Am 29. Juni hat das US-amerikanische Arbeitsministerium eine Beschwerde Will Lehmans abgewiesen. In einer zynischen und unbegründeten Entscheidung hat es sich vor die Führung der Autoarbeiter-Gewerkschaft UAW gestellt. Lehman, ein Autoarbeiter bei Mack Trucks, hatte letztes Jahr selbst für das Amt des UAW-Präsidenten kandidiert. Er beschuldigt die UAW-Bürokratie, das Wahlrecht hunderttausenden Mitgliedern vorenthalten zu haben.
Das Office of Labor-Management Standards (OLMS) beim Arbeitsministerium, das den Fall prüfte, hat sämtliche von Lehman und anderen Autoarbeitern zusammengetragenen Beweise über systematische Wahlbehinderung ignoriert. Das ist zwar nicht überraschend, unterstreicht aber, dass die UAW-Wahlen vollkommen undemokratisch waren.
In einem Schreiben vom 29. Juni 2023, das Lehman der WSWS zur Verfügung stellte, wies Tracy L. Shanker, die Leiterin der Abteilung für die Durchsetzung des Arbeitsrechts, seine Beschwerde ab, ohne eine Begründung abzugeben oder auf die vorgelegten Beweise einzugehen. Sie schrieb einfach: „Eine Begründung für diese Entscheidung wird Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt zugesandt.“
Der gesamte Brief lautet:
Sehr geehrter Herr Lehman:
Ihre Beschwerde an das Arbeitsministerium, mit der Sie gegen die Wahl der Gewerkschaftsfunktionäre der United Auto Workers (UAW) in Detroit (Michigan) am 2. Dezember 2022 protestieren, wurde gemäß den Abschnitten 402 und 601 des Labor-Management Reporting and Disclosure Act von 1959 untersucht.
Nach einer Überprüfung der Untersuchungsergebnisse durch dieses Büro und das Office of the Solicitor, Division of Civil Rights and Labor-Management, wurde entschieden, dass diese Ergebnisse keine Handlungsgrundlage des Ministeriums zur Aufhebung der angefochtenen Wahl darstellen.
Eine Begründung für diese Entscheidung wird Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt zugesandt.
Mit freundlichen Grüßen,
Tracy L. Shanker
Leiterin, Abteilung für Durchsetzung des Arbeitsrechts
Schon am 2. Dezember 2022 hatte Lehman Protest gegen die UAW-Wahlen beim gerichtlich bestellten UAW-Aufseher eingereicht. Darin dokumentierte er ausführlich die Art und Weise, wie die Gewerkschaftsbürokratie die UAW-Mitglieder über die Wahlen im Unklaren gelassen hatte, um die Wahlbeteiligung niedrig zu halten. Es waren die ersten nationalen Direktwahlen in der Geschichte der UAW, aber unzählige Arbeiter wurden niemals darüber informiert, was zu einer abgrundtief niedrigen Wahlbeteiligung von nur 9 Prozent im ersten Wahlgang führte. In mehreren großen Ortsverbänden, insbesondere bei den Arbeitern im Wissenschaftsbetrieb an der Westküste, lag die Wahlbeteiligung unter 1 Prozent.
Der UAW-Apparat hatte sich geweigert, die Datenbank des Local Union Information System (LUIS) mit den korrekten Adressen der Arbeiter abzugleichen, wie Lehman in seinem Protest nachgewiesen hatte. Das führte dazu, dass viele Arbeiter keine Stimmzettel erhielten. Tatsächlich wurden mehr Stimmzettel als unzustellbar zurückgeschickt, als in der ersten Wahlrunde abgegeben wurden.
David Lawson, Bundesrichter für den östlichen Bezirk von Michigan, hatte damals in einem Kommentar zu einer früheren Klage, die Lehman im November eingereicht hatte, selbst eingeräumt, dass die Wahlbeteiligung „blutarm“ und „bemerkenswert niedrig“ gewesen sei. Lawson stellte sogar fest, dass die LUIS-Datenbank „irgendwie die Mitglieder ausschließt“. Dennoch stellte der Bundesrichter sich auf die Seite des UAW-Apparats, der Wahlaufseher und des Arbeitsministeriums, die sich allesamt weigerten, die Wahlfristen zu verlängern und alle UAW-Mitglieder über die Wahlen zu informieren (wie Lehman gefordert hatte).
Der gerichtlich bestellte Aufseher der UAW hatte zwar zugegeben, nichts unternommen zu haben, um sicherzustellen, dass der UAW-Apparat das LUIS-System aktualisierte. Dennoch wies er am 19. März Lehmans Protest ab und stützte sich bei seiner Entscheidung fast ausschließlich auf ein nicht unterzeichnetes Dokument, das ihm die UAW-Führung verschafft hatte. Der UAW-Apparat tat sein Möglichstes, um Lehmans Beweise für die Wählerunterdrückung zu ignorieren. Aber rasch wurde dieser Versuch durch das Eingeständnis des unterlegenen bisherigen UAW-Präsidenten Ray Curry zunichte gemacht, der (aus eigenen wahltaktischen Gründen) zugab, dass es eine „zügellose Entmündigung von UAW-Wählern bei der Wahl“ gegeben habe.
Am 29. März legte Lehman gegen die Entscheidung des Wahlaufsehers Einspruch beim Arbeitsministerium ein.
Darin forderte Lehman die Wiederholung der UAW-Wahlen, wobei alle Namen der Kandidaten der ersten Runde wieder auf dem Stimmzettel erscheinen sollten. Auch seien die Anwaltskanzleien, die mit der Aufsicht der UAW-Wahlen betraut waren (Jenner & Block und Crowell & Moring) aufgrund der aufgedeckten eklatanten Interessenkonflikte abzusetzen. Beide Kanzleien sind seit langem als Rechtsvertreter für große Autokonzerne wie General Motors und andere tätig, die Verträge mit der UAW abschließen.
Vor weniger als zwei Wochen erließ Richter Lawson eine Entscheidung, in der er die UAW-Wahlaufseher öffentlich rügte, weil sie in ihrem beim Gericht eingereichten Statusbericht Einzelheiten zu den Wahlprotesten verschwiegen hatten. Lawson wies die Aufseher-Kanzleien an, die Einzelheiten und den Status der bei ihm eingegangenen Proteste zu veröffentlichen, was sie bis heute nicht getan haben.
Die Entscheidung des Arbeitsministeriums ist ein durchsichtiger Versuch der Biden-Regierung, den UAW-Apparat und den Vorstand des UAW-Präsidenten Shawn Fain zu stützen, der die Stimmen von nur drei Prozent von mehr als einer Million UAW-Mitgliedern erhalten hat. Das Weiße Haus hofft, der UAW durch die betrügerischen Wahlen einen gewissen Anschein von Legitimität zu verleihen. Die Demokratische Partei ist besonders darauf bedacht, die Stabilität des UAW-Apparats zu erhalten, weil am 14. September die Tarifverträge für 150.000 Ford-, GM- und Stellantis-Autoarbeiter auslaufen.
Die Gewerkschaftsbürokratie hatte sich gegen die „Direktwahlen“ der UAW-Präsidentschaft mit Händen und Füßen gewehrt. Sie kamen erst nach dem Aufdecken eines grassierenden Korruptionsskandals zustande, in dessen Folge etwa ein Dutzend Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft, darunter zwei ehemalige Präsidenten, wegen Annahme von Schmiergeldern der Konzerne oder Veruntreuung der Mitgliedsbeiträge ins Gefängnis kamen. Trotz der Versuche, die UAW als „gesäubert“ darzustellen, ist dies offensichtlich nicht der Fall: Aus einem Memo von Fain, das die Detroit News kürzlich zitierte, geht hervor, dass es „laufende Untersuchungen der Bundespolizei gegen UAW-Funktionäre“ gebe.
Der neue UAW-Präsident Shawn Fain schweigt zu den Beweisen über Wahlunterdrückung, und dasselbe tut auch die Fraktion Unite All Workers For Democracy (UAWD), die den pseudolinken Democratic Socialists of America (DSA) nahesteht. Dies entlarvt völlig deren Behauptungen, sie wollten die UAW „reformieren“ und „Demokratie“ und „Transparenz“ einführen.
In Wirklichkeit hegen die UAW-Bürokratie, das Weiße Haus, die Gerichte und alle Institutionen des kapitalistischen Staates nichts als Verachtung für die Arbeiter und ihre demokratischen Rechte.
Lehman, ein Sozialist, war der einzige Kandidat für das Amt des UAW-Präsidenten, der mit einem Programm antrat, das die Abschaffung des wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaftsapparats, die Übertragung der Macht auf die Basis und die Vereinigung der Arbeiter um eine gemeinsame internationale Strategie vorsah.
Nach der Entscheidung des Arbeitsministeriums sagte Will Lehman am Donnerstag der WSWS:
Dies war eine betrügerische Entscheidung, die Hunderttausenden von UAW-Mitgliedern das Recht nimmt, an einer sinnvollen Gewerkschaftswahl teilzunehmen. Aus politisch motivierten und illegitimen Gründen hat das Arbeitsministerium alle Beweise dafür ignoriert, dass die UAW-Bürokratie die Wahlbeteiligung absichtlich unterdrückte und die Arbeiter über die Wahlen im Unklaren ließ.
Wie schon beim Verbot eines Streiks der Eisenbahner und der Durchsetzung eines Tarifvertrags, gegen den diese Arbeiter im letzten Jahr gestimmt hatten, haben Biden und das Arbeitsministerium erneut bewiesen, dass der Staat ein Instrument der Klassenherrschaft ist und dass die ‚Gewerkschaftsdemokratie‘ eine Fiktion ist.
Aber was auch immer sie denken, diese Entscheidung wird die Krise, die den UAW-Apparat erfasst hat, nicht lösen. Der Staat hat den UAW-Wahlen seinen Segen erteilt, und dies wird sie in den Augen der Arbeiter nur noch illegitimer machen.
Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, den Gewerkschaftsapparat abzuschaffen und die Macht und die Entscheidungsfindung in die Hände der Arbeiter in den Betrieben zu legen. An meine Kolleginnen und Kollegen: Wenn ihr für die Macht der Arbeiter und unsere gemeinsamen Interessen kämpfen wollt, dann tretet einem Aktionskomitee in eurem Betrieb bei oder gründet selbst ein solches. Engagiert euch in der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees und werdet ein Teil dieser Bewegung.“
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