Großbritannien: Betrügerische „Basisinitiative“ der Pseudolinken zur Verteidigung der Gewerkschaftsbürokratie

Die Streikwelle, die im vergangenen Sommer in Großbritannien ausbrach, dauert nun schon fast ein ganzes Jahr. Betroffen sind die Eisenbahn, die Royal Mail, der Gesundheitsdienst National Health Service (NHS), der Bildungssektor und der ganze öffentliche Dienst.

Ausgelöst wurden diese Streiks durch die schlimmste Krise der Lebenshaltungskosten seit Menschengedenken, angeheizt durch die Corona-Pandemie, als der Staat die Großkonzerne mit massiven Subventionen ausstattete, durch die Auswirkungen des Brexit und zuletzt durch den Nato-Krieg in der Ukraine, der der arbeitenden Bevölkerung massive Kosten aufbürdet. Die Bewegung ist Teil eines größeren Kampfs der Arbeiterklasse in ganz Europa, einschließlich der größten Streik- und Protestwelle in Frankreich seit Mai/Juni 1968.

Streikposten von Postbeschäftigten im Crieff Delivery Office, 13. Oktober 2022

Anfänglich behauptete eine Gruppe angeblich „linker“ Gewerkschaftsführer, sie würde den Kampf anführen. Dies waren Sharon Graham von der Gewerkschaft Unite, Mick Lynch von der Rail Maritime and Transport Union (RMT), Dave Ward von der Communication Workers Union (CWU) und Jo Grady von der University and College Union (UCU). Lynch und Ward gründeten sogar eine neue Kampagnen-Organisation mit Namen „Enough is Enough“ (Genug ist genug), die auf Kundgebungen im gesamten Vereinigten Königreich auftrat. Pseudolinke Parteien wie die Socialist Party und die Socialist Workers Party unterstützten diese Gruppe enthusiastisch und präsentierten Lynch und seine Kollegen als Führer einer Wiedergeburt der militanten Gewerkschaftsbewegung.

Doch Ende letzten Jahres zeigten sich erste Risse. Lynch, Ward und andere verhinderten Streiks, an denen sich Millionen beteiligt hätten, missachteten das Ergebnis von Urabstimmungen, verhinderten gemeinsame Arbeitskämpfe und beschränkten die Streiks auf wirkungslose eintägige Arbeitsniederlegungen. Gleichzeitig ließen sie sich auf Gespräche hinter verschlossenen Türen mit der Regierung und den Unternehmern ein. Die CWU handelte für 40.000 Beschäftigte der British Telecom einen Vertrag unterhalb der Inflationsrate aus, desgleichen die RMT für 20.000 Eisenbahner bei Network Rail. Auch bei den Pflegekräften und NHS-Beschäftigten wurden Löhne, Arbeitsbedingungen und andere Errungenschaften ohne Not aufgegeben.

Dies provozierte eine wütende Reaktion: Krankenschwestern forderten ein Misstrauensvotum gegen die Generalsekretärin des Royal College of Nursing (RCN), Pat Cullen, und Universitäts- und Fachhochschuldozenten der UCU beantragten Gradys Absetzung. Ward und sein Stellvertreter Andy Furey galten plötzlich als Hassfiguren, nachdem sie dreimal versucht hatten, den Postbeschäftigten einen miserablen Vertrag aufs Auge zu drücken.

Ein kollektiver Schauder ging durch die Bürokratie und auch durch ihren angeblich „linken“ Flügel, wo pseudolinke Gruppen einen bedeutenden Teil der Gewerkschaftsführung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene stellen. Jahrelang hatten sie die Beschäftigten dazu aufgefordert, „sich stärker zu beteiligen“, „die Aktionen auszuweiten“ und über verschiedene „breite linke Bündnisse“ ihre Kandidaten zu unterstützen. Für besonders große Unruhe sorgte die Resonanz, die das Aktionskomitee Post (Postal Workers Rank-and-File Committee, PWRFC) bei Royal Mail erhalten hatte. Am 2. April mit Unterstützung der Socialist Equality Party und der World Socialist Web Site gegründet, hat das PWRFC seither mehr und mehr die Unterstützung all derjenigen gewonnen, die den jahrelangen Würgegriff der Bürokratie aufbrechen und die Verantwortung an die Belegschaft selbst übertragen wollen. Die Artikel des Aktionskomitees sind bisher über eine Viertelmillion Mal gelesen worden.

In den pseudolinken Kreisen hat dies zu verschiedenen Initiativen geführt, und wiederholt wurde zum Aufbau einer neuen „Basisbewegung“ aufgerufen. Für den 10. Juni lud die Gruppe Counterfire zu einer „Organisierungskonferenz“ unter der Überschrift „Wie wir kämpfen, wie wir siegen“ ein.

Diese Konferenz stellte das Gegenteil einer wirklichen Basisinitiative dar. Ihr Ziel und dasjenige ähnlicher Initiativen von Organisationen wie der Socialist Workers Party besteht darin, die wachsende Unzufriedenheit unter den Gewerkschaftsmitgliedern unter Kontrolle zu bringen und sicherzustellen, dass dieser Widerstand im Rahmen der Gewerkschaftsbürokratie verbleibt.

Die Einladung zur Konferenz war mit einem Appell an die „Mitglieder an der Basis“ verbunden, „die Gewerkschaftsführung zur Verantwortung zu ziehen und für eine wirksame Strategie zu kämpfen“. Eine am 21. März veröffentlichte Muster-Resolution enthält jedoch keinerlei Kritik an der Gewerkschaftsbürokratie, sondern fordert lediglich dazu auf, die Streikbewegung „zu erweitern und zu vertiefen“ und „unter den Mitgliedern der Gewerkschaftsbewegung für mehr Diskussionen und mehr Organisation“ zu sorgen. Ein Artikel, der am 4. Juni im Vorfeld der Konferenz erschien, zitierte größtenteils hochrangige Gewerkschaftsführer wie zum Beispiel den „ehemaligen PCS-Generalsekretär Mark Serwotka“, der den Streik im öffentlichen Dienst kommentierte; er enthielt auch einen Kommentar von Sharon Graham zum Streik des Sicherheitspersonals am Flughafen Heathrow und die Worte weiterer Bürokraten.

Dies alles läuft auf das alte Argument hinaus, dass man „Druck“ auf die Gewerkschaftsführungen ausüben müsse. Dabei besteht die Lehre aus dem letzten Jahr gerade darin, dass diese Bürokraten für die Meinung an der Basis völlig unempfänglich sind. Oder besser gesagt: Sie stehen ihr feindlich gegenüber.

Die Konferenz „Wie wir kämpfen, wie wir siegen“

Diese bankrotte Perspektive zog etwa 150–200 Personen an, darunter Vertreter mehrerer Gewerkschaftszweige und -gremien, die entweder von pseudolinken Gruppen geleitet oder beeinflusst werden oder Corbyns Labour-„Linke“ angehören. Das ist aber ein Teil eben jener Bürokratie, gegen die sich eine Basisbewegung stellen müsste. Anwesend waren auch verschiedene Aktionsgruppen, darunter: „Strike Map“, „Tunnel Vision“, die stalinistisch dominierte „People's Assembly“, „NHS Workers Say No“, „NHS Staff Voices“ und „Keep Left“ (Aslef).

Hauptredner war Jeremy Corbyn. Dieser Mann war bestens geeignet, klarzustellen, dass die Veranstaltung keinen bedrohlichen Charakter hatte, soweit es die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie betraf. Corbyn war fast fünf Jahre lang Vorsitzender der Labour Party gewesen und hatte sich als solcher jedem ernsthaften Kampf gegen den rechten Parteiflügel um Tony Blair widersetzt. Später übergab er die Zügel kleinlaut an Sir Keir Starmer, worauf dieser seinerseits Corbyn aus dem Amt drängte. Seither hat Starmer mehrere Streiks denunziert. Er unterstützt die Sparpolitik und bezeichnet die Labour Party als „Partei der Nato“, während er immer wieder verstärkte Militäraktionen gegen Russland fordert.

In den vielen langweiligen Reden fehlte echte Kritik an der Gewerkschaftsbürokratie fast völlig. Zu den Rednern gehörten Martin Cavanagh, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Public and Commercial Services Union, Alex Kenny, Vorstandsmitglied der Nationalen Bildungsgewerkschaft, der inzwischen in den Ruhestand getretene Pat Sikorski, ein Pablist, einst der stellvertretende Generalsekretär der RMT, sowie auch Glen Hart, ein RMT-Organisator für die Region Süd.

Sikorskis Beitrag bestand in einem Aufruf, die Gewerkschaften zu „erneuern“, allerdings unter Berücksichtigung ihrer „sehr langen Geschichte“ und nur „Schritt für Schritt, um die Situation zu kontrollieren“. Hart sah sich veranlasst, den Zuhörern zu versichern, dass er aus kleinen Verhältnissen stamme und nicht mit einem nationalen Funktionär verwechselt werden dürfe: „Ich bin einer von euch“, sagte er.

Lindsey German, Sprecherin von Counterfire, erklärte, die Streiks seien „an einem Punkt, an dem sie nicht wirklich so vorankommen, wie wir es gerne hätten“. Doch auch sie hatte nichts anderes als einen Aufruf zu mehr Aktionen und mehr Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Streikenden zu bieten. Dies sei nötig, wie sie sagte, damit die Aktionen nicht „von den Gewerkschaftsführern und den Labour-Führern abgelenkt werden“.

Lindsey German an der Counterfire-Konferenz

John Rees von Counterfire stellte darauf eine Erklärung vor, von der Kenny bereits gesagt hatte, dass sie nicht geändert werden dürfe, und die eine Loyalitätsverpflichtung gegenüber der Gewerkschaftsbürokratie enthält. Rees gelobte: „Wir haben unsere Gewerkschaftsführer unterstützt, und wenn sie die Streiks führen, werden wir dies auch weiterhin tun.“ Wenn nicht, dann würden sich „Gewerkschaftsmitglieder an der Basis“ (genauer: zweitrangige Bürokraten und pseudolinke politische Aktivisten) „den Abschlüssen … und allen Versuchen widersetzen, Verträge abzuschließen, die nicht ausreichen, um unsere Löhne, Bedingungen und Errungenschaften zu schützen“.

Die Delegierten stimmen der Erklärung zu

Corbyn selbst gab sich mit solch geschwollenen Erklärungen zufrieden und sprach abschließend von einer „erstaunlichen Reihe von Streiks“, die sich „jetzt in dieser tatsächlich recht schwierigen Phase befinden, in der die Gewerkschaften offensichtlich in Verhandlungen mit der Regierung oder direkt mit den Arbeitgebern stehen“.

Er bezog sich als Beispiel auf einen einzigen Konflikt: „Im Fall der Postangestellten geht es in der Tat um Löhne und Arbeitsbedingungen und um die Ablehnung der Gig-Economy-Vorschläge von Royal Mail. Es geht auch darum, die Vertreter, die Vertrauensleute, zu schützen, die von Royal Mail entlassen oder suspendiert worden sind, um sicherzustellen, dass sie ihre Arbeitsplätze mit voller Entschädigung zurückbekommen.“

Corbyn bei seiner Rede auf der Konferenz „How to fight, How to win“

Diese Forderung hatte er fast wortwörtlich aus einer Erklärung übernommen, die das Aktionskomitee der Postbeschäftigten veröffentlicht hatte. In einer Resolution vom 16. April wandte sich das Aktionskomitee erneut gegen den Deal, den die CWU-Verhandlungsführer mit der Royal Mail ausgeheckt hatten. Dort heißt es: „Die CWU-Führung hat unsere Kollegen den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Sie hat einer zahnlosen Überprüfung zugestimmt, die von einem Beauftragten des Streikfriedhofs, der Schlichtungsstelle ACAS, geleitet wird. Es darf keine Einigung geben, ehe nicht alle geschädigten Postangestellten wieder eingestellt und für alle Einkommensverluste entschädigt worden sind.“

Die Ursprünge von Counterfire und der Socialist Workers Party

Counterfire entstand 2010 aus einer Abspaltung von der SWP. Damals beklagten sich führende Persönlichkeiten wie German und Rees darüber, dass das sinnlose Gezänk mit anderen „linken“ Gruppen ein Hindernis für die so genannte „Einheitsfront“ darstelle. Mit „Einheitsfront“ meinten sie eine Reihe von opportunistischen Bündnissen mit unterschiedlichen Stalinisten und Sozialdemokraten, wie die People's Assembly oder die Stop the War Coalition. Allerdings unterscheidet sich Counterfire nicht wesentlich von der SWP-Mutterpartei oder zahlreichen ähnlichen Formationen, die sich samt und sonders im Gravitationsfeld der Gewerkschafts- und Labour-Bürokratie bewegen.

Die Ursprünge der SWP liegen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als sich ein rechter Flügel von der Vierten Internationale abwandte, da er auf impressionistische Weise auf die Stabilisierung des Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg reagierte. Der eigentliche Grund für die kapitalistische Stabilisierung lag im Verrat der revolutionären Bewegungen in Europa und auf der ganzen Welt, wobei die stalinistische Bürokratie es dem US-Imperialismus ermöglichte, seine enormen wirtschaftlichen Ressourcen zur Rettung seiner Rivalen in Europa und Japan einzusetzen und gleichzeitig seine eigene globale Hegemonie zu sichern.

Der damalige SWP-Vorsitzende Tony Cliff reagierte auf die Entstehung stalinistischer Regime in Osteuropa, indem er sie zu einer Form des Staatskapitalismus erklärte und diese Bezeichnung auch auf die Sowjetunion selbst ausdehnte. Das war gleichbedeutend mit der Ablehnung von Leo Trotzkis Analyse der Sowjetunion als degeneriertem Arbeiterstaat und des stalinistischen Apparats als bürokratischer Kaste. Diese Kaste hatte die Kontrolle über das durch die Oktoberrevolution vergesellschaftete Eigentum an sich gerissen. Die Bürokratie musste daher, so Trotzki, in einer politischen und nicht in einer sozialen Revolution gestürzt und die Errungenschaften der Revolution im Rahmen des weltweiten Kampfs der Arbeiterklasse gegen den Imperialismus verteidigt werden.

Tony Cliff [Photo: marxists.org]

Die Einschätzung der SWP, dass die Bürokratie eine neue Klasse sei, verlieh dem Stalinismus eine historische Legitimität als Vertreter einer neuen Wirtschaftsordnung, statt ihn als parasitären Auswuchs zu betrachten. Sie ging mit einer umfassenden Anpassung an den Imperialismus selbst und an seine bürokratischen Organe in der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie einher.

Die britische Sektion der Vierten Internationale schloss Cliffs Anhänger aus, weil sie sich weigerten, Nordkorea während des US-geführten Kriegs zu verteidigen, und darauf bestanden, dass es sich beim Koreakrieg um einen Konflikt zwischen rivalisierenden imperialistischen Mächten, nämlich Washington und Moskau, handle.

Für die SWP war es notwendig, sich an den Antikommunismus der Bourgeoisie und ihrer Medien anzupassen, um Beziehungen zu Teilen der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie anzuknüpfen. Die Staatskapitalisten lehnten jeglichen Kampf um den Aufbau einer revolutionären Führung ab und erklärten die Gewerkschaften zu den wesentlichen Organisationen der Arbeiterklasse. Auch behaupteten sie, die reformistische Führung der Labour Party repräsentiere den reformistischen Charakter der Arbeiterklasse selbst. Infolgedessen konnte die Bürokratie nach links gedrängt und die Labour Party durch Straßenproteste und Kampagnen zu einzelnen Themen herausgefordert werden, mehr aber auch nicht.

Dies spiegelte eindeutige soziale Interessen innerhalb einer Partei wider, die ihre Kader hauptsächlich aus einer kleinbürgerlichen Schicht gewonnen hatte. Diese Schicht hatte von den sozialen Zugeständnissen profitiert, die die Arbeiterklasse erkämpft hatte, und die im Sozialstaat verankert worden waren. Ihre führenden Mitglieder nahmen daraufhin prominente Positionen in der akademischen Welt, in den Kommunalverwaltungen und vor allem in den Gewerkschaftsapparaten ein.

Worum geht es bei der „Basisbewegung“?

Das Konzept der „Basisaktionen“, das Counterfire und ähnliche pseudolinke Formationen vertreten, basiert auf der Behauptung, dass Gewerkschaftsführer als Vermittler zwischen „der Gewerkschaft“, d. h. ihren Mitgliedern, und den Unternehmern fungierten, aber aufgrund ihrer privilegierten Stellung dazu neigten, zu einer konservativen Bremse zu werden, die sich von den Interessen der Arbeiter abkoppelt. Dem könne man entgegenwirken, indem man sie dem Druck von unten aussetze und Forderungen nach einer Begrenzung ihrer Einkommen und einer stärkeren demokratischen Kontrolle aufstelle.

Dabei wird bewusst eine jahrzehntelange Degeneration der Gewerkschaften ignoriert. Sie hat zur Integration des bürokratischen Apparats in die Strukturen des Managements und des kapitalistischen Staates geführt und beruht darauf, dass Kapitalismus und Nationalismus vorausgesetzt und verteidigt werden.

Trotzki analysierte dieses Phänomen in seinem 1940 verfassten Aufsatz „Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs“. Er erklärte:

Der Monopolkapitalismus fußt nicht auf Privatinitiative und freier Konkurrenz, sondern auf zentralisiertem Kommando. Die kapitalistischen Cliquen an der Spitze mächtiger Trusts, Syndikate, Bankkonsortien usw. sehen das Wirtschaftsleben ganz von derselben Höhe wie die Staatsgewalt und benötigen bei jedem Schritt deren Mitarbeit. Ihrerseits finden sich die Gewerkschaften in den wichtigsten Zweigen der Industrie der Möglichkeit beraubt, die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Unternehmen auszunützen. Sie haben einem zentralisierten, eng mit der Staatsgewalt verbundenen kapitalistischen Widersacher zu begegnen.

Für die Gewerkschaften – soweit sie auf reformistischem Boden bleiben, das heißt soweit sie sich dem Privateigentum anpassen – entspringt hieraus die Notwendigkeit, sich auch dem kapitalistischen Staate anzupassen und die Zusammenarbeit mit ihm zu erstreben. (…) Diese Einstellung entspricht vollkommen der sozialen Lage der Arbeiteraristokratie und Arbeiterbürokratie, die beide um einen Abfallbrocken aus den Überprofiten des imperialistischen Kapitalismus kämpfen.

Leo Trotzki, Gründer der Vierten Internationale

In den Jahrzehnten, seit Trotzki diese Einschätzung niederschrieb, verschärfte die wirtschaftliche Globalisierung die korporatistische Degeneration der Gewerkschaften. Die über nationale Grenzen hinweg organisierte Produktion erweiterte den internationalen Maßstab für die Ausbeutung der Arbeiterklasse. Als die Partner der Bürokratie also im Namen der globalen Wettbewerbsfähigkeit immer brutalere Beschleunigungen, Rationalisierungen, Lohnkürzungen und Arbeitsplatzverluste verlangten, wandelte sich das Gebaren der bürokratischen Apparate in allen Ländern: Anstatt weiter Druck auf die „Arbeitgeber“ und den Staat auszuüben, um Zugeständnisse für „Arbeitnehmer“ zu erhalten, übten sie fortan Druck auf die Arbeiter aus, um Zugeständnisse für die Unternehmer zu gewinnen.

Das Problem mit den Gewerkschaften besteht also nicht darin, dass sie schlechte Führer haben, die irgendwie an die Spitze von ansonsten repräsentativen Organisationen gelangt sind. Das implizite Argument der SWP läuft darauf hinaus, dass die miserable Bilanz der Gewerkschaften das Ergebnis der Untätigkeit der Mitglieder sei, die es versäumten, diese Führer zur Verantwortung zu ziehen.

Tatsächlich verhindern die Strukturen dieser Organisationen selbst eine echte Rechenschaftspflicht und eine Kontrolle durch die Basis über die Durchführung von Arbeitskämpfen. Sie sind ein Apparat zur Kontrolle der Mitglieder durch eine schmale, isolierte Schicht. Innerhalb dieser Organisationen hat sich eine Kaste von Bürokraten etabliert, deren Denken von Korporatismus durchdrungen ist und die ihre Kontrolle über die Gewerkschaftsstrukturen ausnutzt, um sicherzustellen, dass nur Vertreter derselben Sorte dauerhaft in ein Amt gelangen.

Diese Schicht widersetzt sich aktiv jedem Versuch, die Politik der Gewerkschaften zu ändern, und je mehr die Basis Druck auf sie ausübt, desto mehr wächst ihr Widerstand dagegen. Denn ihre Existenz ist mit einer wirklich demokratischen Organisation der Arbeiterinnen und Arbeiter, wie auch mit einem echten Klassenkampf, unvereinbar.

Das Ergebnis ist eine jahrzehntelange Serie von Ausverkäufen und Verrat, die Millionen von Arbeitern in akute Not gebracht und den Gewerkschaften Millionen von Mitgliedern gekostet hat, während gleichzeitig die Bürokratie ihre eigenen Einkünfte und Privilegien enorm steigern konnte. Heute steht die Gewerkschaftsbürokratie als eine völlig zügellose Kaste der Arbeiterklasse gegenüber. Sie reagiert auf den „Druck von unten“, indem sie alle Möglichkeiten einer Arbeiterkontrolle blockiert und gegen ihre eigenen Mitglieder Krieg führt.

Für die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees!

Trotzki bestand darauf, dass der Kampf der Arbeiterklasse gegen die Konzerne und den Staat auch ein Kampf „gegen das totalitäre Regime innerhalb der Gewerkschaften selbst und gegen die Führer, welche dieses Regime aufrechterhalten“, sein müsse. Im „Übergangsprogramm“ forderte er, „überall da, wo es möglich ist, eigenständige Kampforganisationen zu schaffen, die den Aufgaben des Massenkampfes gegen die bürgerliche Gesellschaft besser entsprechen und nötigenfalls auch vor einem offenen Bruch mit dem konservativen Apparat der Gewerkschaften nicht zurückschrecken“.

Jeder größere Kampf der Arbeiterklasse, sei es in Großbritannien oder anderswo auf der Welt, entwickelt sich heute als Rebellion gegen die langjährige Unterdrückung des Klassenkampfs durch die Gewerkschaften. Aber der Kampf zwischen der Bürokratie und der Arbeiterklasse muss einen organisatorischen und politischen Ausdruck finden. Aktionskomitees müssen aufgebaut werden. Sie werden die Grundlage für eine echte demokratische Diskussion zwischen gewerkschaftlich organisierten und nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten schaffen. Nur gemeinsame Aktionen der breitesten Schichten der Arbeiterklasse werden das erreichen, was Arbeiterinnen und Arbeiter brauchen, und nicht das, was Aktionäre, Investoren und das Management fordern.

In der Welt der globalisierten Produktion und einer Wirtschaft, die von riesigen transnationalen Konzernen beherrscht wird, muss auch der Klassenkampf nach Form und Inhalt international sein, wenn die Arbeiterklasse nicht besiegt werden soll.

Aus diesem Grund hat das Internationale Komitee der Vierten Internationale die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) gegründet. Sie bietet den Rahmen für die Entwicklung neuer Formen unabhängiger, demokratischer und militanter Aktionskomitees in Fabriken, Schulen und an allen Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt. Mit ihrer Hilfe werden Arbeiter sich weltweit zusammenschließen, um den Kampf gegen die Sparmaßnahmen, gegen die anhaltende Corona-Bedrohung, gegen das Anheizen von Nationalismus und Handelskrieg und gegen die Eskalation des Kriegs mit Russland und die Kriegsbedrohung Chinas aufzunehmen.

Besonders ist es notwendig, eine neue revolutionäre Führung, die Socialist Equality Party, die britische Sektion des IKVI, aufzubauen, damit die Arbeiterklasse den Kampf um die Macht führen kann.

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