Niederlande: Neofaschist Wilders gewinnt Parlamentswahlen

Bei den niederländischen Parlamentswahlen vom 22. November konnte Geert Wilders’ rechtsextreme Partij voor de Vrijheid (PVV) einen nie dagewesenen Zuwachs an Wählerstimmen erzielen. Die PVV erhielt 25 Prozent der abgegebenen Stimmen und konnte die Zahl ihrer Sitze im Parlament, der Tweede Kamer, von 17 im Jahr 2021 auf 37 der insgesamt 150 Sitze verdoppeln. Die niederländische und internationale Arbeiterklasse muss dieses Ergebnis als ernste politische Warnung verstehen.

Geert Wilders, Parteichef der rechtsextremen Partij voor de Vrijheid (PVV), bei einer Pressekonferenz in Den Haag am 24. November. (AP Photo/Peter Dejong) [AP Photo/Peter Dejong]

Für die rechten Parteien der geschäftsführende Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Mark Rutte, die allesamt demütigende Niederlagen erlitten, erwies sich die Wahl als Debakel. Ruttes Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) unter der Führung von Dilan Yesilgöz fiel von 34 auf 24 Sitze zurück. Die sozialliberalen Democraten 66 (D66) fielen von 24 auf 9 Sitze, der Christen-Democratisch Appèl (CDA) von 15 auf 5 Sitze und die ChristenUnie (CU) von 5 auf 3 Sitze.

Die diskreditierten Parteien GroenLinks (GL) und die Partij van de Arbeid (PvdA) versuchten sich als das kleinere Übel gegenüber den rechten Parteien zu positionieren und legten ein gemeinsames Parteiprogramm sowie eine gemeinsame Wahlliste, angeführt vom ehemaligen EU-Kommissar Frans Timmermans, vor. Dies reichte jedoch nicht aus, um in nennenswertem Umfang vom Zusammenbruch der Verbündeten Ruttes zu profitieren. Durch taktische Abstimmungen stieg die Gesamtanzahl der Sitze des Bündnisses von 17 auf 25 – ein Ergebnis, das jedoch noch immer weit hinter dem von Wilders' PVV liegt.

Die neu gegründete Nieuw Sociaal Contract (NSC) des ehemaligen CDA-Abgeordneten Pieter Omtzigt gewann mit ihren leeren Aufrufen zu „guter Regierungsarbeit“ 20 Sitze.

Nach den Wahlen erklärte Wilders bei einem Auftritt in einem Café in Scheveningen an der Nordsee: „Der Niederländer wird wieder an erster Stelle stehen. Die Niederlande können hoffen... Die Menschen der Niederlande werden ihr Land zurückbekommen, und der Tsunami an Flüchtlingen und Migranten wird begrenzt werden.“

Am Donnerstag erklärte Wilders vor Lokalmedien seine Absicht, Ministerpräsident zu werden, und sprach sich für ein Referendum über den Verbleib der Niederlande in der EU aus. Er fügte hinzu: „Das erste, was wir brauchen, ist eine deutliche Begrenzung von Asyl und Einwanderung. Das tun wir nicht für uns selbst, sondern für alle Niederländer, die uns gewählt haben.“

Wilders erhielt Glückwünsche von rechtsextremen Parteien und Organisationen aus der ganzen Welt, u.a. erklärte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán: „Der Wind hat sich gedreht!“ Der rechtsextreme flämische Politiker Tom van Grieken verkündete: „Parteien wie unsere sind europaweit auf dem Vormarsch.“

Der Guardian nannte das niederländische Wahlergebnis „beunruhigend“, Politico bezeichnete es als „den schlimmsten Alptraum der EU“, während die New York Times warnte, es könne „Schockwellen durch ganz Europa senden“. In den Niederlanden erklärte De Telegraaf, „die Niederlande rücken nach rechts“ und sprach von einer „Schockwelle für die anderen Parteien“. De Volkskrant sprach von einem „alarmierenden Comeback der PVV, das große Probleme schafft“; andere Medien äußerten sich ähnlich.

Die internationale Presse stellte Wilders' Sieg als „Schock“-Ergebnis dar, doch in Wirklichkeit ist er das Ergebnis einer Politik, die von der gesamten niederländischen und europäischen herrschenden Klasse betrieben wurde.

Nur zwei Monate vor Wilders' Sieg war Robert Fico in der Slowakei an die Macht gekommen, der ebenfalls versprochen hatte, die Zuwanderung zu reduzieren. Auch die rechtsextreme Ministerpräsidentin Georgia Meloni hat entsprechende Pläne angekündigt. Im Wahlkampf hatte Wilders versprochen, die Grenzen für jegliche Zuwanderung zu schließen, und einen „Nexit“ gefordert – die niederländische Version des Brexit – sowie die „De-Islamisierung“ der Niederlande. Er forderte eine Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine und nahm eine entschiedene Haltung für die Unterstützung Israels ein, während sich der Krieg in Gaza entwickelte.

Die herrschende Elite der Niederlande und die großen Parteien und Medien gründeten den Wahlkampf vor allem auf eine üble Propaganda gegen Immigranten. Das Ergebnis war ein vergiftetes Wahlkampfklima voller Verdrehungen und Verwirrung. Laut einigen Schätzungen waren 60 Prozent der Wähler unsicher, für wen sie stimmen sollten, da kein Kandidat klar und deutlich die wirklichen politischen Fragen – Sparpolitik, Krieg und Völkermord in Gaza – aufgeworfen hat, mit denen die Arbeiter in den Niederlanden und weltweit konfrontiert sind.

Die Parteien des Establishments haben Wilders nicht nur dadurch legitimiert, dass sie Hass gegen Einwanderer schürten, sondern auch, indem sie ihre Bereitschaft erklärten, mit ihm ein Bündnis einzugehen. Dabei spielte Ruttes VVD eine führende Rolle. Während des Wahlkampfs im August betonte die VVD-Parteivorsitzende und Justizministerin Dilan Yesilgöz, sie wolle in Bezug auf Wilders nicht „grundsätzlich die Tür verschlossen halten.“ Sie fügte hinzu: „Es interessiert mich mehr, wer mit welchen Absichten am [Verhandlungs-]Tisch sitzen wird.“

Als im späteren Verlauf des Wahlkampfs klar wurde, dass solche Positionen die PVV auf Kosten der VVD stärkten, wechselte Yesilgöz erneut den Kurs und dementierte Pläne zur Bildung einer Koalition mit Wilders.

Im politischen Establishment der Niederlande wird zugegeben, dass sich nicht nur die rechten oder sozialdemokratischen Parteien, sondern auch die politischen Kräfte aus dem Umfeld der parasitären Gewerkschaftsbürokratie an dem fremdenfeindlichen Wahlkampf beteiligt haben, der Wilders schließlich zum klaren Favoriten gemacht hat.

Professorin Sarah de Lange von der Universität Amsterdam erklärte gegenüber Politico: „Die Hauptgründe, warum Wilders gewählt wurde, waren sein Programm gegen Immigranten, gefolgt von seiner Haltung zur Krise der Lebenshaltungskosten und zum Gesundheitswesen.“ Weiter erklärte sie, die etablierten Parteien hätten „Wilders legitimiert“, indem sie die Einwanderung zu einem Schlüsselthema gemacht haben: „Die Wähler könnten gedacht haben: Wenn es um dieses Thema geht, warum nicht für das Original stimmen, statt für die Kopie?“

Die ex-maoistische Sozialistische Partei (SP) spielte die zentrale Rolle dabei, Arbeitern und Jugendlichen die Möglichkeit zu nehmen, für eine linke Position gegen Ausländerfeindlichkeit zu stimmen. Diese Partei hatte in den letzten Jahren in Umfragen bis zu 30 Prozent Unterstützung erhalten, trat aber mit Forderungen nach einem härteren Kurs gegenüber Asylbewerber an. Sie wurde von dem allgemeinen Wahldebakel nicht verschont und fiel von 9 auf 5 Sitze im Parlament zurück. In ihrem Wahlprogramm erklärte sie tatsächlich:

Unkontrollierte Arbeitsmigration führt derzeit zu Ausbeutung, zur Abwanderung aus anderen Ländern (auch als „Brain Drain“ bekannt) und zur Entwurzelung von Gemeinden. ... Auf diese Weise durchbrechen wir die soziale Isolation vieler Arbeitsmigranten. Jeder, der in den Niederlanden arbeiten will, aber kein Einwohner ist, muss im Besitz einer Arbeitserlaubnis sein. Abhängig von der Situation kann die maximale Zahl entsprechender Genehmigungen pro Jahr angepasst werden. Bis sich die Lage hier normalisiert hat, werden wir vorübergehend die Wirtschaftsmigration beenden.

Breite Teile der herrschenden Elite der Niederlande versuchen jetzt, Wilders durch aggressive Manöver an die Macht zu bringen. Timmermanns vom Bündnis GL/PvDA empfahl sich kaum 24 Stunden nach der Wahl bereits als Oppositionsführer, womit er der Bildung einer Regierungskoalition zwischen Wilders' PVV, Yesilgöz' VVD und Pieter Omtzigts NSC den Weg ebnete, die über insgesamt 81 Sitze verfügen würde. Die neu gegründete rechtspopulistische BoerBurgerBeweging (BBB) hat bereits ihr Interesse bekundet, Wilders mit ihren sieben Sitzen zu unterstützen.

NSC-Parteichef Omtzigt erklärte: „Wir sind bereit zur Regierungsverantwortung. Das ist ein schwieriges Ergebnis. Wir werden am Donnerstag darüber diskutieren, wie wir am besten einen Beitrag leisten können.“

Auch der niederländische öffentlich-rechtliche Fernsehsender NOS berichtete: „VVD-Chefin Dilan Yesilgöz, die Anfang der Woche erklärt hatte, ihre Partei werde keiner Regierung unter Wilders’ Führung beitreten, erklärte jetzt, es sei Sache des Siegers, zu zeigen, dass er eine Mehrheit erhalten könne.“

Unabhängig davon, welche kapitalistischen Parteien die Regierungskoalition bilden und wer dann die so genannte „Opposition“ stellt, wird das künftige politische Establishment der Niederlande einen brutalen Angriff auf die Arbeiterklasse führen. Es wird auf die wachsenden sozialen Proteste gegen Völkermord, Krieg und Austerität mit Initiativen zur Errichtung eines neofaschistischen Polizeistaats reagieren. Ob Wilders direkt oder eine Koalition aus den anderen einwandererfeindlichen Parteien das Land regiert, ist dabei völlig belanglos.

In den Niederlanden gibt es, genau wie überall auf der Welt, eine tiefe Opposition in der Arbeiterklasse gegen die Politik der kapitalistischen Regierungen von Krieg, Völkermord, Sparmaßnahmen und Polizeistaat. In den Niederlanden gab es Massenproteste gegen den Völkermord in Gaza, u.a. große Kundgebungen am Hauptbahnhof von Amsterdam. Nach Wilders' Wahlsieg beteiligten sich in den größten Städten der Niederlande, Amsterdam und Utrecht, mehrere tausend Menschen an Protesten.

Außerhalb der prinzipiellen marxistischen und internationalistischen Opposition des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) gegen die kapitalistischen herrschenden Klassen Europas finden solche Stimmungen keinen bewussten, wirklich politischen Ausdruck. Die dringendste Aufgabe der niederländischen Arbeiterklasse besteht darin, eine Sektion des IKVI in den Niederlanden zu gründen, sowie eine Bewegung in ganz Europa auf der Grundlage einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive mit aufzubauen, um das kapitalistische Establishment zu bekämpfen und die Macht an die Arbeiterklasse zu übertragen.

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