Berliner Koalitionsvertrag: CDU und SPD stellen innere Aufrüstung in den Mittelpunkt

Unter dem Titel „Das Beste für Berlin“ haben CDU und SPD Anfang April den Koalitionsvertrag für die künftige Landesregierung vorgestellt. Im Fokus stehen die Aufrüstung der Sicherheitskräfte und ein massiver Angriff auf demokratische Rechte.

Der Entwurf muss bis zum 23. April von der SPD-Basis in einer Abstimmung bestätigt werden, was trotz einiger oberflächlicher Kritik als relativ sicher gilt. Der Landesverband hatte bereits im Februar einem Bündnis mit der CDU zugestimmt. Die Landesvorsitzende und noch amtierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte mit ihrem Rücktritt gedroht, falls der Landesvorstand nicht zustimmt.

Franziska Giffey (SPD) bei der Stimmabgabe zur Abgeodnetenhauswahl [AP Photo/Michael Sohn]

Als Regierender Bürgermeister der Großen Koalition ist der Vorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, vorgesehen. Giffey selbst wird voraussichtlich neue Bausenatorin. Mit der Bildung der Koalition bereiten sich beide Parteien auf die Konfrontation mit der wachsenden sozialen Opposition und deren gewaltsame Unterdrückung vor.

Für die Koalition aus SPD, Linkspartei und Grünen, die Berlin seit 2016 regiert hat und deren Fortsetzung rein rechnerisch möglich gewesen wäre, war die Wiederholungswahl vom 12. Februar ein Desaster. Die Parteien verloren seit der ursprünglichen, vom Berliner Verfassungsgericht annullierten Wahl im September 2021 zusammen fast eine Viertelmillion Wähler – die SPD 111.000, Die Linke 71.000 und die Grünen 65.000.

Dass die CDU mehr als zehn Prozent zulegte und mit 28,2 Prozent stärkste Partei wurde, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass SPD, Grüne und Linke in der Hauptstadt wegen ihrer rechten, unsozialen Politik verhasst sind.

In seiner kurzen Regierungszeit hat der rot-rot-grüne Senat heftige soziale Angriffe beschlossen, brutal Flüchtlinge abgeschoben und die Polizei massiv aufgerüstet.

CDU und SPD werden diese Politik fortsetzen und verschärfen. Daran lässt der Koalitionsvertrag keinen Zweifel. Neben zahlreichen belanglosen Phrasen und Absichtserklärungen enthält er vor allem Pläne für eine radikale Law-and-Order-Politik. „Es geht darum, unserer Polizei und unseren Rettungskräften den Rücken zu stärken und Straßen und Plätze für alle deutlich sauberer und sicherer zu machen“, heißt es in der Präambel.

Bereits in den vergangenen Legislaturperioden wurden die Polizeikräfte aufgestockt, während in anderen Bereichen, wie Gesundheit und Bildung, gekürzt wurde. Nun sollen bei Polizei und Feuerwehr weitere 1000 Stellen geschaffen werden. Dabei entstanden solche Stellen bereits in der Vergangenheit fast ausschließlich bei der Polizei, während die Feuerwehren personell und materiell völlig unterversorgt sind.

Wegner erklärte bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags: „Sie werden merken, dass diese neue Koalition hinter der Polizei steht.“ Der Berliner Polizei, die für übertriebene Anwendung von Gewalt und grassierenden Rassismus berüchtigt ist, stellt der künftige Regierende Bürgermeister damit einen Blankoscheck aus.

Auch die materielle Ausstattung der Polizeibehörden soll verbessert werden. Während die Schulen der Hauptstadt regelrecht verfallen, sollen mit Sonderinvestitionen die Polizeiwachen saniert werden. „Unverzüglich, dauerhaft und flächendeckend“ soll die Polizei mit Bodycams ausgestattet werden. Diese sollen künftig auch in Privaträumen eingesetzt werden. Der Einsatz von Tasern soll ausgeweitet werden und eine großzügige gesetzliche Grundlage erhalten.

Auch für eine weitergehende Überwachung der Telekommunikation will die Regierung die notwendigen rechtlichen Grundlagen schaffen. Mit dem üblichen Verweis auf Terrorgefahr sollen den Sicherheitsbehörden Onlinedurchsuchungen mit Trojanern leichter ermöglicht werden.

Weiter soll nach dem Willen von CDU und SPD der öffentliche Raum stärker überwacht werden, unter anderem durch mehr Videoüberwachung an „kriminalitäsbelasteten Orten“. Dieser Begriff ist beliebig auslegbar, was durchaus gewollt ist. Mit der Ausweitung der so genannten „Messerverbotszonen“ sollen zusätzliche Gebiete geschaffen werden, in denen die Polizei ohne jeden Anlass und Verdacht Personen kontrollieren kann. Faktisch entspräche dies einer permanenten Schleierfahndung, die in Berlin 2004 aufgrund erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken abgeschafft worden war. Nun soll sie durch die Hintertür wieder eingeführt werden.

Mit der Verlängerung der Präventivhaft von zwei auf fünf Tage sollen Aktivisten und unliebsame Personen in Haft genommen werden können, ohne dass sie eine Straftat begangen haben. Um Demonstrationen im Namen der „öffentlichen Ordnung“ zu unterbinden und entsprechende Befugnisse der Polizei zu erweitern, plant die Koalition, das Versammlungsfreiheitsgesetz zu beschneiden. Dies hat für CDU und SPD hohe Priorität und soll bis zum nächsten Jahr geschehen.

Der Verfassungsschutz – ein Hort rechtsextremer Verschwörungen im Staatsapparat – soll wie die Polizei „gestärkt“ werden und beispielsweise leichteren Zugang zu Daten von Telekommunikationsanbietern erhalten.

Bei der Abschiebung von Flüchtlingen wird Berlin weiterhin zu den Bundesländern mit den höchsten Abschiebungszahlen zählen. Schon unter der rot-rot-grünen Landesregierung wurden, vorzugsweise in Nacht- und Nebelaktionen, brutale Abschiebungen vollzogen. Unter der neuen Regierung sollen zudem „freiwillige“ Ausreisen gefördert werden. Dies bedeutet, dass die Aufenthaltsbedingungen für Flüchtlinge noch miserabler gestaltet werden, um sie zur Rückkehr in ihre Heimatländer zu bewegen.

SPD und CDU werden auch die rassistische Kampagne für einen Polizeistaat fortsetzen, die unter Rot-Rot-Grün nach der sogenannten „Berliner Silvesternacht“ lanciert worden ist. Politik und Medien verbreiteten damals die Propaganda, es sei zu nie dagewesener Gewalt überwiegend migrantischer Jugendlicher gegen die Sicherheitsbehörden gekommen. SPD, Linkspartei und Grüne organisierten einen „Gipfel gegen Jugendgewalt“, der Jugendlichen „klare Konsequenzen bei Straftaten und Grenzüberschreitungen“ androhte. Im Koalitionsvertrag heißt es nun, dass die Ergebnisse des Gipfels „zügig umgesetzt“ werden.

Während der Vertrag beim Thema Staatsaufrüstung und Innere Sicherheit sehr konkret ist und umfangreiche Mittel verspricht, geht er im Kapitel Gesundheit und Pflege nicht über leere Worthülsen hinaus. Auch im Bereich Bildung findet der marode Zustand der Schulen und der enorme Lehrermangel keine Erwähnung.

Das Finanzressort geht nach bisherigen Informationen an die CDU. Im Vertragsentwurf ist von „solider Haushaltspolitik“ die Rede, was bedeutet, dass der Sparkurs der Vorgängerregierung weitergeführt und verschärft wird.

Wohnen in der Hauptstadt wird auch in Zukunft immer mehr zum Luxus werden. Bereits SPD, Grüne und Linke hatten sich über den Volksentscheid hinweggesetzt, bei dem eine große Mehrheit der Berliner für die Enteignung großer, privater Immobilienkonzerne stimmte. Wegner und Giffey hatten sich von Anfang an dagegen ausgesprochen und pflegen engen Kontakt zur Immobilienlobby.

Die neue Regierung will für die landeseigenen Immobiliengesellschaften 15.000 neue Wohnungen erwerben. Diese sollen kreditfinanziert Konzernen wie Vonovia teuer abgekauft werden, die auf diese Weise vom Senat mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, damit sie die Mieten weiter in die Höhe treiben können.

Vonovia hat bereits angekündigt, wegen steigender Zinsen und Baukosten alle Neubauprojekte in Berlin fallen zu lassen. Laut Bloomberg verschlechtert sich die Situation des Unternehmens im Euro Stoxx 50 ständig, so dass die Aktie möglicherweise bald aus dem Index genommen wird.

Der Koalitionsvertrag macht deutlich, dass ein äußerst rechter Senat vor der Regierungsübernahme in Berlin steht. Giffey steht bekanntermaßen auf dem äußersten rechten Flügel der SPD. Sie ist die politische Ziehtochter des ehemaligen Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky, der für seine üblen rassistischen Ausfälle gegen Migranten berüchtigt ist.

Wegner steht am rechten Rand der Union. In der Vergangenheit solidarisierte er sich offen mit dem rechtsextremen ehemaligen Chef des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen und erklärte, dieser könne „selbstverständlich auch Mitglied der Berliner CDU sein“.

Schon zu seiner Zeit in der Jungen Union fiel der heute 50-jährige Wegner durch eine stramm rechte, nationalistische Gesinnung auf. Er sprach sich explizit gegen eine multikulturelle Gesellschaft aus und redete einer sogenannten „deutschen Leitkultur“ das Wort. In einer Parteitagsrede im Jahr 2000 forderte er, dass die Jugend „endlich ein gesundes Verhältnis zur Nation entwickeln“ müsse, wie der Tagesspiegel berichtete. Zu dieser Zeit besuchte er in Berlin auch eine Veranstaltung mit dem mittlerweile verstorbenen österreichischen Rechtsextremen Jörg Haider.

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