Trotz Geiselaustausch und kurzer Waffenruhe: Netanjahu will den Krieg in Gaza fortsetzen

Am Mittwochmorgen bewilligte das israelische Kabinett den Vorschlag für einen Geiselaustausch und eine viertägige Waffenruhe in seinem völkermörderischen Krieg in Gaza. Das Abkommen war von Katar zwischen Vertretern der USA und Israels auf der einen und der Hamas-Regierung des Gazastreifens auf der anderen Seite vermittelt worden. Über die genaueren Bedingungen ist noch nichts bekannt. Allerdings ist klar, dass Washington und sein Verbündeter Israel allenfalls eine kurze Pause in dem Genozid gegen die Gaza-Bevölkerung einlegen wollen. 

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte während der Diskussionen mit seinen Ministern über die Annahme oder Ablehnung des Abkommens: „Wir befinden uns im Krieg und werden ihn fortsetzen, bis wir alle unsere Ziele erreicht haben: die Hamas zu zerstören, alle unsere Geiseln zurückzubringen und sicherzustellen, dass niemand in Gaza Israel bedrohen kann.“

Netanjahus Strategie ist es, Gaza völlig hilflos gegenüber Israels Angriff zu machen. Dazu dienen die Blockade der Wasser-, Treibstoff- und Nahrungsmittellieferungen in den Gazastreifen und die uneingeschränkte Bombardierung von Zivilisten. Bereits die Hälfte der Gebäude im Gazastreifen wurden zerstört und mehr als 14.000 Menschen getötet. Israelische Regierungsvertreter haben Pläne vorgelegt, nach dem Konflikt alle überlebenden Palästinenser aus Gaza zu vertreiben und ethnische Säuberungen durchzuführen. Dass Netanjahu einem Waffenstillstand zugestimmt hat, bedeutet nicht, dass sich irgendetwas an dieser Strategie ändert.

Ziel ist es, den Israelischen Verteidigungskräften (IDF) etwas Zeit zu verschaffen, um sich neu zu formieren, die Rückkehr von etwa 50 Geiseln zu gewährleisten, die die Hamas während des Aufstands gegen die Gaza-Blockade am 7. Oktober entführt hatte, und die weltweiten Massenproteste gegen den israelischen Krieg zu beruhigen. 

In den Wochen seit dem 7. Oktober haben Millionen Menschen auf der ganzen Welt gegen den von der Nato unterstützten israelischen Völkermord im Gazastreifen protestiert. Diese Bewegung hat die kapitalistischen Regierungen weltweit, die enge Beziehungen zum israelischen Regime unterhalten, erschüttert. Bei dem jüngsten Abkommen geht es aber überhaupt nicht darum, die Forderungen der Demonstranten zu erfüllen. Es soll nur der Anschein erweckt werden, dass ihren Forderungen teilweise entsprochen wird, während noch größere Gräueltaten vorbereitet werden. Tatsächlich verschärften israelische und amerikanische Regierungsvertreter am gleichen Tag, an dem sie dem Abkommen zustimmten, ihre Drohungen und Angriffe gegen Gaza, den Libanon, Irak, Iran und Russland.

Der Krieg in Gaza muss beendet werden, nicht nur unterbrochen. Die Feuerpause zeigt, dass es möglich und notwendig ist, die Bewegung für ein Ende des Gazakriegs auszuweiten und die Arbeiter weltweit in diesem Kampf zu mobilisieren. 

In dem Waffenstillstandsabkommen, dem das israelische Kabinett zugestimmt hat, heißt es hingegen: „Die israelische Regierung ist entschlossen, alle Entführten zurückzubringen. Heute Abend hat die Regierung den Entwurf für die erste Phase bewilligt, um dieses Ziel zu erreichen. Mindestens 50 Geiseln – Frauen und Kinder – sollen in einem Zeitraum von vier Tagen freigelassen werden; in dieser Zeit werden die Kämpfe ruhen. ... Für jeweils zehn zusätzlich freigelassene Geiseln wird die Waffenruhe um einen Tag verlängert.“

Um zu verdeutlichen, dass sie den Krieg nicht beenden wollen, wurde hinzugefügt: „Die israelische Regierung, die IDF und die Sicherheitskräfte werden den Krieg fortsetzen, um alle Entführten zurückzubringen, die Hamas endgültig auszulöschen und sicherzustellen, dass von Gaza keine erneute Bedrohung für den Staat Israel mehr ausgeht.“

Sechs Wochen nach Beginn des Konflikts ist offensichtlich, dass Netanjahus Pläne, die Hamas „auszulöschen“ und alle ihre Mitglieder zu töten, die Zerstörung der sozialen Infrastruktur und die Entfesselung eines gewaltsamen Völkermords zur endgültigen Eroberung des Gazastreifens bedeuten.

Aus den ersten, unvollständigen Berichten über das ausgehandelte Abkommen lassen sich bereits zwei zentrale Punkte ablesen:

Erstens ist es im Kern ein instabiles und unsicheres Abkommen, das von mächtigen Fraktionen der israelischen herrschenden Elite abgelehnt wird, die sich offen für eine Politik des Völkermords aussprechen. Der israelische Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir von der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit, nannte den Waffenstillstand eine „Katastrophe“ und die Entscheidung des israelischen Kabinetts, ihn zu bewilligen, „idiotisch“.

Zweitens bedeutet das Abkommen keinen Kurswechsel der israelischen Regierung oder ihrer Verbündeten hin zu einer Friedenspolitik. Vielmehr ist es Teil eines Plans für eine weitere Eskalation der israelischen und Nato-Militäroperationen im gesamten Nahen Osten und der eurasischen Region, während das kapitalistische System die Menschheit erneut in einen Weltkrieg stürzt.

Kurz vor Bekanntgabe der Waffenstillstandsvereinbarung flogen israelische Flugzeuge erneut einen Angriff auf das Flüchtlingslager Dschabaliya, das immer wieder Ziel von Gräueltaten war. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa wurden dabei 33 Menschen getötet und Dutzende weitere verwundet. 

Die IDF haben auch ihre Bombenangriffe auf den Libanon jenseits der israelischen Nordgrenze verschärft. Dabei wurden drei Beschäftigte des Fernsehsenders Al Mayadeen TV getötet. Wie der Sender berichtet, hat die israelische Armee „vorsätzlich“ die Korrespondentin Farah Omar und den Kameramann Rabih Me’Mari angegriffen und zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter getötet. 

Israels Offensive gegen den Gazastreifen, den Libanon und andere umliegende Gebiete geht Hand in Hand mit der militärischen Eskalation der Nato gegen den Iran, Russland und China. 

Am Dienstag gab das Pentagon bekannt, dass US-Kampfflugzeuge pro-iranische Milizen im Irak bombardiert haben, die auf US-Truppen auf dem Luftwaffenstützpunkt al-Assad im Westirak gefeuert haben. Dort sind seit dem völkerrechtswidrigen Überfall auf den Irak US-Truppen stationiert, um den Krieg zum Regimewechsel in Syrien zu unterstützen, den die Nato seit 2011 führt. 

Der Pentagon-Sprecher und Brigadegeneral Pat Ryder erklärte: „Wir können bestätigen, dass vom Iran unterstützte Milizen gestern Abend mit einer Kurzstreckenrakete einen Angriff auf die US- und Koalitionstruppen auf dem Luftwaffenstützpunkt al-Assad verübt haben, bei dem es acht Verletzte und leichte Infrastrukturschäden gab... Direkt nach dem Angriff hat ein US-Kampfflugzeug des Typs AC-130 in dem Gebiet einen Selbstverteidigungsangriff auf ein Fahrzeug der vom Iran unterstützten Miliz und mehrere Kämpfer durchgeführt, die an diesem Angriff beteiligt waren. Dieser Selbstverteidigungsangriff führte zu mehreren Toten unter den feindlichen Kämpfern.“

Die Nato-Angriffe auf den Iran und pro-iranische Kräfte sind Teil eines umfassenderen, globalen Kriegs der Nato gegen den Iran, Russland und letztlich China, das den Iran und Russland unterstützt hat. Tatsächlich betonte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in einem Webinar, dass Washington und seine Nato-Verbündeten im Rahmen des Kriegs in Gaza auch die militärischen Operationen gegen russische und iranische Kräfte in der Ukraine und dem Nahen Osten verstärken werden.

Kirby verurteilte die russische Söldnerfirma Wagner, weil sie, wie er behauptet, den libanesischen oder iranischen Streitkräften Luftabwehrsysteme und andere wichtige Waffen liefern will: „Wagner bereitet, auf Anweisung der russischen Regierung, die Lieferung von Luftabwehrsystemen an die Hisbollah oder den Iran vor. 

Der Iran könnte in seiner Unterstützung für Russland noch einen Schritt weitergehen. ... Wir machen uns Sorgen, dass der Iran jetzt erwägt, Russland ballistische Raketen für den Einsatz in der Ukraine zu liefern.“ Er machte deutlich, dass die Nato, die in der Ukraine bereits Krieg gegen Russland führt und im Irak, in Syrien und im Libanon auf iranische Truppen oder Verbündete schießt, diese Kriege ausweiten will.

Kirby erklärte: „Wir sind sicherlich bereit, die Sanktionen zur Terrorismusbekämpfung gegen russische Einzelpersonen oder Organisationen anzuwenden, die diese destabilisierenden Transfers vornehmen. ... Wir werden diese und andere uns zur Verfügung stehende Mittel weiterhin nutzen, um die expandierende militärische Partnerschaft zwischen Russland und dem Iran gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern aufzudecken und zu stören.“

Solche Äußerungen zeigen, dass Israels völkermörderischer Krieg gegen die Palästinenser in Verbindung mit weitaus umfassenderen politischen und geopolitischen Kalkulationen der imperialistischen Nato-Mächte steht. Um den Genozid in Gaza wirklich zu beenden, müssen Arbeiter und Jugendliche auf der ganzen Welt den Kampf gegen Militarismus und imperialistischen Krieg fortsetzen und verstärken.

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