In der letzten Woche wurden erschütternde Bilder vom Tod zweier Gefangener in Amerika veröffentlicht. Millionen von Menschen in den USA und weltweit sind empört. Die USA zählen die höchste Anzahl an Gefängnisinsassen weltweit.
Lashawn Thompson, ein 35-jähriger Schwarzer, starb am 12. September 2022 im Fulton County-Gefängnis in Atlanta, im US-Bundesstaat Georgia. Fotos, die der Anwalt der Familie letzte Woche veröffentlichte, zeigen Thompsons Körper und Gesicht verletzt und mit Insekten übersät, als er in der Haftanstalt starb.
Joshua McLemore, ein 29-jähriger Weißer, bei dem zuvor Schizophrenie diagnostiziert worden war, verhungerte im August 2021 im Jackson County Jail im US-Bundesstaat Indiana. Die Familie des Toten hat letzte Woche Klage eingereicht. Ein Anwalt der Familie erklärte, dass McLemore fast 20 Tage lang in Einzelhaft gehalten wurde, obwohl er kein aggressives Verhalten zeigte.
Diese beiden Fälle stehen stellvertretend für tausendhafte Misshandlung, Folter und regelrechten Mord in US-Gefängnissen. Sie widerlegen die zynischen und heuchlerischen Behauptungen von US-Präsident Joe Biden, der Demokratischen und der Republikanischen Partei, dass das kapitalistische Amerika eine Bastion der „Freiheit“ und der „Menschenrechte“ sei. Die abgemagerten Körper von McLemore und Thompson, die in erbärmlichen, unmenschlichen Zellen verrotten mussten, zeigen den Alltag in den Gulags des kapitalistischen Amerika.
Der erste Artikel über diese beiden Fälle auf der WSWS fand ein breites Publikum; in weniger als einer Woche hatte er fast 100.000 Leser. Viele von ihnen reagierten nicht nur auf die Enthüllung dieser schockierenden Grausamkeiten, sondern wiesen auch auf den krassen Gegensatz hin zwischen den offiziellen Verlautbarungen der US-Politik über Menschenrechte und der Realität der arbeitenden Bevölkerung in den USA.
Der mutige und preisgekrönte australische Journalist John Pilger kommentierte die verstörenden Fotos am vergangenen Wochenende auf Twitter: „Schauen Sie sich die Fotos unten an und erschrecken Sie. Sie wurden in dem barbarischen Gefängnissystem aufgenommen, in das Großbritannien, die USA und Australien Julian Assange schicken wollen, einen unschuldigen Mann, dessen einziges ‚Verbrechen‘ echter Journalismus ist.“
Ähnlich bezeichnete der Menschenrechtsanwalt und Umweltaktivist Steven Donzinger die Behandlung von Thompson als „staatlich sanktionierte Folter“.
Es ist durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, dass diese Gräuel nie aufgedeckt worden wären, wenn die Familien der Verstorbenen nicht in der Lage gewesen wären, einen kompetenten Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen. In beiden Fällen wurden Bilder von den Spuren der Folter, der die Männer während ihrer Haft ausgesetzt waren, im Rahmen von laufenden oder in Vorbereitung befindlichen Gerichtsverfahren veröffentlicht.
Keiner von beiden war wegen eines Verbrechens verurteilt worden. Sie waren „unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils“, als sie starben. Obwohl sich der körperliche und psychische Zustand dieser Männer verschlechtert hatte und ihnen eine medizinische Versorgung verweigert worden war, gab es keine Straf- oder Disziplinarverfahren gegen ihre Peiniger. Im Fall von McLemores Tod hat der Staatsanwalt eine Strafanzeige gegen das Gefängnispersonal bereits ausgeschlossen.
Der 35-jährige Thompson stammte aus Florida und „liebte Atlanta“, so sein Bruder Brad McCrae. Thompson wurde laut einem Polizeibericht der Georgia Tech am 12. Juni 2022 auf einer Parkbank schlafend aufgefunden. Er wurde wegen einer einfachen Körperverletzung verhaftet, da er angeblich einen Polizisten angespuckt hatte, der ihn ins Gefängnis von Fulton County brachte, wo er drei Monate später starb.
Thompson war in der Abteilung für „Psychische Gesundheit“ des Fulton County Jail inhaftiert. Fotos, die Michael D. Harper, ein Anwalt von Thompsons Familie, veröffentlicht hat, zeigen ihn in einer ekelerregenden Zelle, voller Insekten, die ihn „bei lebendigem Leib auffraßen“. Die schrecklichen Bilder, die Harper veröffentlichte, zeigen Thompsons Körper übersät mit Wunden, Insekten und Läsionen. Thompsons Zelle war voller Schmutz und Unrat, „ungeeignet selbst für ein krankes Tier“, so der Anwalt.
Thompsons Bruder Brad McCrae hat zu seiner Entscheidung, die verstörenden Fotos zu veröffentlichen, Stellung genommen. Er erinnerte daran, dass Emmett Till, ein 14-jähriger schwarzer Junge aus Chicago, 1955 für das „Verbrechen“ getötet wurde, mit einer weißen Frau gesprochen zu haben. „Es bricht mir das Herz“, sagt McCrae in einem Interview mit der Washington Post. „Die Bilder sind wirklich schrecklich, es fällt schwer, sie zu betrachten.“
Die Bedingungen, die Thompson vor seinem Tod erdulden musste, sind zweifellos empörend und abscheulich, aber weder einzigartig in Fulton County noch außergewöhnlich im US-Gefängnissystem. Gefängnisinsassen gehören zu den am stärksten ausgebeuteten und misshandelten Bevölkerungsgruppen in der amerikanischen Gesellschaft. Ihnen wird alles Erdenkliche zugemutet, von der Verweigerung medizinischer Versorgung bis hin zum Zwang, während der Haft quasi Sklavenarbeit für Großkonzerne zu verrichten.
Etwas mehr als ein Jahr bevor Thompson tot in seiner Zelle aufgefunden wurde, starb Joshua McLemore. Der 29-jährige weiße Mann litt an Schizophrenie. Er verhungerte im Gefängnis von Jackson County, im US-Bundesstaat Indiana.
McLemore litt nach dem Konsum von Methamphetamin an einer schweren Psychose. Er befand sich in der Notaufnahme, als ein Polizist außer Dienst ihn dabei beobachtete, wie er eine Krankenschwester an den Haaren packte, und ihn daraufhin wegen Körperverletzung anzeigte. McLemore wurde ins Jackson County Jail gebracht und in eine Isolationszelle gesteckt.
Während seines Aufenthalts in der „Padded Cell 7“ in Jackson County, einer fensterlosen Zelle ohne Bett, verschlechterte sich McLemores Zustand weiter. 20 Tage lang war McLemore allein in der Einzelzelle; die Leuchtstoffröhren waren 24 Stunden am Tag eingeschaltet. Die Tür zur Toilette war verschlossen, so dass der kranke Mann gezwungen war, sich auf demselben Boden zu erleichtern, auf dem er schlief und aß. Eine polizeiliche Untersuchung ergab, dass McLemore während der mehr als 400 Stunden, die er in Einzelhaft war, kaum etwas aß oder trank und fast 45 Pfund an Gewicht verlor.
Obwohl bei ihm zuvor Schizophrenie diagnostiziert worden war, und er in einem Krankenhaus verhaftet wurde, unterzog das Gefängnispersonal McLemore niemals einer gründlichen medizinischen Aufnahmeuntersuchung. Er wurde nicht einmal fotografiert, und ihm wurden nicht die Fingerabdrücke abgenommen. Eine „Untersuchung“ des Staatsanwalts von Jackson County, Jeffery Chalfant, im vergangenen Jahr ergab jedoch, „dass Mitarbeiter des Jackson County Jail im Zusammenhang mit dem Tod von Joshua A. McLemore keine Straftaten begangen haben“.
Die Anklagen und die Fotos in diesen beiden Fällen zeigen das gewalttätige US-Gefängnissystem mit seinen derzeit über zwei Millionen Insassen als das, was es wirklich ist: ein barbarisches, unmenschliches und grausames System, das Menschen aus der Arbeiterklasse, psychisch Kranke und Arme, die das Pech haben, in seinen Gefängnissen zu landen, quält und umbringt.
Wie kann eine Regierung, die die brutale Folterung ihrer schwächsten und kränkesten Bürger duldet, behaupten, sie kämpfe für die „Freiheit“ in der Ukraine oder irgendwo sonst auf der Welt? Millionen von Menschen im Nahen Osten, in Afrika und Asien wissen tatsächlich sehr wohl, dass eine Intervention der US-Regierung kein Versprechen auf Frieden und Menschenrechte, sondern auf Terror und Ausbeutung ist.
Die in der letzten Woche veröffentlichten Bilder, die an die Folterfotos aus Abu Ghraib erinnern, sind eine Blamage für die herrschende Klasse der USA. Wie damals bei jenen Fotos schweigen Präsident Joe Biden und der Rest der Demokratischen Partei auch zum Tod dieser Häftlinge, weil dies ihre Rhetorik der „sozialen Gerechtigkeit“ als Lüge zur Verteidigung des kapitalistischen Staates entlarvt.
Das Schweigen der Demokratischen Partei zeigt deutlich: Zwanzig Jahre nach dem Irak-Krieg, als die Bush-Regierung Misshandlungen und Folter im Ausland zur offiziellen Politik machte, sind diese Praktiken längst im eignen Land etabliert und von beiden Parteien abgedeckt. Sie werden letzten Endes gegen die amerikanische Arbeiterklasse und gegen klassenbewusste Gegner des US-Imperialismus eingesetzt.
Zum Leidwesen der Finanzoligarchie ist jedoch die Geschichte nicht auf ihrer Seite. Kein Gefängnis auf der Welt ist groß genug, um das kolossale Wachstum des Klassenkampfs einzudämmen. Dieser Klassenkampf bildet die objektive Grundlage für die sozialistische Massenbewegung, die schließlich dem kapitalistischen Polizeistaat und damit auch der Masseninhaftierung ein Ende setzen wird.