Perspektive

Wagenknechts und Schwarzers vergiftete Friedenspetition

Für internationalen Sozialismus statt Nationalismus und Militarismus

In ganz Europa wächst der Widerstand gegen den Krieg der Nato in der Ukraine und seine sozialen Folgen. Immer mehr Menschen verstehen, dass es der US-Regierung und ihren europäischen Verbündeten nicht um Demokratie und Frieden geht, sondern um die militärische Unterwerfung Russlands, und dass sie bereit sind, dafür Hunderttausende Tote und das Risiko eines Atomkriegs in Kauf zu nehmen.

Deutsche Leopardpanzer üben in Grafenwöhr [Photo by 7th Army Training Command / flickr / CC BY 2.0]

Gleichzeitig entwickeln sich heftige Klassenschlachten, die die Kriegsstrategie der Herrschenden durchkreuzen. Arbeiter sind nicht bereit, nach Jahren der Bereicherung zu ihren Lasten auch noch die Kosten eines Krieges zu tragen, der nur in eine Katastrophe führen kann. In Frankreich protestieren seit Wochen Millionen gegen die Rentensenkungspläne Präsident Macrons, Großbritannien erlebt die größte Streikwelle seit 40 Jahren und in Deutschland stehen Millionen im Tarifkampf.

Die Sozialistische Gleichheitspartei hat den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung, die den Kampf gegen Krieg mit einem sozialistischen Programm für die Arbeiterklasse verbindet, in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs zum Berliner Abgeordnetenhaus gestellt. Sie ist damit in Arbeitervierteln auf große Zustimmung und Unterstützung gestoßen.

In diesem Zusammenhang muss die Initiative der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Feministin Alice Schwarzer gesehen werden, die eine Petition gegen die „Eskalation der Waffenlieferungen“ und „für Friedensverhandlungen“ gestartet haben und für den 25. Februar zu einer Kundgebung in Berlin aufrufen.

Die Petition hat innerhalb von zehn Tagen auf change.org fast 600.000 Unterschriften erhalten. Viele haben unterschrieben, weil sie ein sofortiges Ende des Krieges wollen und die Warnung der Petition vor einer unaufhaltsamen „Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg“ ernst nehmen. Entsprechend feindselig haben die Medien und die etablierten Parteien auf die Petition reagiert.

Doch die Initiatoren der Petition verfolgen ganz andere Ziele. Sie missbrauchen die Opposition gegen den Krieg für eine nationalistische und militaristische Agenda. Sie fürchten eine Massenbewegung der Arbeiterklasse ebenso sehr wie die Regierung. Sie sprechen für jene Vertreter der herrschenden Klasse, die der Ansicht sind, dass Deutschland sein Bündnis mit den USA lieber heute als morgen beenden und als „europäische Führungsmacht“ seine geopolitischen Interessen aus eigener Kraft verfolgen sollte.

Das gilt insbesondere für Wagenknecht, ihren Ehemann Oskar Lafontaine und andere prominente Erstunterzeichner der Petition, wie den Brigadegeneral a.D. Erich Vad und den CSU-Rechten Peter Gauweiler.

Lafontaine wird nicht müde, der Bundesregierung Vasallentum gegenüber den USA vorzuwerfen. „Zu den treuesten Vasallen gehören die Europäer, allen voran Deutschland,“ schreibt er in seinem jüngsten Buch. „Deswegen haben wir die Lage, in die wir jetzt geraten sind.“ Er fordert „die Befreiung Europas von der militärischen Vormundschaft der USA durch eine eigenständige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ und „ein gemeinsames Verteidigungsbündnis zwischen Deutschland und Frankreich“.

Das ist keine „Friedenspolitik“, sondern bedeutet Aufrüstung und Großmachtstreben. Eine „eigenständige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ kostet hunderte zusätzliche Milliarden.

Auch Erich Vad ist ein überzeugter Militarist. Der Brigadegeneral a.D. ist Mitglied der CDU, war während des Bosnienkriegs im US Central Command für Sonderoperationen zuständig, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel militärisch beraten und bewundert den Nazi-Juristen Carl Schmitt, über den er ein Buch verfasst hat.

Seit der Veröffentlichung der Petition tritt die rechte Orientierung der Initiatoren immer deutlicher zutage. Lafontaine und Wagenknecht suchen den Schulterschluss mit der AfD. Hatte sich Wagenknecht anfangs noch halbherzig von rechtsextremen Unterstützern distanziert und erklärt, auf der Kundgebung sei zwar „jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren möchte“, aber rechtsextreme Flaggen oder Symbole würden nicht geduldet, weichte sie später selbst diese wage Distanzierung auf.

Lafontaine bezeichnete die Behauptung, AfD-Politiker seien auf der Kundgebung nicht willkommen, als „völligen Blödsinn“. Damit würde man sich „unglaubwürdig“ machen, sagte er im Youtube-Kanal von Milena Peradovic, einem Tummelplatz von Corona-Leugnern und anderen Rechten. Nur „Fahnen etwa der Reichsbürger“ oder „politische Propaganda für abstruse Ziele“ seien unerwünscht.

Der ehemalige Linke-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm, ein Wagenknecht-Anhänger, trat am Samstag sogar auf einer Querdenker-Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz in München auf, an der sich auch zahlreiche AfD-Mitglieder beteiligten. Hauptredner war dort der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer, der ebenfalls zu den Erstunterzeichnern der Wagenknecht-Schwarzer-Petition gehört.

Die Behauptung, eine Antikriegsbewegung sei nur „glaubwürdig“, wenn sie Generäle, rechte bürgerliche Politiker und Mitglieder der faschistischen AfD in ihren Reihen willkommen heiße, ist absurd und reaktionär. Mit Leuten, die Vernichtungskrieg und Holocaust als Vogelschiss verniedlichen, mit Faschisten und Militaristen baut man keine Antikriegs-, sondern eine Kriegsbewegung auf.

Deshalb steht in der Petition auch kein Wort über die Wiederbelebung des deutschen Militarismus und die größte Aufrüstungsoffensive seit Hitler. Sie verurteilt zwar den brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine, nicht aber die verbrecherische Politik der Nato, die auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führt.

Die Petition ist kein Aufruf zum Kampf gegen Krieg und Nationalismus, sondern ein Appell an den Bundeskanzler, konsequent deutsche Interessen wahrzunehmen. „Doch wir können und müssen unsere Regierung und den Kanzler in die Pflicht nehmen und ihn an seinen Schwur erinnern: ‚Schaden vom deutschen Volk wenden‘,“ heißt es darin.

In Wirklichkeit ist das „Volk“ in Deutschland, wie in allen kapitalistischen Ländern, in unversöhnliche Klassen gespalten. Scholz verteidigt – nach innen wie nach außen – die sozialen, wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen des deutschen Kapitals, das wieder mit denselben globalen Widersprüchen konfrontiert ist, die es durch zwei Weltkriege und die Nazi-Diktatur zu lösen versucht hatte.

Deshalb muss sich ein ernsthafter Kampf gegen Krieg auch gegen seine Wurzel richten: den Kapitalismus. Er muss jede Form von Nationalismus und Militarismus zurückweisen und sich auf die einzige gesellschaftliche Kraft stützen, die eine Katastrophe verhindern kann: die internationale Arbeiterklasse, die jetzt überall in Bewegung gerät und gegen Lohnraub und Krieg aufsteht.

Gemäß Karl Liebknechts Devise „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist es notwendig, die Kriegstreiber im Kanzleramt, im Verteidigungs- und im Außenministerium anzuprangern, die den Krieg mit der Expansion der Nato, dem Putsch in Kiew 2014 und der systematischen Aufrüstung der ukrainischen Armee seit Jahren vorbereitet haben.

Für diese Perspektive des internationalen Sozialismus steht die Sozialistische Gleichheitspartei als deutsche Sektion der Vierten Internationale. Wagenknechts Initiative ist dem diametral entgegengesetzt und dient letztlich nur dazu, eine Massenbewegung der Arbeiter zu demoralisieren und zu unterdrücken. Deshalb arbeitet sie mit den schlimmsten Gegnern der Arbeiterklasse zusammen.

Wer wirklich gegen Krieg kämpfen will, muss sich der Kampagne der SGP und ihrer Jugendorganisation, der IYSSE, zum Aufbau einer Massenbewegung gegen den Krieg in der Ukraine anschließen. Im Aufruf dazu heißt es:

Wir müssen zu den Fabriken und Betrieben gehen, in denen Arbeiterinnen und Arbeiter gegen Ungleichheit und Ausbeutung kämpfen. Sie sind die große Kraft, die in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen und der Menschheit einen neuen Weg zu bahnen. Die IYSSE suchen nicht einfach die Unterstützung der Arbeiter im Kampf gegen Krieg. Wir wissen, dass die Niederlage des Imperialismus davon abhängt, dass die Arbeiterklasse – bewaffnet mit einem sozialistischen Programm – als führende und entscheidende revolutionäre Kraft im Kampf gegen das kapitalistische Weltsystem auftritt.

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