigenverantwortlich Löcher an anderer Stelle zu stopfen. Drei bis fünf Milliarden Euro konnte man laut Manuela Schmidt, bezirkspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, früher so aufbringen. Nun sollen diese Gelder zurückgegeben werden. Dazu gehören u.a. eingesparte Personalmittel für Stellen, die nicht besetzt werden können.
Unter dem Begriff „Flächenoptimierung“ will der Senat Kosten für Büroflächen deckeln bzw. senken, indem die Ausweitung von Home-Office in der Verwaltung geprüft wird, was letztlich zum Arbeitsplatz-Sharing (Desk Sharing) führt.
Doch nicht nur „pauschale Minderausgaben“ gehören zur Rotstift-Politik der Wegner-Regierung. Um die Haushaltslücke von 7 Milliarden Euro zu schließen, hat die Koalitionsregierung verschiedene Finanzsperren gesetzt, die sich allein in diesem Jahr auf insgesamt rund 3 Milliarden Euro summieren.
Davon betroffen ist auch der Bildungssektor. Schon die Berliner Schulbau-Initiative der rot-rot-grünen Vorgängerregierung aus dem Jahr 2017, mit der der extreme Schulmangel beseitigt und die völlig marode Gebäudesubstanz saniert werden sollten, ist grandios gescheitert. Damals wurde der Bau von 60 neuen Schulen, die Sanierung nahezu aller Berliner Schulen sowie die Schaffung zusätzlicher 70.000 Schulplätze durch Erweiterung oder Neubau bis zum Jahr 2030 geplant.
Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die verpflichtet wurde, 25 Schulen mit 16.000 Schulplätzen zu bauen und Schulen mit weiteren 10.000 Schulplätzen zu sanieren, hat bis November 2023 im Zeitraum von fünf Jahren keine einzige Schule fertiggestellt. Erst in diesem Frühjahr wurde die erste Schule, ein Gymnasium in Berlin-Lichtenberg, in Betrieb genommen. Die im Doppelhaushalt 24-25 nun vorgesehenen 100 Millionen Euro für Schulerweiterungen werden die Berliner Bildungsmisere fortführen.
Die Zuwendungen für Hochschulen und Universitäten sollen zwar laut Papier ab 2024 bis 2028 jährlich um 5 Prozent steigen. Der Sanierungsstau bei den staatlichen Berliner Hochschulen in Höhe von über 8 Milliarden Euro bleibt mit Verweis auf die Schuldenbremse allerdings unberücksichtigt.
Von der Finanzierungssperre besonders betroffen ist das zur Förderung von Wohnungsneubau bestimmte „Sondervermögen Wohnraumförderfonds Berlin“ (SWB). Es sollte sich 2024 auf 350 Millionen Euro belaufen, nun unterliegt es einer vollständige Ausgabensperre. Angesichts der extremen Wohnungsnot in der Hauptstadt und im Ballungsumland ist dies eine Katastrophe.
Wegners Regierungskoalition setzt damit die Politik der Wohnungsnot und der steigenden Mieten fort, die vor 20 Jahren begann, als die SPD-Linkspartei-Koalition und ihr Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) den sozialen Wohnungsbau einstellten und landeseigenen Wohnraum zu Schleuderpreisen an Immobilienhaie verscherbelten.
Mehr als 100.000 Wohnungen fehlen aktuell in Berlin. Ende 2023 gab es nur noch 90.654 Sozialwohnungen in der Stadt. Es wird erwartet, dass bis 2025 weitere 28.000 Sozialwohnungen wegfallen.
Die Mietpreisspirale verschärft das Problem. Laut einer Analyse des Immobilienexperten Jones Lang LaSalle sind die Angebotsmieten in den größten deutschen Städten im zweiten Halbjahr 2023 im Durchschnitt um 8,2 Prozent gestiegen. Besonders in Berlin sind die Angebotsmieten mit 21 Prozent regelrecht explodiert. Seit 2012 sind die Mieten in Berlin laut Mieterecho bei Neuvermietungen um knapp 97 Prozent gestiegen, allein in den letzten drei Jahren um knapp 30 Prozent.
Den Sparzwang, den die CDU/SPD-Landesregierung den Ressorts auferlegt, können Verwaltungen und Bezirke nur aus nicht fest gebundenen Mitteln realisieren. Und da bleibt nur die soziale Infrastruktur, etwa die Einsparung von Mitteln für Obdachlosenheime, Kultur-, Jugend- und sonstige soziale Einrichtungen, aber auch für Schul- oder Grünflächenreinigung, da dies „freiwillige Leistungen“ sind.
Das bedeutet die Zerschlagung der sozialen Infrastruktur auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung und ihrer ärmsten Schichten.
Zwar stimmte nur die CDU/SPD-Koalition für den Doppelhaushalt, während die Oppositionsparteien Grüne, Linke und AfD dagegen stimmten. Doch das tun sie nur, solange es auf ihre Stimme nicht ankommt. Grüne und Linke haben in ihren wechselnden Koalitionen mit der SPD massiv in den sozialen Bereichen gespart, und setzen das Sparprogramm auch in vielen Bezirken um.
Alle Senatskoalitionen haben die grassierende Armut in Berlin mit Unterstützung der Gewerkschaften organisiert. Die Ausweitung von Niedriglohn-Arbeitsplätzen, Reallohnkürzungen, der Mietpreisspiegel (der die Mietpreisspirale anheizt) sowie der eklatante Mangel an pädagogischen und sozialen Fachkräften gehen auf ihr politisches Konto.
Die Berliner Bevölkerung muss den Haushaltsplan aufs Schärfste zurückweisen. Die unterschiedlichen Senatskoalitionen sind in der Vergangenheit immer wieder abgewählt worden. Ihre Klientelpolitik für die Reichen und wohlhabende Mittelschichten und ihre Law-and-Order-Politik haben in weiten Teilen der Bevölkerung zu wütender Ablehnung und Wahlenthaltung geführt und gleichzeitig die faschistische AfD gestärkt.
Die Arbeiterklasse braucht eine neue, eigene Partei. Die Sozialistische Gleichheitspartei, die gegen die Spar- und Kriegspolitik aller etablierten Parteien kämpft, und die Arbeiterklasse und Jugend für eine internationale sozialistische Perspektive mobilisiert.