African Book Festival – Ein weiterer Fall politischer Zensur

In der deutschen Kulturpolitik und Presse entwickelt sich eine üble Form der politischen Zensur. Fortschrittliche und/oder kritische Persönlichkeiten der Kulturszene werden fälschlicherweise des Antisemitismus bezichtigt und dann gnadenlos verfolgt. Das Kulturstaatsministerium unter der Grünen Claudia Roth betätigt sich dabei als Zensurbehörde.

Ein besonders empörender Fall ist das kleine, aber renommierte African Book Festival, das Ende August zum fünften Mal in Berlin stattfinden soll. Der mauretanische Schriftsteller und einstige Guantánamo-Häftling Mohamedou Ould Slahi Houbeini, der im Januar als Kurator eingeladen worden war, wurde nach einer Hetzkampagne in Presse und sozialen Medien von der Festivalleitung abgesetzt.

Mohamedou Ould Slahi [Photo by International Committee of the Red Cross / CC BY-SA 3.0]

Slahi Houbeinis erster Roman, „Die wahre Geschichte von Ahmed und Zarga“, soll in Deutschland erscheinen. Dies galt als willkommener Anlass, Slahi einzuladen. Auf der Homepage des Festivals heißt es dazu: „Dieser zeitlose Roman, poetisch und feinsinnig, erzählt den Überlebenskampf einer Beduinenfamilie inmitten einer sich verändernden Welt. Er wirft brandaktuelle Fragen globaler Verantwortung auf.“

Kaum war die Ernennung Slahis im Januar bekannt geworden, brach in den Medien eine massive Hetze gegen die Festivalleitung und gegen den Autor selbst los.

In einer Pressemeldung der Festivalleitung vom März hieß es dann: „Der Friedenspreisträger, Menschenrechtsaktivist und Schriftsteller Mohamedou Ould Slahi Houbeini sah sich in den vergangenen Wochen in der deutschen Presse und Öffentlichkeit schweren, allerdings unbelegten Vorwürfen ausgesetzt, die inzwischen auch zu zahlreichen Angriffen gegenüber dem Festival selbst geführt haben.“

Daraufhin hielten es die Organisatoren „für richtig, die Zusammenarbeit mit Mohamedou Ould Slahi Houbeini als künstlerischen Leiter zu beenden und das Programm 2023 aus dem Verein [InterKontinental] heraus zu erarbeiten“. Dieser Schritt wurde vom Kulturstaatsministerium unter Leitung der Grünen Claudia Roth ausdrücklich begrüßt. Slahi dagegen meinte zu Recht, seine Absetzung sei „ein schwarzer Tag für die freie Rede in Deutschland“.

Dass es zu dieser Entwicklung kam, ist nicht verwunderlich, denn Slahi Houbeini ist weit mehr als ein begabter Autor, der über seine mauretanisch beduinische Heimat schreibt. Er war, wie es laut einer internen Statistik des Gefangenenlagers hieß, der „meistgefolterte Mann in Guantánamo“. Er war 14 Jahre lang in dem berüchtigten amerikanischen Gefangenenlager auf Kuba inhaftiert, weil er den amerikanischen Ermittlern als einer der Drahtzieher der Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 galt.

Trotz permanenter Verhöre, auch durch den deutschen Auslandsgeheimdienst BND, intensiver Folter in verschiedenen Geheimgefängnissen, 14 Jahren Haft auf Guantánamo und der von ihm selbst und von Mitgefangenen erfolterten Geständnissen, konnten keine Beweise erbracht werden, um ihn zu verurteilen.

Bereits der US-Militärrichter Lt. Col Stuart Couch in Guantánamo weigerte sich, auf dieser Grundlage ein Verfahren gegen Slahi zu führen. Ein US-Bundesrichter ordnete im März 2010 seine Freilassung an. Dieser Beschluss wurde nur aufgrund des Einspruchs der US-Regierung nicht rechtskräftig. Im Oktober 2016 wurde er schließlich in sein Heimatland Mauretanien abgeschoben.

Ein Spielfilm, „Der Mauretanier“, mit Jodie Foster als Anwältin und eine ausführliche Dokumentation von John Goetz über seinen Fall, „Slahi und seine Folterer“, erhielten zahlreiche Preise. Die Dokumentation wurde im Januar in der ARD gezeigt und das Video ist noch in der Mediathek zu sehen. Slahis Bericht über das Foltergefängnis „Das Guantánamo-Tagebuch“ wurde zu einem internationalen Bestseller. Der Journalist John Goetz, der Slahi viele Jahre begleitet hat, stellte im Interview mit Deutschlandfunk Kultur klar: „Die Vorwürfe sind uralt. Es gibt keinen Grund, sie jetzt wieder zu besprechen.“

Da sich die Medien bei ihrer Hetze gegen Slahi nicht auf eine Verurteilung in den USA berufen können, zogen sie seine kritischen Bemerkungen zu Israel heran. Seine Berufung als Kurator sei ein Akt „deutscher Israelfeindlichkeit“, hieß es in der Jüdischen Allgemeinen. „Offenkundig immer noch en masse vorhanden ist sein [Slahis] Hass auf den jüdischen Staat. Ihn überzieht der in Mauretanien geborene Houbeini gern mit antisemitischen Unterstellungen wie: Israel begehe ‚ethnische Säuberungen‘ oder sei durch und durch ein ‚Apartheidstaat‘.“

Alan Posner kommentierte in der Welt: „Ein Israelhasser sollte kein Buchfest leiten dürfen.“ Die Schriftstellerin Ronya Othmann mit jesidischen Wurzeln fragt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung: „Kann man den Opfern des Islamismus noch mehr ins Gesicht spucken?“ Wer einen Islamisten als Kurator verpflichte, verhöhne die IS-Opfer, warf sie den Organisatoren vor.

Nicht fehlen durfte in dieser Reihe von Schmähungen der taz-Autor Andreas Fanizadeh, der bereits die documenta 15 verunglimpft hatte. Sein Artikel listet im Wesentlichen alles erneut auf, was die erfolterten Aussagen in Guantánamo beinhalteten. Da Fanizadeh zugeben muss, dass selbst die US-Ermittler diese als nicht beweiskräftig angesehen haben, greift er zum Mittel pauschaler Denunziation. Slahis „Rolle als islamistischer Täter in Afghanistan oder anderswo“ bleibe unklar, behauptet er.

Das African Book Festival denunziert er gleichzeitig mit: Es blende die Frage nach Slahi Houbeinis „eigener historischer Haltung“ völlig aus, präsentiere den früheren Al-Qaida-Kämpfer ausschließlich als Opfer westlicher Justiz und preise seine Schriften als „Mittel der Revanche gegen Zensur und Unterdrückung“, wobei die „von Islamisten Unterdrückten in Iran oder Afghanistan“ ausgeschlossen seien.

Auch Sonja Zekri, die die Angelegenheit etwas vorsichtiger darstellt, nimmt in der Süddeutschen Zeitung nicht eindeutig gegen die Zensurmaßnahme Stellung. Sie berichtet, die Festival-Direktorin Stefanie Hirsbrunner habe Slahi in den vergangenen Tagen mehrfach nahegelegt, das Amt selbst niederzulegen.

Dieser erklärte: „Aber das wäre ein Geständnis gewesen, das konnte ich nicht machen.“ Er habe seit seiner Entlassung nach 14 Jahren Haft in Guantánamo „Millionen Interviews“, unter anderem eines in der World Socialist Web Site gegeben, in denen er erklärt habe, er sei weder rassistisch noch antisemitisch: „Das ist gegen meine Wertvorstellungen.“ Zu seiner Zeit bei al Qaida sagt er: „Natürlich war ich ein dummer Junge, der nach Afghanistan gegangen ist.“

Was seine Reisen nach Afghanistan angeht und seinen Schwur, für Al-Qaida zu kämpfen, so hat sich keiner der Kritiker die Mühe gemacht, die Zeitumstände genauer zu beleuchten.

Slahi wurde 1970 im nordwestafrikanischen Mauretanien geboren. Im Jahr 1988 kam er dank eines Hochbegabtenstipendiums nach Deutschland, wo er in Duisburg Elektrotechnik studierte. Zu dieser Zeit geriet er in islamistische Kreise. Beeinflusst durch Aufrufe von Abdallah Azzam, einem Vertrauten von Osama bin Laden, der Freiwillige zum „Kampf gegen die Kommunisten“ im damals von der Sowjetunion kontrollierten Afghanistan aufrief, ließ er sich in einem Bonner Informationsbüro der afghanischen Mudschaheddin anheuern, aus denen Al-Qaida hervorging. Zu diesem Zeitpunkt galten sie nicht als Feinde des Westens, sondern im Gegenteil: Sie wurden von den USA und der Bundesrepublik gegen die Sowjetunion unterstützt!

Nach dem Fall der afghanischen Zentralregierung kehrte Slahi 1992 nach Deutschland zurück und erklärte, dass er keine Verbindungen zur Al-Qaida mehr habe. Später verbrachte er einige Zeit im kanadischen Montreal, wo er als Elektroingenieur arbeitete. Slahi wurde nacheinander von Behörden verschiedener Staaten – Kanada, Mauretanien, USA und Senegal – festgenommen und verhört, doch jedes Mal ließ man ihn aufgrund fehlender Beweise wieder frei. Im November 2001 schließlich forderte man ihn auf, sich freiwillig bei einer Polizeistation im mauretanischen Nouakchott zu melden, was er auch tat. Darauf wurde er verhaftet und der Beteiligung an den September-Anschlägen in den USA beschuldigt.

Dass diese Beschuldigungen vor keinem US-Gericht Bestand hatten, hindert deutsche Journalisten nicht, ihn nach wie vor als Islamisten, Israelhasser und Al-Qaida-Anhänger an den Pranger zu stellen. Das wirft ein Schlaglicht auf die Verkommenheit der etablierten Medien, die sich weniger der Wahrheit als der deutschen „Staatsräson“ verpflichtet fühlen und sich nicht scheuen, jeden als „Antisemiten“ zu verteufeln, der es wagt, die Unterdrückung der Palästinenser durch den Staat Israel zu kritisieren.

Der „Antisemitismus“-Vorwurf hat nichts mit einer Verteidigung der jüdischen Bevölkerung Israels zu tun, die von der israelischen Regierung selbst mit Füßen getreten wird, wie die jüngsten Demonstrationen gegen diktatorische Maßnahmen zeigen. Er dient stattdessen der Zensur in Kunst und Kultur und der Untergrabung des Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit.

Oft, wie im Fall von Roger Waters geht eine derartige Verleumdung damit einher, jede Kritik an der Rolle der Nato-Mächte im Ukraine-Krieg zu verunglimpfen und den westlichen Militarismus zu feiern.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat eine gefährliche antidemokratische Entwicklung an Fahrt gewonnen. Der Entlassung und Denunzierung von russischen oder osteuropäischen Künstlern und Musikern wie dem Dirigenten Waleri Gergijew, der Sängerin Anna Netrebko, dem Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici – um nur einige Beispiele zu nennen – folgten Zensurmaßnahmen wie das Verbot russischer Fahnen bei den Feiern zur Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. und 9. Mai, Angriffe auf die Documenta-Kunstausstellung, oder auch andauernde Versuche von Grünen-Politikern, den russischen Einfluss beim Museum Berlin-Karlshorst zurückzufahren, das die Erinnerung an die Verbrechen des deutschen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg wachhält. Eine Antikriegsveranstaltung der IYSSE in der Evangelischen Studentengemeinde in Frankfurt a.M. wurde abgesagt und konnte erst nach internationalen Protesten stattfinden.

Die Zensurversuche der letzten Zeit sind so zahlreich, dass man sie nur als ideologische Kriegsvorbereitung und Gleichschaltung der öffentlichen Meinung verstehen kann, während die Nato, die USA und immer offener auch die deutsche Regierung den Ukraine-Krieg eskalieren und zu einem totalen Krieg gegen Russland auszuweiten versuchen.

Die WSWS wendet sich vehement gegen alle Versuche der politischen Zensur und weist die Angriffe auf Mohamedou Ould Slahi und seine Entlassung als Kurator des African Book Festivals entschieden zurück!

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