Perspektive

Das Scheitern der ukrainischen „Frühjahrsoffensive“ und die Eskalation des US-Nato-Kriegs gegen Russland

US-Präsident Joe Biden und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, vor den Staats- und Regierungschefs der G7 am Nato-Gipfel in Vilnius (Litauen), 12. Juli 2023 [Paul Ellis/AP Photo] [AP Photo]

Am Dienstag haben der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Joe Biden vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York City gesprochen, um Unterstützung für den Krieg der USA und der Nato gegen Russland zu mobilisieren.

Ihr Auftritt folgt auf das Scheitern der ukrainischen „Frühjahrsoffensive“, die trotz des Verlustes Zehntausender ukrainischer Soldaten keine nennenswerten Gebietsgewinne gebracht hat. Am Montag gab die Regierung Selenskyj bekannt, dass sie alle stellvertretenden Verteidigungsminister entlassen hat, nachdem der Verteidigungsminister des Landes, Oleksij Reznikow, im vergangenen Monat entlassen worden war.

Nur einen Tag vor Selenskyjs Auftritt bei der UNO veröffentlichte die New York Times einen Bericht, der die Behauptung widerlegt, dass der Raketenangriff auf einen ukrainischen Markt am 6. September, bei dem mindestens 15 Zivilisten getötet wurden, ein absichtliches Massaker russischer „Terroristen“ gewesen sei. Dies verstärkte nur noch weiter das Bild von Krise und Verzweiflung. Stattdessen, so die Times, sei die Katastrophe das Ergebnis eines angeblich versehentlichen ukrainischen Raketenangriffs gewesen - verdächtigerweise zeitlich abgestimmt auf die Ankunft von US-Außenminister Antony Blinken in der Ukraine am selben Tag.

Die Entlassung der gesamten Führungsriege im ukrainischen Verteidigungsministerium ist ein fast schon offenes Eingeständnis, dass die Gegenoffensive gescheitert ist. Selenskyj ist zu dringenden Gesprächen nach Washington eingeflogen. Es ist offensichtlich, dass die US-Regierung von Präsident Biden auf den militärischen Rückschlag mit einer Eskalation des Krieges antwortet. Die US-Regierung fordert den Kongress auf, weitere 21 Milliarden Dollar für Waffen und Hilfen an die Ukraine zu bewilligen, zusätzlich zu den mehr als 150 Milliarden Dollar, die bereits bereitgestellt wurden. Außerdem will sie Langstreckenraketen schicken, die tief in russisches Gebiet eindringen können.

Die US-Medien verwenden in ihrer Berichterstattung immer häufiger die Sprache des offenen Krieges gegen Russland. „Wie man den Finanzkrieg gegen Russlands Wirtschaft führt“, heißt der Titel eines Leitartikels in der Washington Post.

Thomas Friedman von der New York Times, einer der führenden amerikanischen Kriegspropagandisten, forderte am Freitag in einem Meinungsartikel, dass die USA dringend alle noch bestehenden Hemmungen bei der Intervention fallen lassen sollten. „Die Ukraine muss Putins Armee so schnell wie möglich so viel Schaden wie möglich zufügen“, schreibt Friedman.

„Das bedeutet, dass wir massiv und schnell die Waffen liefern müssen, welche die Ukraine braucht, um Putins Linien im Südosten des Landes zu durchbrechen. F-16 und taktische Raketensysteme vom Typ MGM-140, die tief hinter den russischen Linien einschlagen können - was immer die Ukrainer effektiv und schnell einsetzen können.“

Friedman kommt zu dem Schluss, dass „die Sicherung der Gerechtigkeit im Krieg fast immer die totale Niederlage und Besetzung des Aggressors erfordert“.

Friedman bringt die Ziele der USA offen zum Ausdruck und erklärt: „Die Ukraine ist für den Westen ein Land, das als Game-Changer fungiert“, weil „ihre Integration in die Europäische Union und die Nato eines Tages eine Machtverschiebung darstellen würde, die es mit dem Fall der Berliner Mauer und der deutschen Wiedervereinigung aufnehmen kann.“

Letzte Woche berichtete Reuters, dass die Regierung Biden Vorbereitungen trifft, um Langstreckenraketen vom Typ ATACMS in die Ukraine zu schicken. Diese können Hunderte Kilometer hinter den russischen Linien einschlagen, wodurch die russische Hauptstadt Moskau selbst der Gefahr eines Angriffs mit Nato-Waffen ausgesetzt wäre.

Am Freitag gab eine Gruppe von Senatoren der Republikanischen Partei eine Erklärung ab, in der sie die Regierung Biden auffordern, das ATACMS-Raketensystem an die Ukraine zu liefern.

„Wir fordern Sie auf, das taktische Raketensystem MGM-140 Army Tactical Missile Systems (ATACMS) unverzüglich in die Ukraine zu liefern“, schreiben die Senatoren. „Eine weitere Verzögerung würde die nationalen Sicherheitsinteressen der USA nur weiter untergraben und den Konflikt ausweiten.“

Und weiter: „Der jüngste ukrainische Angriff auf den Seehafen von Sewastopol, bei dem die britische Langstreckenwaffe Storm Shadow eingesetzt wurde, hat die Wirksamkeit solcher Waffen auf dem Schlachtfeld bewiesen.“

Das Schreiben bezieht sich auf den Angriff der Ukraine auf zwei russische Kriegsschiffe im Trockendock des Hafens von Sewastopol in der vergangenen Woche. Während ukrainische Vertreter zuvor nicht zugegeben hatten, Angriffe innerhalb Russlands durchzuführen, brüsten sie sich nun mit ihrer Verantwortung für den Angriff von letzter Woche.

Noch wichtiger ist dabei das offene Eingeständnis, dass von der Nato bereitgestellte Raketen für den Angriff verwendet wurden. Ein ukrainischer Vertreter erklärte gegenüber Sky News: „Es war Storm Shadow“, womit er sich auf die Langstreckenrakete bezog, die Großbritannien der Ukraine Anfang des Jahres zur Verfügung gestellt hat.

In der vergangenen Woche hatte US-Außenminister Antony Blinken den Einsatz von Nato-Langstreckenraketen durch die Ukraine für einen Angriff auf das russische Inland gebilligt. Er sagte, es sei „ihre Sache, darüber zu entscheiden, was am effektivsten ist, um ihre territoriale Integrität wiederherzustellen“.

Diese Entwicklungen haben eine klare Richtung. Während die ukrainischen Stellvertreter eine militärische Katastrophe nach der anderen erleiden, eskalieren die USA ihre direkte Beteiligung am Krieg. Die Vereinigten Staaten geben zunehmend den Anschein auf, keinen Krieg gegen Moskau zu führen.

In einem am Sonntag in der New York Times veröffentlichten Interview warnt der finnische Präsident Sauli Niinistö vor der Gefahr einer nuklearen Eskalation des Krieges und gibt damit einen Hinweis auf die tatsächlichen Diskussionen hinter den Kulissen.

Niinistö sagt: „Wir befinden uns in einer sehr heiklen Situation. Selbst kleine Dinge können die Dinge sehr verändern, und zwar leider zum Schlechten. Das ist das Risiko eines solchen groß angelegten Krieges“. Er schließt mit den Worten: „Das Risiko, dass Atomwaffen eingesetzt werden könnten, ist gewaltig.“

Was die Vereinigten Staaten als selbstbewusstes Handeln darstellen, ist in Wirklichkeit Verzweiflung. Angesichts einer sich verschärfenden wirtschaftlichen und sozialen Krise versucht der US-Imperialismus, seine globale Hegemonie und die Vorherrschaft des US-Dollars in der globalen Wirtschaft zu wahren, was durch den Aufstieg Chinas zunehmend bedroht ist.

Die sich verschärfende militärische Krise setzt die Vereinigten Staaten unter Druck, direkt zu intervenieren, um eine Katastrophe abzuwenden. Wie viel Spielraum haben die Vereinigten Staaten nun, da die Nato-Waffen für Angriffe auf das russische Inland eingesetzt werden, noch für eine Eskalation? Der nächste Schritt ist die Stationierung von US- und Nato-Truppen und sogar die Stationierung - oder der Einsatz - von Atomwaffen in dem Konflikt.

Diese Katastrophe kann und muss abgewendet werden. Die Stimmung für die Entwicklung einer Massenstreikbewegung in der amerikanischen und kanadischen Autoindustrie weist auf die soziale Kraft hin, die mobilisiert werden muss, um der imperialistischen Kriegstreiberei Einhalt zu gebieten. Der Krieg ist im Grunde ein „Zweifrontenkrieg“, denn er richtet sich nicht nur gegen jene Länder, welche die USA beherrschen und unterjochen wollen. Der Krieg richtet sich zugleich auch gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land, welche die herrschende Klasse im Zuge des Übergangs zur Kriegsproduktion disziplinieren und unterdrücken will.

Die zentrale Aufgabe im Kampf gegen den Krieg besteht darin, die sozialen Forderungen der Arbeiter zu verbinden mit dem Kampf gegen die räuberische Außenpolitik des amerikanischen Imperialismus.

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