Perspektive

G7-Gipfel in Hiroshima vor dem Hintergrund wachsender Atomkriegsgefahr

Am Freitag legten die Staats- und Regierungschefs der G7 (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan, Italien und Kanada) zum Auftakt ihres Gipfeltreffens im Friedenspark in Hiroshima Kränze am Mahnmal für die Atombombenopfer nieder. Es war ein Akt bodenloser Heuchelei.

Der kanadische Premierminister Trudeau, der französische Präsident Macron, der japanische Premierminister Kishida, US-Präsident Biden, Bundeskanzler Scholz, der britische Premierminister Sunak und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen vor dem Mahnmal in Hiroshima [AP Photo/Franck Robichon]

Weit entfernt von dem Versprechen, nie wieder Atomwaffen einzusetzen, hat es die imperialistische Kabale darauf abgesehen, den Krieg der Nato gegen Russland in der Ukraine und die Konfrontation der USA mit China zu eskalieren. Beides droht die Menschheit in einen nuklearen Holocaust zu stürzen.

Wie bereits Präsident Obama, der als erstes amerikanisches Staatsoberhaupt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Hiroshima besucht hatte, machte Biden bereits im Vorfeld deutlich, dass es keine Entschuldigung für das monströse Kriegsverbrechen vom 6. August 1945 geben werde. Die Weigerung des US-Präsidenten, auch nur ansatzweise einzuräumen, dass die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki verbrecherisch waren, ist eine unmissverständliche Botschaft: Die USA werden erneut Atomwaffen einsetzen, um ihre strategischen Interessen zu verfolgen.

Der Tod und die Vernichtung, die über Hiroshima und Nagasaki gebracht wurden, sind eine Warnung, was passieren kann, wenn die USA und ihre Verbündeten globale Konflikte weiter anheizen.

Die Atombombe mit dem Codenamen „Little Boy“, die auf die Viertelmillionenstadt Hiroshima abgeworfen wurde, hatte eine Sprengkraft von 15 bis 20 Kilotonnen TNT. Schätzungsweise 80.000 Menschen starben sofort oder innerhalb weniger Stunden, als die Druckwelle die Stadt dem Erdboden gleichmachte und einen Feuersturm auslöste.

Überlebende schilderten grauenhafte Szenen. Einer schrieb: „Hunderte von denen, die noch am Leben waren... irrten ziellos umher. Einige waren halbtot und krümmten sich vor Schmerzen... Es waren nur noch lebende Leichen.“

Weitere 40.000 Menschen starben drei Tage später in Nagasaki. In den folgenden Wochen stieg die Zahl der Todesopfer weiter an: Männer, Frauen und Kinder erlagen Verbrennungen, Verletzungen und der Strahlenkrankheit. Schätzungen zufolge starben unmittelbar nach dem Angriff 250.000 bis 300.000 Menschen – 90 Prozent von ihnen waren Zivilisten.

Der Zweite Weltkrieg hatte bereits Gräueltaten ungeahnten Ausmaßes hervorgebracht, wie die gezielte Ermordung von sechs Millionen Juden durch das Naziregime und das Abschlachten von bis zu 300.000 gefangenen chinesischen Soldaten und Zivilisten in Nanjing durch die japanische Armee. Und doch sticht der Massenmord an der Zivilbevölkerung in Hiroshima und Nagasaki als kaltblütige Gräueltat hervor, die militärisch unnötig und einzig und allein durch die Ambitionen des US-Imperialismus auf die Weltherrschaft im Anschluss an den Krieg motiviert war.

Washington begründete sein Verbrechen mit Lügen. Die US-Regierung behauptete, der Einsatz von Atomwaffen sei notwendig, um die amerikanischen Menschenleben zu bewahren, die bei einer groß angelegten Invasion Japans geopfert würden. Doch in Wirklichkeit lag der japanische Imperialismus im August 1945 bereits am Boden, isoliert durch die Niederlage seines Verbündeten Deutschland und wehrlos gegenüber den US-Luftangriffen, zu denen auch die Brandbombenangriffe auf Tokio im März 1945 mit mehr als 300.000 Toten gehörten. Japan hatte bereits um Frieden gebeten und sondierte über Mittelsmänner die Bedingungen für die Kapitulation.

Die Atombombenabwürfe waren Terroraktionen. Sie sollten nicht nur die japanische Bevölkerung, sondern die ganze Welt einschüchtern – vor allem die Sowjetunion, die ihren Neutralitätspakt mit Tokio aufgekündigt hatte und im Begriff war, in den Krieg im Pazifikraum einzutreten. Die USA waren entschlossen, ihre neuen Massenvernichtungswaffen einzusetzen – nicht nur, um die sofortige und bedingungslose Kapitulation Japans zu erzwingen, sondern auch, um der unsicheren und instabilen Welt, die aus dem Krieg hervorging, ihren Stempel aufzudrücken.

Die Gefahr eines Atomkriegs ist heute größer als jemals zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. In seinem historischen Niedergang ist der US-Imperialismus in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder militärisch vorgegangen, um seine globale Position zu festigen – in Zentralasien, im Nahen Osten, in Nordafrika und auf dem Balkan. Da die USA und ihre Verbündeten ihre Ziele auf diesem Wege jedoch nicht erreichen konnten, führen sie nun in der Ukraine einen Krieg gegen Russland, d. h. einen Krieg mit einer anderen Atommacht.

Der G7-Gipfel fand zu einer Zeit statt, in der die Nato immer mehr und immer zerstörerischere Waffen in die Ukraine liefert – zuletzt Kampfpanzer, Langstrecken-Marschflugkörper und jetzt auch F-16-Kampfflugzeuge. Die Gefahr, dass sich der Konflikt zu einem direkten Krieg zwischen der Nato und Russland ausweitet, wird billigend in Kauf genommen. Gleichzeitig verschärfen die USA ihre Provokationen gegen China in der Taiwan-Frage und versuchen, Peking in einen zermürbenden Krieg zu treiben, so wie sie die russische Invasion in der Ukraine provoziert haben.

Alle G7-Mitglieder versuchen, im Kielwasser der USA eigene Ziele durchzusetzen, und bauen ihre eigenen Militärapparate mit großem Tempo aus. Sowohl Deutschland als auch Japan haben die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Beschränkungen, die nach ihren Niederlagen im Zweiten Weltkrieg eingeführt wurden, aufgehoben und ihre Militärbudgets seit Beginn des Ukraine-Krieges verdoppelt. Großbritannien, das eine zentrale Rolle bei der Ausbildung und Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte spielt, stockt seine Verteidigungsausgaben ebenfalls auf. Auch Frankreich setzt auf eine schnelle Aufrüstung.

Die Hoffnung, dass das schiere Grauen von Hiroshima und Nagasaki 1945 die atomar bewaffneten Mächte zurückhalten wird, ist eine Illusion. Der US-Imperialismus, der diese Gräueltaten beging, hat einem nuklearen Erstschlag nie abgeschworen. Und so heißt es in der letzten Fassung der Atomwaffenstrategie der USA, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, dass Atomwaffen „es uns ermöglichen, die Ziele des Präsidenten zu erreichen“, wenn andere Mittel versagen.

Während seiner Wahlkampagne für 2020 versprach Biden, die Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung von Atomwaffen „zu einer zentralen Säule der globalen Führungsrolle der USA' zu machen“. In seiner Amtszeit hat er jedoch weitere Rüstungskontrollvereinbarungen aufgekündigt und dem US-Militär jährlich Dutzende Milliarden Dollar für die Modernisierung des Atomwaffenarsenals und der Trägersysteme zur Verfügung gestellt. Letztes Jahr räumte Biden ein, dass die Welt mit der Aussicht auf ein „nukleares Armageddon“ konfrontiert sei, hat aber wiederholt betont, dass sich die USA von nuklearen Drohungen nicht abschrecken lassen.

Jeder Einsatz von Atomwaffen würde zu Zerstörung und Tod in einem Ausmaß führen, das die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki verblassen ließe. Während strategische Analysten im Pentagon und in US-Denkfabriken haarsträubende Berechnungen anstellen, um einen begrenzten Atomkrieg zu rechtfertigen, bringt das schiere Ausmaß der US-amerikanischen und russischen Arsenale, die aus Tausenden von Atomwaffen bestehen – jede weitaus stärker als die beiden über Japan abgeworfenen – die Gefahr eines nuklearen Holocausts mit sich, der den ganzen Planeten überzieht.

Genau wie der erste Einsatz von Atomwaffen gegen Japan von imperialistischen Ambitionen geleitet wurde, wird auch der unerbittliche Drang der USA zum Krieg mit Russland und China von denselben Motiven geleitet. Die internationale Arbeiterklasse ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die einen dritten, atomaren Weltkrieg verhindern kann. Dazu muss sie das kapitalistische System und die damit verbundene Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten abschaffen. Der Aufbau einer geeinten Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse ist die Perspektive, für die das Internationale Komitee der Vierten Internationale und seine Jugendorganisation, die International Youth and Students for Social Equality, kämpfen.

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