Sudan: Kämpfe zwischen rivalisierenden, vom Ausland unterstützten Fraktionen des Militärs

Am Samstag brachen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum und anderen Städten Kämpfe zwischen rivalisierenden Fraktionen der sudanesischen Streitkräfte aus.

Die Kämpfe brachen aus, nachdem die seit Monaten anhaltenden Spannungen zu einem offenen Kampf um die Kontrolle über das Land eskaliert waren. Paramilitärs der Rapid Support Force (RSF), die von dem Warlord und stellvertretenden Vorsitzenden des herrschenden Souveränen Rats, Mohamed Hamdan Dagalo, angeführt wird und 100.000 Kämpfer umfassen soll, haben nach eigenen Angaben die Kontrolle über den Präsidentenpalast, den staatlichen Fernsehsender, den Flughafen von Khartum und andere wichtige Gebäude und Infrastruktur übernommen. Auf dem Flughafen wurden zwei saudische Flugzeuge getroffen. Das Militär unter Führung des Oberbefehlshabers der Armee, des Vorsitzenden des Souveränen Rats und De-facto-Herrschers General Abdel Fattah al-Burhan, wies diese Behauptungen zurück.

Aus einem Stadtviertel in Khartum steigt Rauch auf. In der Hauptstadt und anderen Städten kam es nach wochenlang eskalierenden Spannungen zwischen dem sudanesischen Militär und den mächtigen paramilitärischen Einheiten zu heftigen Zusammenstößen. Die Kämpfe lösten Befürchtungen aus, der Konflikt in dem ohnehin schon von Chaos geprägten afrikanischen Staat könnte sich ausweiten. 15. April 2023 (AP Photo/Marwan Ali) [AP Photo/Marwan Ali]

Bewaffnete Zusammenstöße wurden aus allen Teilen des Landes gemeldet, u.a. aus Port Sudan am Roten Meer, West-Darfur, Meroe und den südlichen Provinzen. Beide Seiten beanspruchen die Kontrolle über wichtige Einrichtungen und beschuldigen die andere Seite, einen Putsch zu inszenieren. Angesichts von Berichten, ägyptische Truppen würden in Meroe an der Seite der sudanesischen Armee kämpfen, herrscht Angst vor einem umfassenden Bürgerkrieg, in den auch die Nachbarstaaten verwickelt werden könnten. In Meroe unterhält Kairo einen Stützpunkt, auf dem Kampfflugzeuge stationiert sind, die im Jahr 2020 an gemeinsamen Übungen teilgenommen haben.

Die Luftwaffe wies die Bevölkerung an, ihre Häuser nicht zu verlassen, solange die Luftangriffe auf den Stützpunkt der RSF in Omdurman, der Nachbarstadt von Khartum, andauern. Die sudanesische Armee erklärte, der Flughafen und andere Stützpunkte befänden sich „vollständig unter ihrer Kontrolle“. Bei Kämpfen in Wohngebieten, in denen beide Seiten Büros und Stützpunkte unterhalten, wurden Berichten zufolge mindestens 56 Menschen getötet und weitere 600 verwundet, sowohl Zivilisten als auch Kämpfer. Am Sonntag, einem Arbeitstag, riefen die Behörden im Bundesstaat Khartum einen Feiertag aus; Schulen, Banken und Regierungsbehörden blieben geschlossen.

Der Aufstieg der beiden Anführer begann während des Kriegs im westsudanesischen Darfur, wo zwischen 2003 und 2008 bei Kämpfen 300.000 Menschen getötet und weitere 2,5 Millionen vertrieben wurden. Al-Burhan war damals schon Befehlshaber der Armee, und Dagalo (allgemein unter dem Namen Hemedti bekannt) befehligte die berüchtigten Dschandschawid-Milizen, die für sehr schlimme Gräueltaten in dem Konflikt verantwortlich waren.

Al-Burhan genießt die Unterstützung des brutalen ägyptischen Diktators Abdel Fattah el-Sisi und von Elementen aus dem Umfeld des Militärs, die seit langem den umfangreichen militärisch-industriellen Komplex des Sudan kontrollieren. Berichten zufolge, unterstützt Al-Burhan die USA und die europäischen Mächte im US/Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine. Dagalo, der durch die Goldvorkommen in Darfur enorm reich geworden ist, wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Saudi-Arabien unterstützt. Er kontrolliert den Goldexport und hat enge Beziehungen zu Russland, dessen Söldnergruppe Wagner im Sudan und der benachbarten Zentralafrikanischen Republik operiert.

US-Außenminister Antony Blinken, UN-Generalsekretär Antonio Guterres, die Außenminister Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate, Russland, China, die Arabische Liga und die Afrikanische Union - alle reagierten sie auf den Ausbruch der Kämpfe mit Appellen zur Ruhe. Die zeigt die vielen unterschiedlichen, miteinander konkurrierenden Parteien, die alle an dem konfliktgebeutelten Land ein Interesse haben. Am Sonntagnachmittag, als al-Burhans Truppen offenbar die Oberhand in Khartum gewannen, stimmten beide Seiten einem Vorschlag der UN zu, eine dreistündige humanitäre Pause einzulegen.

Der seit langem drohende Machtkampf könnte nicht nur den Sudan, sondern auch einen Großteil der Region am Horn von Afrika destabilisieren. In diesem Gebiet, wo Dürren und Hungersnot immer wieder zu Konflikten führen, versuchen die Golf-Staaten, die USA, die Europäische Union und Russland Einfluss zu nehmen.

Das sudanesische Militär unterhält enge Beziehungen zu Russland, das einen Stützpunkt in Port Sudan am Roten Meer errichten will. Der Sudan verkauft einen Großteil seines Goldes, das 40 Prozent der Exporte des Landes ausmacht, über die VAE an Russland. Im UN-Sicherheitsrat hat der Sudan sich bei der Resolution, die den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilt, der Stimme enthalten und sich damit den Unmut der Biden-Regierung zugezogen. Washington ist entschlossen, die Beziehungen des Sudans zum Iran, zu Russland und China zu beenden, den Hafen von Port Sudan für die russische Marine zu sperren und sein eigenes regionales Bündnis gegen den Iran zu stärken, dem der Sudan Anfang des Jahres beigetreten ist.

Die europäischen Mächte sind bestrebt, jede Instabilität im Sudan zu vermeiden, da sich das Land an einer strategisch wichtigen Stelle am Horn von Afrika, dem Roten Meer und dem Zugang zum Sueskanal befindet. Instabilität könnte zu einer Unterbrechung der Öllieferungen oder einer neuen Flüchtlingswelle führen. Äthiopien, das nach seiner Bevölkerung zweitgrößte Land Afrikas und Machtzentrum am Horn von Afrika, hat vor kurzem den seit zwei Jahren andauernden Bürgerkrieg mit den Rebellen von Tigray beendet, ist jedoch in der Provinz Amhara mit Massenunruhen konfrontiert, weil die regionalen Streitkräfte in die nationale Armee integriert werden sollen. Die Truppen von Amhara haben eine wichtige Rolle bei der Niederschlagung der Tigrayaner gespielt und liegen mit ihnen im Streit um Territorien.

Im Vorfeld der Gewaltausbrüche vom Wochenende hatten sich die Spannungen wochenlang verschärft, und Militäreinsätze sowie Sicherheitsmaßnahmen wurden ausgeweitet. Zudem hatten die sudanesischen Streitkräfte um öffentliche und internationale Unterstützung für die geplante Aufnahme der RSF und anderer ehemaliger Rebellenmilizen – die an Aufständen in verschiedenen Teilen des Landes beteiligt waren –in die sudanesische Armee geworben. Dies war eine der zentralen Forderungen von al-Burhans Fraktion bei den Verhandlungen, die diesen Monat abgeschlossen werden sollten. Ihr Ziel war es, die zivile Herrschaft im Land wiederherzustellen und das politische und wirtschaftliche Chaos zu beenden, das im Land seit Dezember 2018 vorherrscht. Dagalo hatte die Beseitigung der islamistischen Machthaber aus der al-Bashir-Zeit und eine zivile Kontrolle über das Militär gefordert.

Im April 2019, nach monatelangen Massenprotesten gegen die von der Moslembruderschaft gestützte Militärdiktatur von Präsident Omar al-Bashir, die von Katar und der Türkei unterstützt wurde, organisierte der Militärbefehlshaber al-Burhan mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens einen präventiven Putsch gegen al-Bashir. Sein Ziel war es, den Sturz des gesamten Staatsapparats und die Enteignung der umfangreichen finanziellen und wirtschaftlichen Institutionen zu verhindern, die einen Großteil der sudanesischen Wirtschaft kontrollieren.

In den folgenden Monaten stellte die Protestbewegung Verhandlungen mit dem Militär in Aussicht. Ihre Führung lag bei der Organisation Kräfte für Freiheit und Wandel (FCC), einer Dachorganisation von 22 bürgerlichen und kleinbürgerlichen Gruppen, darunter die Gewerkschaften und die Kommunistische Partei des Sudans. Trotz eines Massakers des Militärs an mehr als 1.000 unbewaffneten Demonstranten erklärte die FCC sich zu Verhandlungen mit dem Militär über eine Rückkehr zur zivilen Herrschaft bereit. Angesichts der langen Geschichte von Putschen und Militärherrschaft im Sudan seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1956 konnte ein solch verräterischer Weg nur als Deckmantel für das Militär dienen, um die notwendigen wirtschaftlichen Maßnahmen durchzuführen, die zur Aufhebung der lähmenden US-Sanktionen notwendig waren, und um Zugang zu internationalen Krediten zu erhalten.

Premierminister Abdalla Hamdok, einem in Großbritannien ausgebildeten Ökonomen und ehemaligen Mitglied der sudanesischen Kommunistischen Partei, konnte sich an der Spitze einer „technokratischen“ Übergangsregierung, in der al-Burhans Souveräner Rat die tatsächliche Macht innehatte, nur wenige Jahre halten.

Als marktwirtschaftliche Reformen, darunter die Abschaffung der Treibstoffsubventionen, die Privatisierung von hunderten Staatsbetrieben und das harte Vorgehen gegen Korruption und gegen die Plünderung staatlicher Einnahmen durch Unternehmen aus dem Umfeld von al-Bashir und dem Militär die beträchtlichen wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen Interessen des Militärs bedrohten, entließ al-Burhan Hamdok und seine „technokratische“ Regierung und kehrte im Oktober 2021 wieder zur Militärherrschaft zurück. Er besetzte die Regierungs- und Staatsorgane mit Generälen, Islamisten und anderen zuverlässigen Verbündeten des al-Bashir-Regimes und verschärfte die Unterdrückung der wiederauflebenden Protestbewegung. Dennoch stimmten die größten Oppositionsparteien einem weiteren verräterischen und unpopulären Abkommen mit dem Militär zu, durch das Hamdok wieder eingesetzt wurde. Er scheiterte jedoch bereits nach wenigen Wochen, sodass al-Burhan an der Macht blieb.

Seither sind die Beziehungen zwischen Burhan und Hemedti zunehmend brüchig. Die Niederschlagung der anhaltenden sozialen Proteste führte zum Tod von mehr als 120 Zivilisten. Etwa 15 Millionen der 46 Millionen Einwohner des Sudan sind von akuter Ernährungsunsicherheit bedroht. Gründe dafür sind die rasant steigenden Nahrungsmittel- und Treibstoffpreise, die Wirtschaftskrise, die durch die Abspaltung des ölreichen Südsudans im Jahr 2011 ausgelöst wurde, die politische Instabilität, die Konflikte und die Vertreibung von etwa drei Millionen Menschen, Missernten und Überschwemmungen.

Die FFC, Dachorganisation der Proteste, unterstützt Dagalo, den sie als Gegengewicht zu den Islamisten betrachtet. Im Dezember unterzeichnete sie ein neues Rahmenabkommen für eine Rückkehr zur zivilen Herrschaft, obwohl die örtlichen Widerstandskomitees das Abkommen ablehnen. Dieses Abkommen sagt wenig über die Beseitigung des früheren Regimes aus und erklärt nicht, warum das frühere Friedensabkommen von Juba mit den diversen Rebellengruppen die Konflikte nicht lösen konnte. Ebenso wenig sagt es über die Krise im rohstoffreichen Osten des Sudans, wo sich Diamant- und Goldminen befinden, sowie über den lebenswichtigen Port Sudan, wo bewaffnete Gruppen die Kontrolle über die Häfen des Landes übernommen haben und größere Autonomie fordern.

Die Behauptung, eine Zivilregierung aus solchen Kräften könnte die enormen sozialen und wirtschaftlichen Probleme der sudanesischen Arbeiter und ländlichen Massen lösen, ist eine gefährliche Falle. Das Ziel dieser kleinbürgerlichen Kräfte, liberalen Schichten und ihrer pseudolinken Anhänger ist es, eine soziale Revolution zu verhindern, wie die Geschichte des Nahen Ostens und Afrikas gezeigt hat.

Die einzige Möglichkeit, erfolgreich Widerstand gegen die Offensive des Militärs und die Machenschaften der imperialistischen und der regionalen Mächte zu leisten und im Sudan ein demokratisches Regime zu errichten, ist der Kampf der Arbeiterklasse auf einer revolutionären sozialistischen Perspektive. Das Ziel muss die Übernahme der Macht sein, die Enteignung der unrechtmäßig erworbenen Reichtümer des Regimes im Rahmen eines breiten internationalen Kampfs der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und für den Aufbau des Sozialismus. Dies erfordert den Aufbau einer Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale im Sudan sowie von Sektionen in Ägypten und allen anderen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens.

Loading