Der britische Komiker, Schauspieler und Gesellschaftskritiker Russell Brand wurde von vier Frauen der Vergewaltigung, sexueller Übergriffe und kontrollierendem und missbräuchlichem Verhalten bezichtigt. Diese unbelegten Vorwürfe waren, allesamt anonym, im Rahmen einer gemeinsamen Untersuchung erhoben worden, die vor vier Jahren von der Times, der Sunday Times und der Channel 4-Sendung „Dispatches“ eingeleitet wurde. Sie wurden am Wochenende veröffentlicht und gerieten schnell in den Mittelpunkt der weltweiten Berichterstattung. Um Brand zu diskreditieren und zu vernichten, wurden beträchtliche Mittel aufgewandt.
Der Angriff auf den Komiker wirkt in jeder Hinsicht wie ein „Auftragsrufmord“ im Stil der #MeToo-Kampagne, wie sie gegen die Schauspieler Kevin Spacey, Johnny Depp und zahlreiche weitere Personen organisiert wurden. In Brands Fall kommen seine dem Establishment zuwiderlaufenden Positionen in mehreren Fragen hinzu, einschließlich des Ukrainekriegs.
Brand betont in einer Videobotschaft, er „weise sämtliche Vorwürfe zurück“ und fügt hinzu, er sei in einem Zeitabschnitt seines Lebens „sexuell sehr freizügig gewesen. Aber in dieser Zeit... waren alle meine Beziehungen völlig einvernehmlich. Ich ging damit immer offen um... Dass diese Transparenz in etwas Kriminelles verwandelt wird, was ich absolut ablehne, wirft die Frage auf, ob es dabei eigentlich um etwas ganz anderes geht.“
Unter Bezugnahme auf seine Podcasts und andere öffentliche Präsentationen behauptet er außerdem, dass „es eine ernstzunehmende und konzertierte Agenda gibt, um diese Art von Räumen und diese Art von Stimmen zu kontrollieren, und ich meine damit meine Stimme ebenso wie eure Stimme“.
Das Video von Brand, in dem er den medialen Angriff zurückweist, wurde auf X/Twitter fast 69 Millionen Mal angesehen und erhielt fast 200.000 Likes.
Die hysterische Reaktion der Medien auf die Meldungen über Brand, vor allem diejenigen des Guardian und anderer nominell „liberaler“ Zeitungen, sind eine Gefahr für grundlegende juristische und demokratische Prinzipien. Sie haben Brand a priori für schuldig erklärt, ihn zu einem Paria gemacht und so jede Aussicht auf einen künftigen fairen Prozess gefährdet.
Das erste und einzige rechtliche Verfahren begann am Montag, als bei der Londoner Metropolitan Police eine Beschwerde über einen Vorfall eingereicht wurde, der 2003 in Soho stattgefunden haben soll. Derzeit gibt es keine polizeilichen Ermittlungen und keine Anklagen.
Gemäß der Unschuldsvermutung, auf der jede demokratische Gesellschaft beruht, ist Brand unschuldig, bis seine Schuld von einem Gericht festgestellt wurde. Doch die Berichterstattung der Medien erweckt einen genau gegenteiligen Eindruck. Worte wie „angeblich“ werden nur widerwillig als unangenehme juristische Feinheit hinzugefügt.
Um dies zu rechtfertigen, wurde in zutiefst reaktionärer Weise versucht, eine angeblich separate „Grauzone“ des Rechts von der allgemeinen Gesellschaft auszugrenzen. Ein langjähriger Anwalt erklärte in einem Tweet, der auf der bekannten juristischen Kommentarseite The Secret Barrister geteilt wurde:
„Ich glaube, die Juristen tun sich etwas schwer mit dem Grundsatz ‚unschuldig bis zum Nachweis der Schuld‘. Natürlich hat das als juristisches Konzept einen festen Platz... Doch das bedeutet nicht, dass juristische Verfahren die einzige Möglichkeit sind, jemanden als kritikwürdig zu beurteilen. Das Leben ist voll von Gelegenheiten, bei denen wir über das Verhalten anderer urteilen. Dieses Verhalten kann weniger als kriminell sein, aber es kann auch Kriminalität beinhalten, die nicht einmal in die Nähe des Gerichtssaals kommt... Wir unterliegen einem Irrtum, wenn wir glauben, dass der Strafprozess der einzige Maßstab dafür ist, ob jemand etwas ‚falsch‘ gemacht hat.“
Mit dieser Argumentation werden die Grundlagen für Hexenjagden im Stil der McCarthy-Ära geschaffen. Ein Justizsystem, das nicht auf der Unschuldsvermutung beruht, beruht auf Gerüchten, Vor- und Pauschalurteilen auf der Grundlage unvollständiger Informationen. Das bildet den Nährboden für staatliche und mediale Angriffe, persönliche Fehden und Rufmordkampagnen.
Es wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der Brand nicht nur wie ein überführter Verbrecher behandelt wird, der zudem unfähig zur Wiedereingliederung sei, sondern wie eine regelrechte Unperson.
BBC und Channel 4 haben einige Inhalte, in denen Brand vorkommt, aus ihren Streaming-Diensten entfernt, und YouTube hat seine Konten gesperrt. Anstehende Termine in Brands Standup-Tournee wurden verschoben. Die Talentagentur Tavistock Wood hat „alle beruflichen Beziehungen“ eingestellt, der Verlag Bluebird hat „alle künftigen Publikationen“ von ihm auf Eis gelegt. Der ehemalige Vorsitzende der Labour Party und ewige Feigling Jeremy Corbyn hat Brands Arbeiten aus dem in Kürze zur Veröffentlichung anstehenden Buch gestrichen, das er zusammen mit dem ehemaligen Gewerkschaftsboss Len McCluskey herausgibt.
Ein zweites Merkmal der Berichterstattung über die Vorwürfe gegen Brand waren die Versuche, sie mit Verweisen darauf zu „belegen“, wie er sich in der Öffentlichkeit verhalten hat. Als Beispiele dafür, dass seine Haltung zu Frauen ein „offenes Geheimnis“ sei, werden u.a. mehrere anzügliche Comedy-Sketche und seine Tendenz genannt, Produktionspersonal zu beauftragen, die Telefonnummern von attraktiven Frauen im Publikum zu organisieren – als wären dies Beweise für kriminelle Neigungen.
Doch nichts davon ist illegal. Tatsächlich war es, wie die Kommentatoren häufig zugeben, Teil der Show, oder zumindest Teil von Brands abgedrehter, provokanter, nach eigener Auskunft „sexsüchtiger“ Kunstfigur, mit der er in den Medien großen Erfolg hatte.
Der hysterische Charakter der aktuellen Berichterstattung geht zum Großteil auf Angehörige der begüterten kleinbürgerlichen Kommentarschreiber zurück, die sich gegenseitig darin überbieten, für ihr früheres Unvermögen zu büßen, eine Person zu verurteilen, die jetzt als gewissenloser Bösewicht behandelt werden muss. Mit seinem schrillen Lebensstil ist Brand ein nahezu perfekter Bösewicht für das #MeToo-Zeitalter, der mit angemessener Selbstkritik für ihre eigene frühere „Komplizenschaft“ verurteilt werden muss.
Genau wie bei vielen früheren Skandalen um sexuelles Fehlverhalten geht dies einher mit der ultrakonservativen Andeutung, Sex selbst grenze an ein Verbrechen. Der Medienredakteur des Guardian Jim Watterson schreibt: „Hypersexualisierung und explizite Darstellungen sexuellen Verlangens waren Teil seiner Kunstfigur. Das ist nicht illegal, hätte aber von denjenigen, die ihn dafür engagiert haben, ihre Shows zu präsentieren, als rotes Tuch betrachtet werden können.“
Ein weiteres eindeutiges Ziel besteht darin, alle Medien in Verruf zu bringen, die nicht von den traditionellen Wächtern der öffentlichen Meinung kontrolliert werden. Brands eklektische Mischung verschiedener oppositioneller Ansichten, die er pro Woche in fünf jeweils zehn- bis zwanzigminütigen Videos auf seinem YouTube-Kanal verbreitet, haben ihm mehr als sechs Millionen Abonnenten eingebracht. Anfangs vertrat er weitgehend „linke“ Ansichten, mittlerweile zielt er darauf ab, linke und rechte Politik zu vereinen.
Seine Gegner haben die Vorwürfe gegen ihn benutzt, um zum Sturm auf diese Plattform zu blasen. Aus Wattersons „Analyse“ mit dem Titel „Jetzt sehen wir, wie viele auf Brands ‚Anti-Mainstream‘-Getue hereingefallen sind“, spricht rachsüchtige Freude. Andere Schlagzeilen lauten: „Russell Brands Wunderland: das Online-Podium, auf dem der Star seine ‚freie Meinungsäußerung‘ verbreitet“ und „Im Inneren von Russell-Brands verschwörungsgläubiger Online-Anhängerschaft.“
Es wurde sogar die absurde und hinterhältige Behauptung verbreitet, Brands ganze Social-Media-Präsenz diene nur der Abwehr von potenziellen sexuellen Missbrauchsvorwürfen. Diese Vorwürfe erhebt die Daily Mail unter dem Titel „Wusste Russell Brand, was ihm bevorstand? Komiker-Kollegen und Experten behaupten, der Star habe sich vier Jahre lang eine ergebene Online-Anhängerschaft herangezüchtet, die ‚ihn unterstützen soll, wenn Vergewaltigungsvorwürfe publik werden‘“.
Die World Socialist Web Site unterstützt nicht die anarchistischen Ansichten von Brand, die politisch völlig verquer sind und die Verurteilung des Kriegs der Nato und der USA gegen Russland mit einer durch und durch reaktionären Unterstützung des Putschversuchs vom 6. Januar und der Wuhan-Lab-Lüge verbinden.
Wir legen jedoch kein politisches Kriterium dafür fest, wessen demokratische Rechte zu respektieren sind.
Die legalen und demokratischen Rechte müssen verteidigt werden, um der Situation ein Ende zu setzen, in der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Künstler allein durch böswillige Anschuldigungen und Gerüchte zu Fall gebracht werden können. Es sollte nicht nötig sein, zu erklären, welche enorme Macht denjenigen, die den größten Einfluss auf die Medien und die Politik haben, dadurch verliehen wird und welches Unrecht dadurch angerichtet werden kann.
Erst vor kurzem hat ein britisches Gericht die letzten von mehreren Strafverfahren gegen den Schauspieler Kevin Spacey eingestellt, die auf der Grundlage von bloßen Vorwürfen erhoben wurden, aber sein Leben dennoch zerstört haben.
Eine massenhafte Widerstandsbewegung gegen den Nato-Krieg gegen Russland und gegen den Kapitalismus ist nur möglich, wenn so viele Menschen wie möglich die Bedeutung demokratischer Rechte begreifen und sich für ihren Schutz einsetzen. Der mediale Schauprozess gegen Brand muss deshalb zurückgewiesen werden.
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