Am 11. September 2023 jährte sich zum 50. Mal der blutige Putsch von General Augusto Pinochet, der die Arbeiterklasse in Chile zerschlug und eine 17-jährige faschistisch-militärische Diktatur einleitete. Der Putsch löste eine brutale Unterdrückung aus, bei der Zehntausende chilenische Arbeiter, Studenten und Linke ermordet wurden, verschwanden, gefoltert und ins Exil gezwungen wurden.
Die World Socialist Web Site veröffentlicht im Folgenden in gekürzter Form die Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, der trotzkistischen Weltbewegung, die wenige Tage nach dem Putsch erschien.
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Verteidigt die Arbeiterklasse in Chile!
Erklärung der Vierten Internationale vom 18. September 1973
Stalinismus und Konterrevolution
„Verteidigt eure demokratischen Rechte nicht durch Volksfront und Parlament, sondern durch den Sturz des kapitalistischen Staates und die Errichtung der Arbeitermacht. Setzt kein Vertrauen in den Stalinismus oder die Sozialdemokratie, den Zentrismus, den Revisionismus oder die liberale Bourgeoisie, sondern baut eine revolutionäre Partei der Vierten Internationale auf, deren Programm die Durchführung der permanenten Revolution ist.“
Das sind die Lehren, die mit dem Blut des heldenhaften chilenischen Proletariats niedergeschrieben werden, während die Panzer und Exekutionskommandos der chilenischen Bourgeoisie sich ihren mörderischen Tribut holen und die stalinistischen, sozialistischen und liberalen bürgerlichen Führer die Kasernen nach einem sympathisierenden General durchsuchen oder sich darauf vorbereiten, mit Chiles neuen Herren ihren Frieden zu schließen.
Die Arbeiterklasse wird niemals den ungleichen und doch ermutigenden Widerstand der chilenischen Arbeiter vergessen, die nicht zum letzten Mal zeigten, dass sie die einzige revolutionäre Kraft in Chile sind: fähig, gegen den Imperialismus und die einheimischen Kapitalisten vorzugehen. Aber sie wird niemals den stalinistischen und sozialistischen Führern vergeben, deren politische Feigheit und deren gemeiner Verrat allein es der chilenischen Bourgeoisie ermöglichte, dem Beispiel Indonesiens, Griechenlands, Boliviens und des Sudan zu folgen.
Diese Ereignisse bezeugen in der blutigsten Art und Weise die Krise der Führung der Arbeiterklasse und die enormen Gefahren, die der Arbeiterklasse als Folge des Zusammenbruchs des Weltwährungssystems und der Maßnahmen Richard Nixons vom 15. August 1971 drohen.
Wieder einmal hat sich der Stalinismus als der hartnäckigste Verteidiger des bürgerlichen Eigentums und des bürgerlichen Staates und als der übelste Feind der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse in ihrem Kampf zur Verteidigung grundlegender demokratischer Rechte erwiesen.
Seit dem Beginn von Salvador Allendes Regime im November 1970 wurde das gesamte Gewicht der Moskauer Bürokratie eingesetzt, um die reaktionäre und schwache chilenische Bourgeoisie zu unterstützen und die Arbeiterklasse durch den Apparat der chilenischen Kommunistischen Partei zu desorientieren.
Wenn 1970/71 das Militär nicht in der Lage war, die Macht zu ergreifen, sondern drei Jahre mit der Durchführung seiner Pläne warten musste, dann deshalb - so erklären wir kategorisch - weil die planvolle und systematische Fehlorientierung durch die Stalinisten politisch nötig war, bevor die Bedingungen für den Putsch reif waren.
Die wichtigste ideologische Waffe der Stalinisten in der Vorbereitung des Coups war die menschewistische Zwei-Stufen-Theorie und das bankrotte Konzept eines „friedlichen parlamentarischen Wegs zum Sozialismus“ durch Volksfronten – beides entwaffnete die Arbeiterklasse und verhinderte im entscheidenden Augenblick ihre Mobilisierung. Dadurch, dass der chilenische Stalinismus die Auswirkungen der Weltwährungskrise ignorierte, die Allende vor allem an die Macht gebracht hatten, bewusst die reaktionäre Klassennatur des kapitalistischen Staates herunterspielte und die reformistische Neigung eines kleinen Teils der chilenischen Bourgeoisie übertrieb und verdrehte, wurde er zum Henker der chilenischen Revolution.
Die Niederlage war nicht unvermeidlich
Eine Verteidigung der chilenischen Arbeiterklasse ist nicht möglich, ohne die Aufdeckung der Lügen, Halbwahrheiten und glatten Entstellungen, zu denen die europäischen Stalinisten ihre Zuflucht nehmen, um die Ursachen der Niederlagen zu verschleiern und das Ausmaß ihrer Konsequenzen herunterzuspielen.
Nachdem die europäischen Stalinisten durch ihre unkritische Unterstützung jedes reformistischen Rückzugs von Allende einen wichtigen Beitrag zur Täuschung der chilenischen Arbeiter geleistet haben, versuchen sie nun, die chilenischen Ereignisse als tragisch, aber historisch unausweichlich hinzustellen. Das letzte, was diese reformistischen Bürokraten wünschen, ist eine ehrliche Untersuchung der chilenischen Ereignisse.
Ihre Angst und ihre Verachtung für die Arbeiterklasse sind so groß, dass sie es nicht wagen, die geringste Kritik an ihrer Politik zu üben. Im Gegenteil - die chilenische Niederlage wird sie ermutigen, den „friedlichen Weg“ noch nachdrücklicher zu verfolgen....
Jedes Stadium der chilenischen Katastrophe wurde von der Krise der Führung der Arbeiterklasse, dem Bankrott des Stalinismus und der chilenischen Sozialdemokratie bestimmt. Dieser Bankrott äußerte sich in der absoluten Weigerung, die chilenischen Kapitalisten vollständig zu enteignen und in dem Kniefall vor dem kapitalistischen Staat, der als die Verteidigung der „hundertjährigen Kongressdemokratie in Chile“ hingestellt wurde....
In diesem Sinne besitzen die Lehren von Chile Weltgeltung und lassen sich mit besonderer Bedeutung auf Länder wie Frankreich und Italien ausdehnen, wo der Stalinismus die Arbeiterbewegung beherrscht und seine reaktionäre Lehre von der „friedlichen Koexistenz“ und der „fortgeschrittenen Demokratie“ dazu benutzt, die Massen einzulullen und dem Faschismus wie dem kapitalistischen Staat zu erlauben, ihre Angriffe vorzubereiten.
Die gesamte Geschichte Lateinamerikas im 20. Jahrhundert und die reiche Erfahrung der europäischen Arbeiterbewegung seit der Pariser Kommune haben mit restloser Klarheit gezeigt, dass der kapitalistische Staat nicht neutral ist, sondern der Ausdruck des kollektiven Willens der herrschenden Klasse - eine Maschinerie zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere. Die einzige Funktion des Staates ist die Verteidigung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse.
In der Epoche des Niedergangs des Kapitalismus - dem Imperialismus - hat sich der Konflikt zwischen den Produktivkräften und den Eigentumsverhältnissen enorm verschärft, und in demselben Maße hat sich die Rolle des Staates beim Eingriff in das soziale und wirtschaftliche Leben eines jeden Landes erhöht: Der Unterdrückungsapparat, wie Engels die Staatsmaschinerie definierte, nimmt ein unverhältnismäßiges Ausmaß an, und der Angriff auf die grundlegenden demokratischen Rechte wird zum beherrschenden Kennzeichen kapitalistischer Herrschaft. Wenn es der Arbeiterklasse nicht gelingt, eine revolutionäre Partei aufzubauen und den Staat zu stürzen, dann wird der Übergang zum Faschismus und Bonapartismus unausweichlich. Das ist die Lehre von Deutschland, Italien und Spanien in den 30er Jahren... Das war die Hauptaufgabe, der die Allende-Koalition von 1970 gegenüberstand, die aber Allende mit Unterstützung der Stalinisten beständig umging.
Die Rolle des Militärs
Kein Volksregime konnte somit friedlich neben den chilenischen Streitkräften bestehen, die von den reaktionären Vertretern der Kapitalisten und Großgrundbesitzern angeführt wurden. Jeder ihrer Führer war ein vom CIA ausgebildeter berufsmäßiger Reaktionär.
Anstatt den Kongress, den Senat und die bewaffneten Streitkräfte aufzulösen und eine Volksmiliz zu schaffen, deren Macht sich aus den Arbeiter- und Kleinbauernräten herleiten würde, wurden die chilenischen Stalinisten die Hauptverteidiger von „Recht und Ordnung“ der Bourgeoisie durch die Schaffung der Volksfront-Regierung.
In einem Seminar, das vor kurzem von der stalinistischen Zeitschrift World Marxist Review abgehalten wurde, offenbarte Banchero, der Sprecher der chilenischen Stalinisten, die Haltung seiner Partei zum Staat in aller Klarheit: „Ein besonderer Zug des revolutionären Prozesses in Chile besteht darin, dass er innerhalb des Rahmens der bürgerlichen Institutionen der Vergangenheit begann und sich dort auch fortsetzt... In Chile, wo jetzt eine antiimperialistische, antimonopolistische und antifeudale demokratische Volksrevolution im Heraufziehen ist, haben wir im wesentlichen die alte Staatsmaschinerie beibehalten. Die Regierungsbüros sind hauptsächlich mit den alten Beamten besetzt... Die Verwaltung vollführt ihre Funktionen unter der Leitung und Kontrolle der Volksregierung.
Die bewaffneten Streitkräfte achten auf ihren Status als eine berufsmäßige Einrichtung und nehmen nicht an der politischen Auseinandersetzung teil, sondern unterwerfen sich der gesetzmäßig gebildeten zivilen Macht. Im Namen des patriotischen Ziels der Umwandlung Chiles in ein freies, fortgeschrittenes und demokratisches Land haben sich Bande der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts zwischen der Armee und der Arbeiterklasse ergeben.
Ultralinke Elemente schreien nach der sofortigen,Einführung’ des Sozialismus. Wir halten jedoch dagegen, dass die Arbeiterklasse die volle Macht allmählich erobern wird: im Gleichschritt mit dem Anwachsen unserer Kontrolle über die Staatsmaschinerie werden wir daran gehen, diese im Interesse der Weiterentwicklung der Revolution umzuwandeln.“
Banchero vorausgegangen war der britische Stalinist Idris Cox, der ebenso den „friedlichen Weg“ predigte:
In Großbritannien wird oft die Frage gestellt, allerdings in der Hauptsache von ultralinken Elementen, ob wir unser Ziel ohne die Anwendung bewaffneter Gewalt oder Bürgerkrieg erreichen können. Niemand kann garantieren, dass es nicht so kommen wird, aber unserer Ansicht nach ist es wegen der Veränderung des Kräftegleichgewichts auf Weltebene und der geschwächten Position der britischen herrschenden Klasse unwahrscheinlich, dass diese bewaffnete Gewalt anwenden würde, um über die Ergebnisse einer demokratischen Wahl hinwegzugehen.
Cox‘ Verteidigungsrede wurde noch bündiger von Pablo Neruda, dem stalinistischen Dichter und chilenischen Botschafter in Paris zum Ausdruck gebracht: „Was unsere Armee betrifft, wir lieben sie. Sie ist das Volk in Uniform.“
Die wirklichen Urheber dieser reformistischen Strategie sind jedoch nicht in England oder Chile zu finden, sondern in dem bürokratischen Zentrum in Moskau. Im Interesse ihrer Außen- und Innenpolitik war die Sowjetbürokratie nicht nur der Hauptbefürworter des „friedlichen Wegs“, sondern - und das ist noch bedeutender - ebenso einer neuen und flexibleren Haltung gegenüber den bewaffneten Streitkräften in Lateinamerika.
Generationenlang war es Tradition der lateinamerikanischen Sozialisten und sogar einiger Teile der Stalinisten, die Armee mit Feindschaft und Misstrauen zu behandeln - doch diese Haltung kam in Konflikt mit der Politik der Bürokratie in der UdSSR, die darin besteht, jeden Militärdiktator anzuerkennen und mit ihm Handel zu treiben - sei es Franco (Spanien), Papadopoulos (Griechenland) oder Lon Nol (Kambodscha). Von daher waren in der jüngsten Vergangenheit die Sowjet-„Theoretiker“ so geschäftig dabei, für ihre lateinamerikanischen Kollegen die Bedingungen zu schaffen, mit der Armee und unter der Armee zu arbeiten.
Zu diesem Zweck versuchten sie, den Klassencharakter der Armee und ihre im Wesentlichen unterdrückerische Rolle zu verdunkeln. In der Novemberausgabe des Comment von 1970 schrieb ein gewisser Dr. Shugolvsky einen langen Artikel, in dem die neue Linie sehr deutlich ausgedrückt wurde, die nun in Chile ihre blutigen Folgen gezeigt hat....
Es ist die Meinung der Kommunistischen Parteien, dass die gesunden Kräfte in den Armeen eine bedeutende Rolle in der Befreiungsbewegung und in der Bewirkung tiefer sozialer Veränderungen spielen müssen. Die Kommunisten widersetzen sich aufs schärfste vulgären anti-militärischen Ansichten und jeder Manifestation von Sektierertum (!!) hinsichtlich des Militärs, weil das einfach nur zusätzliches Wasser auf die reaktionären Mühlen schüttet.
Obwohl als eine theoretische Analyse dargelegt, ist dieser Artikel eine klare Anweisung für die Skeptiker in der KP. In dem gleichen Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass der verstorbene Stalin in den 20er Jahren die chinesischen Kommunisten anwies, sich der Kuomintang-Armee Tschiang Kai-Sheks unterzuordnen, mit der Begründung, diese sei modern, fortschrittlich, ja sogar revolutionär. Diese bürokratische Theorie führte direkt zu dem größten Massaker an Kommunisten, das China jemals erlebt hat - zu dem Massaker von Schanghai....
Kapitulation vor den Rechten
In Chile gewann diese Frage zusätzliche Bedeutung durch die Tatsache, dass sowohl der Kongress als auch der Senat von den rechtsgerichteten christlich-demokratischen und nationalistischen Parteien beherrscht waren, die beide auf einen Sturz Allendes hinarbeiteten.
Die Christdemokraten - geführt von dem CIA-Kandidaten Eduardo Frei - benutzten bis zum äußersten die falsche Legitimität, die Allende dem Kongress und dem Senat verliehen hatte, um seine reformistische Gesetzgebung zu verschleppen und zu behindern, während sie gleichzeitig einen gemeinsamen Angriffsplan ausarbeiteten. In diesem Plan waren die Stalinisten ihre Hauptverbündeten, die voll und ganz Allendes dauernde Weigerung unterstützten, eine Arbeitermiliz aufzubauen. Auf der Höhe der Kabinettskrise im September 1972 machte Allende seine Entschlossenheit besonders klar, die extrem linksgerichtete Opposition seinen fabianischen Reformen zu opfern. Gleichzeitig wies er ausdrücklich die Idee einer Volksmiliz zurück.
Es wird hier keine anderen bewaffneten Streitkräfte geben, als die, die in der Verfassung festgesetzt sind. Das heißt: die Armee, die Marine und die Luftwaffe. Ich werde alle anderen vernichten, sobald sie auftauchen.
Geschichtlich gesehen wiegen die dünnen Reformen Allendes, die große Hoffnungen unter den Arbeitern, Bauern und dem Kleinbürgertum weckten, viel weniger als der Verrat dieser Hoffnungen durch ihren erzwungenen Respekt vor der verfassungsmäßigen Legalität.
So waren die Reaktionäre in der Opposition in der Lage, ihre Pläne wirksamer mit den „Gorillas“ der bewaffneten Streitkräfte, den ausländischen Gläubigern und den enteigneten Monopolen abzustimmen. Indem sie ihre verfassungsmäßige Mehrheit in beiden Häusern ausnutzte, und auf die wachsende Ernüchterung auf dem Lande aufgrund des Scheiterns von Allendes Anti-Inflationspolitik baute, ließ die Opposition die erste Etappe ihres Plans anlaufen: den Rücktritt radikaler Minister zu erzwingen und Offiziere an ihre Stelle zu setzen. Nach den Nachwahlen vom Januar 1972 war Allende gezwungen, seinen sozialistischen Innenminister fallenzulassen, während seine Pläne für die Reform des Zwei-Kammer-Systems durch die Opposition wirksam abgeblockt wurden.
Im Juni 1972 riefen größerer Druck und weitere Geheimgespräche zwischen Regierung und Opposition eine erneute Kabinettskrise hervor, in der Allende seinen linksgerichteten Wirtschaftsminister Pedro Vuskovic feuerte und seine Verstaatlichungspläne aufgab. Dabei wurde er, wie vorherzusehen war, voll von den Stalinisten unterstützt, die wie 1938 in Spanien zum äußersten rechten Flügel der Koalition geworden waren. Die Stalinisten beschuldigten Vuskovic, „das Vertrauen der Wirtschaft zu zerstören.“ Gleichzeitig traten sie für einen Dialog mit den Christlichen Demokraten ein, sowie für die Annahme des hohlen Programms der Opposition zur „Arbeitermitbestimmung“ anstelle der Verstaatlichung.
Der stalinistische Gewerkschaftsführer Figuero begrüßte diesen korporatistischen Plan enthusiastisch: „Mitbestimmung darf nicht im Eigentum der Arbeiter am Firmenbesitz bestehen, sondern in einer wirksamen und aktiven Rolle in Management und Planung.“ Dieser Rat war mit der Organisation größerer Produktivitätsanstrengung und „freiwilliger Arbeit“ verbunden.
Im August 1972 führte der „friedliche Weg“ zu einem wilden Schlagabtausch, als die Ladenbesitzer mit der Polizei in Santiago zusammenprallten - sofort benutzten die Stalinisten das als Vorwand, um das Verbot der extrem linken Gruppen wie der MIR im Süden zu fordern, mit der armseligen Ausrede, die Handlungen der Linken „würden einen Vorwand für das Eingreifen des Militärs liefern“.
Die außerordentliche Feindschaft der Stalinisten gegen jede linke Gruppe, die sich nicht an die Linie Allendes fesseln ließ, fand im August 1972 einen brutalen Ausdruck, als stalinistische Mitglieder der Polizei einen Stützpunkt der MIR (linker Flügel) außerhalb Santiagos angriffen und fünf Bauern töteten.
Ende 1972 war die Reaktion zu ihrer zweiten Phase bereit. Das war der Streik der Lastwagenbesitzer im Süden des Landes gegen die Verstaatlichung. Nach vier Wochen kapitulierte Allende nicht nur vor der Reaktion, sondern stimmte ebenso zu, drei Generäle ins Kabinett zu nehmen, und zum zweiten Mal ließ er seinen Innenminister fallen. Die prominenteste Ernennung war die von General Mario Prats - Befehlshaber der bewaffneten Streitkräfte und bekannt für seinen Hass gegen die Arbeiterklasse. Der Innenminister - Del Canto - wurde fallengelassen, weil er die „illegale Besetzung“ von Privatindustrien durch Arbeiter zuließ. Dieser Rechtsruck war unerbittlich.
Dies war nicht nur ein Sieg für die Rechte, der Signalwirkung hatte, sondern ebenso eine bedeutende Errungenschaft der Stalinisten, die überall gegen alle Fabrikbesetzungen und Landbesetzungen kämpften und sich unerbittlich jedem Kampf widersetzten, der nicht von Allende oder ihnen selbst kontrolliert wurde.
In der ganzen Welt machte sich die stalinistische Lügenmaschine an die Arbeit, um die Bedeutung dieser ominösen Berufungen zu verdrehen. Comment (Nov. 1972), die Zeitschrift der britischen KP, zögerte nicht, Allende - und Prats - zu verteidigen.
„Ist das nicht ein Zeichen der Schwäche? oder des Aufgebens? oder des Verrats?... Der Eintritt dieser Offiziere in die Regierung ist, so merkwürdig es auch scheinen mag, ein Anzeichen dafür, dass die Rechten in diesem Gefecht der Klassenschlacht ausmanövriert und besiegt worden sind.“
In der gleichen Weise wie Sukarno in Indonesien versuchte, in seinem auseinanderbrechenden Kabinett die Linke gegen die Rechte auszubalancieren, belohnte Allende den Stalinisten Figuero mit der Stelle des Arbeitsministers....
Die unlösbare Wirtschaftskrise
Hinter den wachsenden Intrigen der Opposition, der Arroganz der Generäle, der zunehmenden Entschlusslosigkeit Präsident Salvador Allendes und der Kapitulation der Stalinisten 1972/73 lag die unlösbare Krise des chilenischen und des Weltkapitalismus.
Als Allende die Macht übernahm, wurde Chile von einer Wirtschafts- und Finanzkrise geschüttelt. Sie hat sich seitdem erheblich verschlimmert. Die Reserven der Zentralbank waren von 500 Mill. Dollar auf 280 Mill. Dollar zurückgegangen und im April 1972 wurden sie auf ganze 60 Mill. Dollar geschätzt. Gleichzeitig überstiegen Chiles Schulden im Ausland 3 Mrd. Dollar; der größere Teil davon stand unter der Aufsicht europäischer Zentralbanken.
Die Unmöglichkeit, diese enormen Schulden zu tilgen und dazu der ständig fallende Exportpreis für Kupfer bedeuteten, dass Allende den chilenischen Escudo in zwei Jahren viermal abwerten musste. Allein die Verpflichtung für die Auslandsschulden beliefen sich in einem Jahr auf fast 300 Mill. Dollar. Der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und die Kürzungen der amerikanischen Auslandshilfe machten jede Hoffnung der kapitalistischen Wirtschaft in Chile zunichte, jemals zahlungsfähig zu werden. Der Kompromiss Allendes und der Stalinisten mit den ausländischen Kreditgebern ermutigte die nationale Reaktion, ihren Druck gegen weitere Verstaatlichungen zu verstärken und sich offen auf die Konterrevolution vorzubereiten.
Die Stalinisten verurteilten Demonstrationen von Arbeitern und Studenten gegen die rechten Kräfte, während Allende nichts Besseres zu tun hatte, als die verhassten Carabinieros zu loben - die Elite-Polizeitruppe, die zu Angriffen auf Arbeiter und Kleinbauern, die Land besetzten, eingesetzt wurde.
Allendes Worte drücken klar die Ehrfurcht, um nicht zu sagen die Machtlosigkeit des kleinbürgerlichen Arztes vor der kapitalistischen Staatsmaschinerie aus und seinen völligen Mangel an Vertrauen in die Arbeiterklasse:
Nicht von ungefähr ist der Wahlspruch der Carabinieros ‘Ordnung und Vaterland‘. Gemeint ist eine Ordnung, die auf moralischer Autorität beruht, auf der korrekten Pflichterfüllung, die in keiner Weise eine Verneinung der Hierarchie bedeutet. Es ist sogar so, dass sie eine Auffassung von Disziplin und Hierarchie haben, die aus der gleichen Vorstellung erwächst, die diese Regierung von sozialer Disziplin und der Anwendung öffentlicher Gewalt hat.
Genau diese „Auffassung von Disziplin und Hierarchie“ war es, die die Carabinieros der Präsidentenwache zur Übergabe veranlasste, als es zum Militärputsch kam.
Im September 1972 wies Allende jede Gefahr eines Militärputsches von sich: „Ich halte meine Regierung für den besten Garanten des Friedens. Es gibt hier Wahlen und Freiheit. 90 Prozent der chilenischen Bevölkerung wollen keine bewaffnete Konfrontation.“
Die übrigen zehn Prozent teilten Allendes stalinistische Illusion allerdings nicht. Neue Gruppen wie die halbfaschistische „Vaterland und Freiheit“-Front begannen, sich offen gegen das Regime zu bewaffnen, während die Grundherren im Süden private Armeen aufbauten, um kollektive „Gerechtigkeit“ gegen die Kleinbauern zu üben. Darüber hinaus gestand Allende nach den Bestimmungen des Abkommens mit der Opposition vom Oktober 1972 der Reaktion eine unschätzbare Waffe zu, indem er die 155 chilenischen Rundfunkstationen freigab und ihre Zwangsvereinigung mit dem staatlichen Rundfunksystem verhinderte.
1973 hatte die stalinistische Politik der „Mäßigung und Versöhnung“ die Industriearbeiter desillusioniert, und die Kupferarbeiter streikten zum ersten Mal für höhere Löhne. Das war ein ernstes Zeichen der Krise, aber auf Anraten seiner stalinistischen Minister griff Allende die Arbeiterklasse in der übelsten Weise an.
Nach seiner Rückkehr aus Moskau im Januar 1973 attackierte Allende die streikenden Arbeiter der Kupferminen als „richtige Monopolbankers“, „die mehr Geld für ihre Taschen verlangen, ohne sich im geringsten um die Situation im Lande zu kümmern.“
In der gleichen Rede enthüllte Allende, dass die Auslandsschulden in zwei Jahren von drei Mrd. auf 4,02 Mrd. Dollar angewachsen waren und gab weiter zu, dass das Parlament bald aufgelöst werden sollte. Das war der Preis des „friedlichen Wegs“.
Auch hier hatten die Stalinisten die Hand im Spiel. Als die Arbeiter der riesigen verstaatlichten El Teniente-Kupferbergwerke 70 Tage lang für höhere Löhne streikten, wandten sich die Stalinisten gegen Allendes Vermittlungsangebot, nannten es „wankelmütig“ und „einfach unzulässig“ und ermunterten die Regierung dazu, Tränengas und Wasserwerfer gegen demonstrierende Bergarbeiter einzusetzen. Die Provinz O‘Higgins, wo die Streiks stattfanden, wurde unter Militäraufsicht gestellt.
Gleichzeitig machte Allende den Vorschlag, die Armeegeneräle, die im März 1973 zurückgetreten waren, wieder an die Regierung zu bringen. Der Zweck dieser Initiative lag auf der Hand. Allende und die Stalinisten wollten die Armee gegen die Arbeiterklasse einsetzen, obwohl ihre Parteiführer davon überzeugt waren, dass die Opposition für August oder September einen Coup vorbereitete!
Im Juni 1973, in der Periode nach dem Streik der Kupferbergarbeiter, machte der rechte Flügel seinen ersten Versuch einer Machtübernahme. Dieser Anschlag des Zweiten Panzerregiments schlug fehl, aber er zeigte, wie extrem verletzlich das Regime für einen Putsch war.
Dieser Angriff veranlasste die Arbeiterklasse zu Aktionen wie Fabrikbesetzungen und zur Verstärkung der Arbeiterkomitees, die von Oktober bis November 1972 entstanden waren.
Die Reaktion des chilenischen Stalinistenführers Luis Corvalan auf den fehlgeschlagenen Coup vom 29. Juni zeugt von der Panik, in die diese Verräter verfielen, als sie Allendes Schicksalsstunde kommen sahen. Selbstzufriedenheit und Begeisterung waren vorbei, an ihre Stelle trat lähmendes Entsetzen vor der Armee: „Die Revolte wurde dank der sofortigen und zielsicheren Aktion des Oberbefehlshabers der Armee, der Loyalität der Streitkräfte und der Polizei schnell eingedämmt... Wir werden weiterhin unbedingt den berufsmäßigen Charakter der bewaffneten Einheiten unterstützen. Ihre Feinde sind nicht im Lager des Volkes, sondern in dem der Reaktion.“ (Marxism Today, Sept. 1973)
Sogar zu diesem späten Zeitpunkt hätte die Lage durch eine resolute und entschiedene Führung noch gewendet werden können.... Die chilenischen Stalinisten verfolgten jedoch einen Kurs, der nicht nur falsch, sondern schlimmer noch: widersprüchlich war. Wie Corvalan schrieb: „Die patriotische und revolutionäre Parole muss sein:,Nein zum Bürgerkrieg! Nein zum Faschismus!‘“ Aber Faschismus ist Bürgerkrieg gegen die Arbeiter, und die Existenz des kapitalistischen Staates birgt in sich die potentielle Gefahr eines Bürgerkriegs gegen die Arbeiterklasse. Indem er den Bürgerkrieg leugnete und den Kampf in der Hand reaktionärer Offiziere ließ, erleichterte der chilenische Stalinismus nur die Niederlage der Arbeiter.
Aber die chilenischen Arbeiter mussten einen noch viel schwereren Schlag hinnehmen. Bei ihrer verzweifelten Suche nach Verbündeten begannen die chilenischen Stalinisten damit, äußerst opportunistische Aufrufe an die Reihen der Faschisten und die rechtsextremen Parteien zu richten. Corvalan bat ohne sich zu schämen die Anhänger von Pablo H. Rodriguez, dem Faschisten, um einen „Dialog“ zur Vermeidung des Bürgerkriegs, um „unser Land zu vereinen, künstliche Spaltungen zwischen Chilenen zu vermeiden, die ein gemeinsames Interesse haben“. Die Faschisten behandelten Corvalans Ersuchen natürlich mit Verachtung und Hohn und trieben die Vorbereitung auf den Bürgerkrieg voran.
Als die Arbeiter der Regierung in zunehmendem Maße mit Skepsis begegneten und ihre Selbstverteidigung spontan zu organisieren begannen, verstärkte die Rechte ihre Vorbereitungen und sprach offen davon, den „indonesischen Weg“ zu gehen. Chiles größte bürgerliche Tageszeitung El Mercurio sprach am 27. Juli mit hämischer Freude über das „spontane und fürchterliche Massaker“ in Indonesien, das ihrer Meinung nach „gar nicht so fürchterlich war“, weil es Indonesien zu „einer der führenden Nationen im südlichen Asien“ gemacht habe, in der die Wirtschaft stabilisiert worden sei und die Ordnung sich durchgesetzt habe.
Frei, der frühere Präsident Chiles rief offen nach der Zerschlagung der „Parallelarmee“, die in den Fabriken heranwuchs. In dieser Situation hätte nur entschlossenes Handeln der Regierung bei der Bewaffnung der Arbeiter, die Auflösung der Armee, die Mobilisierung der gesamten Arbeiterklasse für den Kampf, einen Putsch verhindern oder niederschlagen können. Die Regierung und die Stalinisten taten das Gegenteil.
Ein Waffenkontrollgesetz, das in der Krise im Oktober 1972 verabschiedet worden war, wurde wieder angewendet, um die Bewaffnung der Arbeiter zu verhindern. In der Marine und im Heer benutzten die rechtsextremen Offiziere die Apathie, Tatenlosigkeit und Gleichgültigkeit der Stalinisten, um durch demagogische Reden die Soldaten zu indoktrinieren und auf den Aufstand vorzubereiten. Allendes glühende Appelle an die Armee verstärkten nur die Entschlossenheit der Generäle, dem Experiment des „friedlichen Weg zum Sozialismus“ ein rasches und brutales Ende zu bereiten.
Der schließliche Angriff auf den Präsidentenpalast am 11. September wurde so zum entscheidenden Schlag eines Plans, der nur durch das Stillhalten der Regierung und der stalinistischen Partei entwickelt werden konnte. Wie Hitler und Franco gewann auch General Pinochet durch Versäumnisse, die auf den Verrat des Stalinismus zurückzuführen sind.
Das Kleinbürgertum und die Reaktion
Eine letzte Frage muss an die Stalinisten gestellt werden. Woran liegt es, dass keiner der stalinistischen Führer es wagt, die durch die Niederlage gestellte, äußerst wichtige Frage zu beantworten: Warum wandten sich die städtische Mittelklasse und mit ihr die unteren Ränge des Militärs so heftig gegen das Regime? Wenn der „friedliche Weg“ und die „Achtung vor dem Gesetz“ die einzige Garantie sind, um die Mittelklasse zu gewinnen, warum schlug er dann in Chile so katastrophal fehl?
Es bedeutet ein Vertuschen des Verrats der Volksfronttaktik und eine Verunglimpfung des Marxismus, wenn man dies den CIA-Intrigen oder der Tendenz der Mittelklasse zuschiebt, immer Militärregime zu unterstützen, wie es die Stalinisten heute tun. Wie Trotzki in „Wohin geht Frankreich?“ (1934) schrieb:
Das Kleinbürgertum zeichnet sich durch seine wirtschaftliche Unselbständigkeit und soziale Ungleichförmigkeit aus. Seine oberen Schichten gehen unmittelbar in die Großbourgeoisie über. Die unteren Schichten verschmelzen mit dem Proletariat und sinken selbst in den Zustand des Lumpenproletariats hinab. Seiner wirtschaftlichen Lage entsprechend kann das Kleinbürgertum keine eigene Politik haben. Stets wird es zwischen den Kapitalisten und den Arbeitern hin- und herschwanken. Seine eigene Oberschicht stößt es nach rechts; seine unteren, unterdrückten und ausgebeuteten Schichten vermögen unter gewissen Umständen schroff nach links zu schwenken.[1]
In Perioden der akuten Krise und dem Fehlen einer revolutionären Führung beginnt das Kleinbürgertum, „die Geduld zu verlieren. Seine Haltung den eigenen Oberschichten gegenüber wird immer feindseliger, es überzeugt sich in der Tat von dem Unvermögen und der Treulosigkeit seiner politischen Führerschaft... Eben dieser Enttäuschung des Kleinbürgertums, seiner Ungeduld, seiner Verzweiflung bedient sich der Faschismus... Die Faschisten zeigen sich kühn, gehen auf die Straße, greifen die Polizei an, versuchen mit Gewalt das Parlament auseinanderzujagen. Das imponiert dem in Verzweiflung verfallenen Kleinbürger.“
Trotzkis Worte sind eine genaue Beschreibung des Kleinbürgertums unter Allende... Das Kleinbürgertum gehörte zu den ersten Opfern der Politik der Koalition, die zum Ziel hatte, die Arbeiterklasse durch Beihilfen zu beschwichtigen, während den Industriellen erhöhte Produktivität versprochen wurde, die Verstaatlichung drastisch eingeschränkt und eine Nichtanerkennung der ungeheuren Last der Auslandsschulden abgelehnt wurde, die die mit den USA sympathisierende Frei-Regierung angehäuft hatte.
Die effektive Abnahme der Kaufkraft wurde in der unteren Mittelklasse besonders stark empfunden.... Die großen Kapitalisten wünschten eine vollständige Abwertung des Escudo oder einen vollständigen Lohnstopp, verbunden mit einer gleichzeitigen Umleitung von Importdollars von Nahrungsmitteln auf Kapitalgüter. Die Arbeiter auf der anderen Seite wollten weitergehende Enteignungen, Arbeiterkontrolle und ein Ende des parlamentarischen Betrugs.
Allende und die Stalinisten wichen beiden Alternativen aus und verstrickten sich in ihre eigenen Widersprüche. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Imperialisten und die Junta zuschlugen. Als Grabspruch für Allende möchten wir folgendes Zitat von Lenin vorschlagen:
[D]as Proletariat kann nicht siegen, ohne die Mehrheit der Bevölkerung für sich zu erobern. Allein diese Eroberung unter der Herrschaft der Bourgeoisie auf das Erzielen einer Stimmenmehrheit bei Wahlen beschränken oder sie davon abhängig machen zu wollen, zeugt von abgrundtiefer Beschränktheit oder läuft auf einen glatten Betrug an den Arbeitern hinaus. Um die Mehrheit der Bevölkerung für sich zu gewinnen, muss das Proletariat erstens die Bourgeoisie stürzen und die Staatsmacht erobern; es muss zweitens die Sowjetmacht einführen, nachdem es den alten Staatsapparat in Trümmer geschlagen hat, wodurch es sofort die Herrschaft, die Autorität, den Einfluss der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Paktierer unter den nichtproletarischen werktätigen Massen untergräbt. Es muss drittens den Einfluss der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Paktierer innerhalb der Mehrheit der nichtproletarischen werktätigen Massen durch revolutionäre Befriedigung ihrer ökonomischen Bedürfnisse auf Kosten der Ausbeuter endgültig vernichten.[2]
Baut die revolutionäre Partei auf
Die Arbeiterklasse in Chile zu verteidigen heißt, sich die lebenswichtigen Lehren dieser Periode anzueignen und eine neue revolutionäre Führung aufzubauen, die sich auf die Prinzipien Lenins und Trotzkis stützt.
Während es wahr ist, dass der Stalinismus in der chilenischen Niederlage eine Hauptrolle spielte, ist es unmöglich, ihn isoliert von den Zentristen und Revisionisten zu analysieren, die gewollt oder ungewollt die Rolle von Verbündeten des Stalinismus spielten.
Die Zentristen der MIR (Bewegung der revolutionären Linken), die eine beträchtliche Anhängerschaft unter der landlosen Bauernschaft im Süden hatten, nahmen Allende gegenüber keine prinzipielle Haltung ein und stifteten in der Bauernschaft große Verwirrung. Ihre Politik der „kritischen Unterstützung“ Allendes bedeutete in der Praxis eine Kapitulation vor der Volksfront. Wie die POUM in Katalonien im spanischen Bürgerkrieg, nahm diese Gruppe ihre Opposition zu Allende in den Parlamentswahlen im März 1973 zurück, als eine kühne Herausforderung an die Stalinisten und Sozialisten und die Forderung nach einer Arbeiter- und Bauernregierung die Masse der Arbeiter und der armen Bauern hätte zusammenschließen können.
Die Revisionisten des Vereinigten Sekretariats spielten eine noch schändlichere Rolle. Der Militant (Zeitung der Socialist Workers Party der USA) lamentiert in der Ausgabe vom 4. September 1973: „Aber es gibt immer noch keine Partei, die dieses Beispiel (der Kontrolle der Produktion durch die Bevölkerung) aufnehmen und es in den Arbeiterversammlungen (Cordones) und im ganzen Land verbreiten kann.“
Warum erzählt die SWP ihren Lesern nicht, was mit der POR (Revolutionäre Arbeiterpartei Chiles) geschah, der Sektion des Vereinigten Sekretariats, die das Internationale Komitee verließ und sich dem Vereinigten Sekretariat der IV. Internationale anschloss, um die revisionistischen Theorien eines Mandels und Hansen zu unterstützen, die den Trotzkismus in Lateinamerika liquidierten und die Ideen und Methoden Guevaras und Castros an seine Stelle setzten. Warum erinnert die SWP nicht daran, dass sie selbst der Hauptvertreter dieser politischen Linie war?
Ist es nicht eine Tatsache, dass die trotzkistische Partei in Chile zerstört worden ist, aber nicht durch die Stalinisten oder irgendeine Junta, sondern durch die bewusste Annahme der revisionistischen Theorie, dass erfolgreiche Revolutionen ohne den Aufbau einer marxistischen Partei durchgeführt werden könnten?...
Die Niederlage in Chile wird für das revisionistische „Vereinigte Sekretariat“ nichts ändern. Entfernt davon, irgendwelche Lehren daraus zu ziehen, treiben es diese Ereignisse näher an die Bürokratie, die nationale Bourgeoisie und den Imperialismus. Das ist der Grund, warum z.B. die Revisionisten der International Marxist Group (Britische Sektion des Vereinigten Sekretariats) nicht zögern, mit den stalinistischen Verfechtern der Volksfront in Großbritannien an einer Demonstration gegen die chilenischen Junta teilzunehmen - und für die Volksfront in Chile.
Der Revisionismus hat ein neues Stadium seiner Degeneration erreicht. Indem sie mit der Volksfront marschieren, identifizieren sich die Revisionisten mit den konterrevolutionären Vorbereitungen der Stalinisten und der Bourgeoisie. Deshalb bedeutet Kampf gegen Stalinismus und „Castroismus“ die politische Vernichtung des Revisionismus.
Das Internationale Komitee ruft auf zur größten Solidarität der internationalen Arbeiterklasse im Boykott chilenischer Schiffe und Waren, zur Freilassung aller politischen Gefangenen und zur Beendigung der Massenerschießungen der Junta. Gleichzeitig fordern wir von der Regierung der UdSSR und den osteuropäischen Regierungen den Abbruch aller diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der chilenischen Junta und Gewährung aller erdenklichen Hilfe für die kämpfenden Arbeiter in Chile.
- Nieder mit der Militärjunta in Chile!
- Nieder mit der Volksfront!
- Nieder mit dem Stalinismus!
- Es leben die chilenischen Arbeiter!
- Baut die Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale auf.
18. September 1973
Leo Trotzki, »Wohin geht Frankreich?«, in: Wohin geht Frankreich?, Essen 2023, S. 29.
Lenin, »Die Wahlen und die Diktatur des Proletariats«, in: Werke, Band 30, S. 255.