Mindestens 500.000 Menschen nahmen am Samstag in London an der Kundgebung „National March for Palestine – Ceasefire Now“ teil. Der Marsch richtete sich gegen Israels völkermörderischen Angriff auf den Gazastreifen und gegen die britische Beteiligung der letzten Woche an der Bombardierung des Jemen.
Nur zwei Tage zuvor hatten südafrikanische Anwälte vor dem Internationalen Gerichtshof vernichtende Beweise dafür vorgelegt, dass Israel einen Völkermord an der Bevölkerung des Gazastreifens verübt.
Die Veranstaltung in London war Teil eines weltweiten Protesttages, an dem in mehr als 120 Städten in 45 Ländern auf allen sechs bewohnten Kontinenten demonstriert wurde.
In den Vereinigten Staaten fand am Samstag auf der Freedom Plaza in Washington eine Massendemonstration mit 100.000 Teilnehmern statt. Diese Demonstration, zu der mehrere muslimische Gruppen aufriefen, erreichte zwar nicht die Teilnehmerzahl vom 4. November, als über eine Viertelmillion Menschen protestierten, war aber dennoch von großer Bedeutung. Mehr als 100 Tage Verleumdungen und Propaganda seitens der Medien und beider großer kapitalistischer Parteien der USA haben nicht ausgereicht, um zu verhindern, dass so viele Menschen jeglicher Herkunft, darunter viele Juden, trotz der Kälte auf die Straße gingen.
Zehntausende von Demonstrierenden, darunter ganze Familien mit ihren Kindern, riefen Slogans gegen den „Völkermörder Joe“ Biden und den „blutigen Blinken“, den US-Außenminister. Die WSWS wird ausführlich und mit Interviews darüber berichten.
In New York City gingen am Freitagabend etwa 100 Menschen zur Unterstützung des Jemen und gegen die illegalen Luftangriffe der USA und Großbritanniens auf dieses Land auf die Straße. Trotz der relativ geringen Größe des Marsches waren etwa 100 Polizisten mobilisiert worden. Sie kontrollierten und schikanierten die friedlichen Demonstrierenden, die skandierten: „Hey hey, ho ho, Israeli boats have go to go“ und „Gaza rief, der Jemen antwortete“.
Der Marsch am Samstag in London war die siebente landesweite Demonstration in Großbritannien, seit Israel am 8. Oktober begann, mit Unterstützung der Downing Street und anderer imperialistischer Regierungen den Gazastreifen zu zerstören. Insgesamt haben sich bisher an den Protesten auf Londons Straßen mehrere Millionen Menschen beteiligt.
Dies war die erste Demonstration in der Hauptstadt seit über einem Monat und die größte seit dem Marsch am 11. November, an dem sich 800.000 Menschen beteiligt hatten. Der Demonstrationszug versammelte sich im Londoner Bankenviertel, um daraufhin in westlicher Richtung über die Queen Victoria Street und die Fleet Street zum Parliament Square in Westminster zu ziehen.
Die Metropolitan Police überschwemmte London mit 1.700 Beamten, die durch weitere Polizeikräfte aus so weit entfernten Grafschaften wie Lancashire im britischen Nordwesten verstärkt wurden. Restriktive Bedingungen waren aufgestellt worden. Zum Beispiel durfte niemand von der vorgegebenen Route abweichen, kein Teilnehmer durfte einen abgesperrten Bereich um die israelische Botschaft in Kensington betreten, und die Reden auf der anschließenden Kundgebung mussten um 16.30 Uhr, die gesamte Veranstaltung um 17 Uhr beendet sein.
Im Vorfeld des Marsches erklärte der stellvertretende Polizeichef Laurence Taylor in einem Angriff auf die Meinungsfreiheit, dass Demonstranten, die mit Plakaten oder Slogans „absichtlich die Grenzen überschreiten“, mit Verhaftung rechnen müssten. Zuvor hatte der konservative Innenminister James Cleverly ihm gesagt: „Ich unterstütze Sie dabei, Ihre Befugnisse zu nutzen, um den Protest zu steuern und gegen jegliche Kriminalität vorzugehen.“
Es gab neun Festnahmen; unter anderem wurden drei Personen, die Flugblätter verteilten, aufgrund des Terrorismusgesetzes festgenommen. Sie wurden des Verdachts der Unterstützung einer verbotenen Organisation beschuldigt. Drei Personen wurden wegen Aufstachelung zum Rassenhass verhaftet: eine davon im Zusammenhang mit einem Plakat, zwei wegen Sprechchören. Unter den Verhafteten war auch ein Mitglied der Revolutionary Communist Group.
Die Demonstrationen in London sind Ausdruck des massenhaften Widerstands gegen den israelischen Völkermord. Jüngste Umfragen zeigen, dass fast 80 Prozent der Bevölkerung einen Waffenstillstand im Gazastreifen befürworten. Doch in den letzten drei Monaten haben die Hauptorganisatoren der Proteste im Vereinigten Königreich, die Stop the War Coalition (STWC) und die Palestine Solidarity Campaign, dieser Widerstandsbewegung jegliche realisierbare Perspektive verwehrt.
Die große Mehrheit der Labour-Abgeordneten, die die Opposition stellen, steht in dieser Frage voll und ganz hinter der Sunak-Regierung und unterstützt den israelischen Völkermord. Der Labour-Vorsitzende Sir Keir Starmer billigt die Kriegsverbrechen ausdrücklich. Er hat öffentlich erklärt, Israel habe das Recht, der palästinensischen Bevölkerung Wasser, Nahrung und Medizin zu entziehen.
Bei den Kundgebungen in London sind also immer wieder die wenigen Labour-Abgeordneten zugegen, die sich dem israelischen Ansturm entgegenstellen. Dazu gehören Apsana Begum, Bell Ribeiro-Addy, Richard Burgon und John McDonnell. Auch zwei Abgeordnete, die Starmer aus der parlamentarischen Labour Party ausgeschlossen hatte – der ehemalige Parteivorsitzende Jeremy Corbyn und seine Schatten-Innenministerin Diane Abbott – treten jeweils als Sprecher auf.
Corbyn hat sich auch diese Woche wieder zu Wort gemeldet. Zuvor hat die südafrikanische Delegation ihn nach Den Haag eingeladen, wo er sich ihre Klage gegen Israels Kriegsverbrechen anhörte. Corbyn, der einmal mehr als „Premierminister des Volks“ präsentiert wurde, prangerte Israels Völkermord an und rief wie üblich zum Weltfrieden auf, schaffte es aber wieder einmal, Starmer oder die Labour Party mit keinem Wort zu erwähnen.
In der Woche, in der Starmer der Bombardierung des Jemen zustimmte, spielte er eine so wichtige Rolle bei der Erleichterung des Völkermords, dass der stellvertretende Vorsitzende der Stop the War Coalition, Andrew Murray (der zwei Jahre lang Corbyns politischer Sonderberater war) erklärte: „Sunak und Starmer waten bis zu den Hüften in palästinensischem Blut.“ Daraus werden jedoch keine Schlussfolgerungen gezogen. Weder wird ein politischer Bruch mit der Labour Party gefordert, noch ein Kampf gegen sie vorgeschlagen. Stattdessen erklärte Murray am Samstag: „Morgen könnte am Roten Meer Frieden herrschen, wenn Israel seine Angriffe auf Gaza einstellen würde. Das ist die Wurzel des Problems.“
Ihm zufolge lautet die Antwort: „Die Royal Navy muss aus dem Roten Meer verschwinden und nach Portsmouth zurückkehren“, und: „Der Imperialismus muss aus dem Nahen Osten verschwinden.“
Murray sagte dies während seines gemeinsamen Auftritts mit Begum und Ribeiro-Addy, die eine Partei vertreten, die im Parlament zusammen mit den Tories als eine einzige Partei des imperialistischen Kriegs auftritt.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Ein Kundgebungsorganisator stellte Begum und Ribeiro-Addy vor und erklärte: „Während die meisten Mitglieder des Parlaments an diesem Ort wegen ihrer Komplizenschaft beim israelischen Töten und ihrer Aktionen im Jemen eigentlich ihre Gesichter schamvoll verhüllen müssten, gibt es eine Handvoll, die sich für den Frieden einsetzen.“
Beide Abgeordneten haben sich zu Recht gegen den israelischen Völkermord ausgesprochen, aber sie schweigen über die Rolle ihrer eigenen Partei in dieser Angelegenheit und nennen nicht Starmers Namen, um einen Konflikt mit der Labour-Rechten zu vermeiden.
Um ihre Glaubwürdigkeit zu stärken und die Demonstrierenden davon zu überzeugen, dass ein harter Kern der Labour-Partei weiterhin antiimperialistisch sei, nahm eine winzige Anzahl von Labour-Abgeordneten, die bereit sind, sich gegen den Völkermord auszusprechen, erstmals als Teil eines selbsternannten „Labour-Blocks“ teil. Die beteiligten Gruppen waren: die Campaign for Labour Party Democracy, Momentum, Labour Women Leading, Labour and Palestine, Labour CND, Arise-a Festival of Left Ideas, und Welsh Labour Grassroots. Außerdem haben die Organisationen Labour Hub, Labour Outlook und Left Horizons die Demonstration unterstützt. Bei der Kundgebung am Samstag traten McDonnell und Ribeiro-Addy als Redner auf.
Eine Vertreterin des Labour-Blocks ist das Mitglied des nationalen Labour-Vorstands, Jess Barnard, Vorsitzende von UK Young Labour. Barnard ist die Einzige, die Starmers Unterstützung für den Völkermord regelmäßig von der Rednerbühne aus anprangert. Auf der Kundgebung begrüßte Barnard die Bildung des Labour-Blocks, den sie als „Left Bloc“ bezeichnete.
Barnard sagte: „Die Luftangriffe auf den Jemen und die fortgesetzte Unterstützung für Israel haben die Rückendeckung meines eigenen Parteivorsitzenden Keir Starmer, der sich weniger als Anwalt der Menschenrechte und mehr als Lügner erwiesen hat ... Starmer ist dabei, die blutige Geschichte Tony Blairs zu wiederholen und Hand in Hand mit den USA in einen weiteren katastrophalen Krieg im Nahen Osten zu ziehen.“ Als Gegensatz dazu fügte sie hinzu: „Wir, das Volk und die Mitglieder, fordern einen Waffenstillstand, und deshalb müssen wir in der Arbeiterbewegung einen Widerstand gegen die Kriegstreiberei aufbauen.“
Barnard begrüßte auch, dass sich „diese Woche zum ersten Mal der Linksblock, eine Koalition von Gruppen … uns angeschlossen hat, um für Palästina zu marschieren, trotz der Versuche, uns von der Teilnahme an diesen Demonstrationen auszuschließen. Labour-Mitglieder haben sich zusammengeschlossen, schließt euch dem Linksblock an ... wir werden kein Sprachrohr für den Krieg werden, wir sind Labour-Mitglieder für Palästina.“
Barnards isolierte Erklärung unterstreicht jedoch noch stärker das ohrenbetäubende Schweigen ihrer parlamentarischen Parteimitglieder.
In einem kürzlichen WSWS-Artikel mit dem Titel: „Corbyn, die Stop the War Coalition und der Weg vorwärts im Kampf gegen den Völkermord in Gaza“ schrieb der nationale Sekretär der Socialist Equality Party, Chris Marsden:
Die STWC muss Corbyns Anti-Kriegs-Bilanz und die seiner schwindenden Schar von Anhängern umso mehr herausstreichen, als die Labour Party und der Gewerkschaftsdachverband TUC den Krieg so offen befürworten, während ihr Einfluss auf die Arbeiter massiv eingebrochen ist. Corbynismus als Anti-Kriegs-Tendenz hochzuhalten, ist daher ein wichtiger Bestandteil des Versuchs der STWC, Labour zu einer Kehrtwende in Sachen Gaza zu bewegen.
In diesem Jahr finden im Vereinigten Königreich Parlamentswahlen statt, und alle Umfragen zeigen, dass Labour einen überwältigenden Vorsprung vor den weithin verhassten Tories genießt. In dem Moment, in dem Wahlen anstehen, wird die Schar „linker“ Labour-Anhänger, die sich auf Antikriegsplattformen tummeln, für eine von Starmer geführte Regierung trommeln und jede Art von politischem Tamtam veranstalten, um dies als einen großen Schritt vorwärts für die Arbeiterklasse hinzustellen.