Streikende französische Eisenbahner fordern Sturz des Macron-Regimes

Am Montag und Dienstag interviewte die WSWS streikende Eisenbahner in Paris. Seit dem 7. März streiken Müllwerker, Raffineriearbeiter und Eisenbahner gegen die Macron-Regierung und ihre undemokratischen Rentenkürzungen. Während des Aktionstags am letzten Dienstag interviewte die WSWS den Eisenbahner Alain, der am Pariser Bahnhof Gare du Nord streikt.

Alain erklärte seine Ansichten über die bürgerliche Demokratie, nachdem Macron seinen Angriff auf die Renten ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchgesetzt hat: „Wir leben nicht länger in einer Demokratie. Wir sind praktisch in einer Diktatur, in einer Gesellschaft des absoluten Kapitals.“

Alain, ein streikender Eisenbahner, der gegen Macron und seine Rentenkürzungen kämpft (Foto: WSWS)

Über den Aufruf der Parti de l’égalité socialiste (PES), die Arbeiter zum Sturz Macrons zu mobilisieren, erklärte Alain: „Ja, das ist notwendig, weil Macron keine Legitimität mehr hat. Als er gewählt wurde, gab es Enthaltungen. Die wenigen, die gewählt haben, taten das nur aus Ablehnung gegenüber der extremen Rechten. Jetzt hat er keine Legitimität mehr. Er kann nicht sagen: ,Ich wurde vom Volk gewählt.‘ Das ist nicht wahr, die Leute haben dem Wahlprozess den Rücken gekehrt.“

Am Dienstag hatten die Vorsitzenden der Gewerkschaften CFDT und CGT, Laurent Berger und Philippe Martinez, die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Macron angekündigt, obwohl mehr als 60 Prozent der Bevölkerung einen Generalstreik gegen Macron und die Blockade der Wirtschaft befürworten.

Auf die Frage, warum die Gewerkschaftsbürokratie eine Politik verfolgt, die den Forderungen der Mitgliederbasis zuwiderläuft, erklärte Alain: „Die sind an der Spitze, aber hören sie auf die Basis? Da bin ich mir nicht sicher. Ich weiß zum Beispiel, dass wir in der CGT ihre Meinung nicht teilen. Ich weiß, dass viele CGT-Mitglieder nicht mit der Regierung verhandeln wollen, dass sie für den Generalstreik und die Vereinigung aller Arbeiter in den unterschiedlichen Gewerkschaften sind.“

Alain erklärte auch, warum sich eine Massenbewegung gegen Macron zeitgleich mit Streiks in ganz Europa entwickelt, einschließlich Deutschlands, Spaniens, des Vereinigten Königreichs und Portugals: „Heute sind sich die Leute bewusst, dass es in die falsche Richtung geht, auch von der Europäischen Union, dass die Führer heute mehr auf das Großkapital hören als auf die Menschen und dass heute alle Entscheidungen nur im Interesse der Konzerne getroffen werden.“

Er fügte hinzu: „Ich glaube, jeder sieht es. Es ist das gleiche in allen Ländern, egal ob es die Inflation ist, bei uns die Renten oder sonst was: Die Leute sehen es, und ich glaube, deshalb ertragen sie es nicht mehr. Und wenn man hört, dass es auch in anderen Ländern passiert und immer mehr wird, sagen die Leute, ja, es gibt Leute die demonstrieren, also will ich auch mitmachen, denn ich bin auch wütend und will meinen Standpunkt verteidigen. Und für mich ist das wichtig und richtig. Es müssen noch mehr mitmachen.“

Alain wies darauf hin, dass die Rentenreform der Höhepunkt einer jahrzehntelangen sozialen Reaktion und Privatisierung in Frankreich ist: „So kann man nicht jahrelang arbeiten. Der ganze öffentliche Dienst ist privatisiert worden. Selbst bei der Eisenbahn wird von uns verlangt, dass wir Profit machen, wenn wir eigentlich Züge für Leute bereitstellen müssen, die weit entfernt von den Städten leben, die zum Beispiel aus den Dörfern zum Arbeiten nach Paris müssen, damit sie in ihren kleinen Regionen nicht isoliert sind. Und alle diese Züge werden eingestellt, weil sie nicht mehr rentabel sind.“

Er erklärte weiter: „Dann ist da der öffentliche Krankenhausdienst, der zu einer Katastrophe geworden ist. Heute muss alles Profit abwerfen, die Krankenhäuser genauso wie wir, die Eisenbahn, weil wir zum öffentlichen Dienst gehören. Und sie wollen, dass wir noch länger in die Rentenkasse einzahlen und gleichzeitig werden die Löhne gesenkt und die Beiträge erhöht.“

Am Montag sprach die WSWS auch mit Yohan und Stéphane, zwei Eisenbahnern am Bahnhof Montparnasse in Paris. Auch sie streiken gegen die Rentenreform und die Preissteigerungen, die ihre Löhne auffressen. Sie sind ebenfalls zur Müllverbrennungsanlage Ivry-sur-Seine gegangen, bei der am Montagmorgen die Streikposten von der Polizei attackiert und die Müllwerker zur Arbeit zwangsverpflichtet wurden.

Yohan erklärte zu Macrons Entscheidung, seine Rentenkürzungen durch den Einsatz von Artikel 49.3 der französischen Verfassung ohne Abstimmung durchzusetzen: „Es gibt in Frankreich keine Demokratie mehr. In einer echten Demokratie könnten wir einfach diskutieren und die Dinge in Ordnung bringen. Aber dort, auf der anderen Seite, sehen wir, dass denen das egal ist. Von ihrem Standpunkt aus ist Demokratie ihre Demokratie. Die Demokratie ist auf der anderen Seite, nicht auf unserer.“

Yohan verurteilte auch Macrons Argument, nach den Bankenrettungen und der Erhöhung der Militärausgaben sei kein Geld für Renten mehr da: „[Macron] sagt, es sei kein Geld da, er brauche zwölf Milliarden Euro aus der Rentenkasse. Aber andererseits verteilen wir – wie viel waren es? – 80 Milliarden an die Aktionäre, und dann noch 400 Milliarden“ an das Militär.

Stéphane erklärte, warum die Arbeiter seiner Meinung nach gegen Macron mobilisieren sollten: „Wir wollen zuerst die menschlichen Grundbedürfnisse erfüllt haben. Wir wollen arbeiten, wir sind nicht faul. Wir wollen nützliche Arbeit verrichten. Es ergibt Sinn, dass sie angemessen bezahlt wird und dass die Arbeitszeit, das Gleichgewicht zwischen Arbeit und persönlichem Leben, angemessen und korrekt sein kann.“

Auf die Frage, warum die Arbeiter in ganz Europa aufstehen, erklärte Stephane: „Ich glaube, es ist einfach: Es ist die Richtung, die Europa vor ein paar Jahren eingeschlagen hat, dass alles liberalisiert werden muss. Ich glaube, uns geht die Puste aus, die Leute können es sehen. Ich wusste es nicht, aber mir wurde gesagt, dass Europa 1992, als die EU gegründet wurde, ein soziales Europa war. Wir sehen jetzt, wohin uns das ,soziale‘ Europa geführt hat... Überall sind Lobbyisten, das können wir sehen. Ich meine, wir wissen genau, dass wir einen Präsidenten haben, der vorher bei einer Bank gearbeitet hat.“

Stéphane erklärte, der Kampf zum Sturz der Macron-Regierung sei „in Wirklichkeit ein Klassenkampf. Ich glaube, wir können sogar zurückgehen bis ins Jahr 1789, wir sind nicht weit davon entfernt. Damals hat die Bourgeoisie gegen den Adel gekämpft, heute sind es die Arbeiter gegen den Bourgeois.“

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