Stimmen von der verbotenen Frankfurter Palästina-Demonstration

Die herrschende Klasse ist bemüht, jeglichen Protest gegen den völkermörderischen Krieg Israels gegen den Gaza-Streifen zu unterdrücken. Dennoch protestieren in ganz Deutschland weiterhin Tausende Menschen gegen das brutale Vorgehen der israelischen Armee.

In Frankfurt versammelten sich trotz eines Demonstrationsverbots mehrere Tausend Menschen. Noch am Abend zuvor hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt ein vorangegangenes Verbot der Stadt aufgehoben, und so strömten am frühen Samstagnachmittag Hunderte auf den Opernplatz. Nur zwölf Minuten vor Beginn teilte die Polizei dann über Lautsprecher mit, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel das Verbot bestätigt habe, und forderte die Demonstrierenden auf, den Platz sofort zu räumen. Dutzende von Einsatzwagen, schwer bewaffnete Polizisten und zwei Wasserwerfer säumten den Platz, Polizeihubschrauber lärmten über der City.

Trotz dieses Verbots und auch des Verbots irgendwelcher Ersatzveranstaltungen versammelten sich daraufhin die Abgewiesenen am Rathenauplatz und an der Hauptwache, wo zeitweise bis zu 6.000 Menschen lautstark demonstrierten. Die Polizei meldete 300 aufgenommene Personalien und zwölf Verhaftungen. Die Veranstalterin, die die Opernplatz-Demonstration angemeldet hatte, war schon am Freitag festgenommen und mehrere Stunden festgehalten worden.

Die Teilnehmer, mit denen die World Socialist Website sprach, waren über das rigorose Verbot hell empört. Dazu erklärte Mohammed: „Ich denke, dass wir nicht mehr in einem demokratischen Staat leben. Sonst würde auch der Staat selber seine eigenen Prinzipien respektieren.“ Den Aufstand der Palästinenser bezeichnete er als „Gefängnisausbruch von 2,3 Millionen, die man einfach eingesperrt hat. Ein offenes Gefängnis ist das und noch dazu wurde ihnen jetzt das Wasser, der Strom, das Benzin – alles abgestellt. Das ist untermenschlich. Das kann man keinem einzigen Menschen zumuten … Vielleicht wird es einigen nicht schmecken, aber es ist eigentlich ein KZ, nur mit anderem Namen. Es ist ein Konzentrationslager Gaza.“

Die internationale Perspektive der WSWS zur Einheit der Arbeiterklasse begrüßte Mohammed. Er forderte, dass die Rechte aller Menschen respektiert werden müssten: „Dann würde es so etwas nicht geben. Dann könnten wir im Frieden leben“.

Auch Hamoudi dessen Großeltern 1967 nach Deutschland geflüchtet waren, verurteilte das undemokratische Demonstrationsverbot. „Ehrlich gesagt, ich finde, das spiegelt einfach das paradoxe Verhalten der Regierung wider. Ich meine, wir reden von Demokratie, wir reden von Deutschland. Jeder hat ein Wahlrecht. Und was sehen wir hier? Eigentlich ist es ein Grundrecht, dass wir unsere Meinung äußern dürfen. Ich meine, ist das hier noch Demokratie?“

In Bezug auf die Ukraine erklärt er: „Als dort der Strom und das Wasser abgeschaltet wurden, da hat die EU erklärt, das gehe gegen jede Menschenwürde. Und jetzt hier? Die Politik kümmert sich nicht darum, denn es geht ihr nur um Wirtschaftsinteressen … Gerade hier in Frankfurt sieht man das an der Skylines [der Bankentürme]: Es geht nur um kapitalistische Interessen.“

Muhamed wollte auf der Demonstration „ein Zeichen setzen für die Opfer, für die betroffenen Personen im Gazastreifen. Sie werden andauernd, schon seit Jahren, von dem israelischen Regime einfach nur terrorisiert. Das sieht man jetzt: Seit Tagen wird ihnen der Strom, das Wasser und jegliche Versorgung genommen. Laut UN-Recht verstößt das gegen das Völkerrecht und gegen jeden Standard von Menschenrechten, auch laut Amnesty International. Ich finde es echt traurig und beschämend, dass unsere deutsche Regierung unter Führung von Olaf Scholz nicht den Mut aufbringt, zu sagen, dass Israel völkerrechtliche Verstöße begeht, oder zumindest irgendeine Kritik daran übt.“

Muhamed wandte sich gegen die offizielle Regierungspolitik, wonach jede Kritik am Zionismus „antisemitisch“ sei. „Jede Kritik des israelischen Regimes, ihres Militärs, der Parlamentsbeschlüsse oder sonst was – all das soll Antisemitismus sein? Das macht absolut keinen Sinn in meinen Augen, denn es gibt auf der Welt sehr viele Juden, die einfach gegen Israels Politik und gegen diesen Zionismus sind. Und da kann mir keiner erzählen, dass wir hier alle Antisemiten wären, nur weil wir Israel-Kritiker sind.“

Zu dem Aufstand in Gaza sagte Muhamed: „Der Angriff auf die israelische Seite war ein Fehler. Aber man muss sich auch mal anschauen, warum es überhaupt zu so einem Fehler kam. Was hat dazu geführt? Wie es so schön immer in der Vergangenheit gesagt wurde: ‚Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht‘ … Es ist ein Gefängnisausbruch. Denn es geht nicht nur um die Hamas, sondern da haben auch einfache Bewohner mitgemacht. Sie wussten, dass es leider aussichtslos sein würde, aber sie setzten ihre einzige Hoffnung darin, mitzumachen und sich gegen die israelische Seite aufzulehnen.“

Lefty sagte: „Der Krieg geht von oben aus. Die versuchen, das Territorium ganz für sich zu bekommen. Dabei sind die beiden Länder eigentlich gar nicht so verschieden. Die Bevölkerung und die Menschen hassen sich ja nicht, sie kennen sich ja kaum. Als Palästinenser wird es einem ja verboten, Palästina zu verlassen und Israel zu betreten.“

Auch Lefty verurteilte die zunehmenden Angriffe auf demokratische Rechte: „In unserem Gesetzbuch steht, dass wir das Recht haben, unsere Meinung zu äußern, egal in welcher Hinsicht, solange wir niemanden verletzten. Aber dann, wenn jemand hier in der Frankfurter Innenstadt mit einer palästinensischen Flagge wedelt, dann wird ihm das verboten und die Flagge wird ihm abgenommen, weil man das nicht darf. Das heißt: Meinungsfreiheit gibt es nur für die da oben.“

Tatsächlich streiften die ganze Zeit bewaffnete Polizeitrupps durch die Innenstadt, die den verhinderten Teilnehmern ihre schwarz-rot-grün-weißen Fahnen, die Palästinenserschals oder selbstgemalte „Stop the Genozid“-Pappschilder wegnahmen. Darüber ärgerten sich auch vier Studentinnen, die „einfach nur zeigen wollten, dass wir für Frieden und gegen Gewalt sind“. Eine von ihnen sagte wütend: „Aber jetzt dürfen wir hier an dieser Demo nicht mehr teilnehmen. Angeblich haben wir hier eine Meinungsfreiheit, aber die sehen wir hier nicht mehr … Hier steht eine Front von Polizisten vor uns, die uns nicht durchlässt. Dabei verbreitet keine von uns irgendeine Gewalt.“

Sofia und Max waren extra aus Mainz angereist, um dagegen zu protestieren, dass Menschenrechte „seit ewig in Israel mit Füßen getreten werden. Seit der Konflikt wieder entflammt ist, werden schwere Kriegsverbrechen begangen.“ Sofia erzählte, dass sie drei Monate in Palästina gelebt und mit einer palästinensischen NGO zusammengearbeitet hatte. „Ich habe dort auch einiges gesehen. Es ist sehr, sehr offensichtlich, was die Ursache der Gewalt ist: Siedler-Kolonialismus und Apartheid seit 75 Jahren. Jetzt wird so getan, als seien beide Seiten daran schuld, oder als wäre die grausame Gewalt nur von Seiten der Hamas ausgegangen. Das ist alles kompletter Schwachsinn, das stimmt einfach nicht. Das ist komplett unverhältnismäßig und aus dem Kontext herausgerissen.“

Zur gemeinsamen Resolution aller Bundestagsparteien zur Unterstützung Israels sagte Sofia: „Ich schäme mich dafür. Die tun so, als würden sie hier irgendwie die Stimme von uns allen, von unserer Gesellschaft vertreten. Aber das tun sie nicht. Ich glaube nicht, dass hier irgendjemand sich hinter Genozide stellen möchte.“

Zuletzt konnten die WSWS-Reporter mit einer ganzen Gruppe palästinensischer Arbeiter sprechen. Sie hatten beobachtet, wie die Polizei auch die Flyer mit der WSWS-Erklärung „Nieder mit der Netanjahu-Regierung! Stoppt die vom Imperialismus unterstützte zionistische Offensive gegen Gaza!“ konfiszierten, und warteten, um über die Fragen zu diskutieren.

Diese Arbeiter unterstützten ausdrücklich eine internationalistische Position und sagten: „Alle Nationen, alle Religionen müssen friedlich zusammenleben. Anders geht es doch gar nicht.“ Sie waren aus Mannheim und Umgebung angereist, um „gemeinsam unser Mitleid und Mitgefühl für unser palästinisches Volk auszudrücken“ und sie waren sehr wütend, dass ihnen auch in Deutschland das Recht zu demonstrieren verweigert wurde. „Man beraubt uns unserer Rechte“, sagte einer. „Es reicht, ein Palästinenser zu sein, um hier dämonisiert zu werden.“

Sein Kollege sagte: „Es wird alles sehr einseitig berichtet, und die Medien spalten die Gesellschaft. Es geht darum, uns nach Muslimen und Nicht-Muslimen, Araber und Nicht-Araber, Flüchtling und Nicht-Flüchtling zu spalten. Die Stimmung wird aufgeheizt, und da sind wir eindeutig dagegen. Denn wir sind überhaupt nicht gegen Frieden mit Israel. Wir sind für Frieden!“

In der weiteren Diskussion wies er auf den großen Spalt hin, der zwischen der Politik der Regierung und der Stimmung in der Bevölkerung besteht. „Ich finde, dass das, was unsere Regierung jetzt gerade tut, nicht förderlich ist. Die schüren die Wut, damit gewisse Menschen ausrasten. Wobei ich überzeugt bin, dass die Mehrheit der Bevölkerung hier hinter Palästina steht.“ Ein anderer ergänzt: „Wir wollen, wie gesagt, dass das Töten von Menschen aufhört. Annalena Baerbock hat ja gesagt, wir sind in dem Moment alle Israelis. Ich glaube, sie kann nur für sich sprechen. Wir sehen in Hessen, wie die Zahl der Stimmen für die Grünen schon zurückgegangen ist.“

Die Arbeiter verurteilten ausdrücklich die Beschlagnahmung der WSWS-Erklärung mit dem Hinweis auf angebliche „Gefahrenprävention“. Laut der Polizei müsse erst geprüft werden, ob der Inhalt verfassungswidrig sei. Ein Arbeiter sagte dazu: „Das ist eine falsche Beschuldigung. Das ist illegal. Das ist Unrecht. Es ist genauso wie das Verbot der Demonstration heute.“ Ein weiterer fügte hinzu: „Jahrhundertelang haben Menschen dafür geblutet und sind auch gestorben für die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit, um all diese Rechte durchzusetzen. Und das wird heute einfach von der Exekutive zusammen mit der Legislative und der Judikative gekippt. Wir haben ja Gewaltenteilung, aber heutzutage hab‘ ich das Gefühl, dass die Polizei einfach macht, was sie will.“

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