Macron empfängt Netanjahu in Paris, um israelische Waffenlieferungen an die Ukraine zu organisieren

Letzten Donnerstagabend traf der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu einem Besuch bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris ein. Es handelte sich dabei um Netanjahus erste offizielle Auslandsreise, seit er am 29. Dezember letzten Jahres wieder Ministerpräsident wurde.

Nach dem Treffen wurden zwar keine offiziellen Erklärungen oder Protokolle veröffentlicht, doch was Regierungsvertreter gegenüber den wichtigsten Zeitungen an Gesprächsdetails bekanntgaben, macht deutlich, dass es bei dem Treffen um Pläne zur Eskalation des Nato-Kriegs in der Ukraine und der Provokationen Israels gegen den Iran ging.

Der französische Präsident Emmanuel Macron (rechts) begrüßt den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor ihrem Treffen im Élysée-Palast in Paris, 2. Februar 2023 [AP Photo/Michel Euler]

Das Treffen fand vor dem Hintergrund der Bestrebungen der imperialistischen Mächte statt, den Krieg in der Ukraine drastisch zu verschärfen. In der ersten Januarwoche kündigte Macron als erster Regierungschef eines Nato-Staats die Lieferung von Panzern an die Ukraine an. Seither haben die EU-Mächte und die USA 120 hochmoderne Kampfpanzer und noch weiter entwickelte Raketensysteme an die Front geliefert. Zudem wird allgemein damit gerechnet, dass die Nato-Staaten bald als weitere Eskalation Kampfflugzeuge an die Ukraine liefern werden.

In diesem Zusammenhang nutzte Netanjahu das Treffen, um seine „Ukraine-Karte“ auszuspielen, indem er der Lieferung von israelischen Waffen an die ukrainischen Streitkräfte zustimmt. Als Gegenleistung verlangte er von Frankreich und seinen europäischen Verbündeten die Zusicherung, dass das Atomabkommen mit dem Iran von 2015 nicht wiederbelebt wird. Zudem sollen die europäischen Mächte weiterhin Israels Luftangriffe auf den Iran, den rechtsextremen Charakter seiner Regierung und deren repressive Innenpolitik einfach ignorieren.

Le Monde zitierte eine Quelle, die Informationen über das Treffen hatte und erklärte, Netanjahu habe dem französischen Präsidenten versprochen, Israel würde der Ukraine „Militärgerät“ liefern. Der israelische Außenminister Eli Cohen soll nächste Woche nach Kiew reisen, um die Lieferung israelischer Waffen an die ukrainische Armee unter Dach und Fach zu bringen.

Im Gegenzug erklärte „Macron seine Bereitschaft, Sanktionen gegen die iranische Revolutionsgarde zu erwägen“. Bei der Pressekonferenz am Freitag nach dem Treffen von Donnerstag erklärte Netanjahu: „Frankreich und Israel rücken bei ihrer Sicht auf die Bedrohung durch den Iran näher zusammen.“

Die beiden Politiker stehen an der Spitze krisengeschüttelter Regime, die in großen Teilen ihrer Bevölkerung verhasst sind. Während ihres Treffens protestierten Millionen von französischen und israelischen Arbeitern und Jugendlichen gegen ihre jeweiligen Regierungen. Tatsächlich ist es mehr oder weniger offensichtlich, dass Netanjahu darauf gehofft hat, mit seinem ersten offiziellen Staatsbesuch als neuer Ministerpräsident eine positive Publicity zu bekommen und damit den massiven Widerstand der Bevölkerung gegen sein Regime überspielen zu können.

In Israel gehen die Demonstrationen gegen Netanjahus rechtsextreme Regierungskoalition und deren geplante Justizreform bereits in die fünfte Woche. Am Samstag demonstrierten Zehntausende in 20 Städten im ganzen Land gegen Netanjahus Versuch, durch eine Reform die Justiz zu entmachten und Anklagen gegen sich selbst und seine Regierung aus rechtsextremen Nationalisten, Rassisten und Homophoben zu verhindern.

In Frankreich führt Macron ein ähnlich brüchiges Regime an. Der Präsident ist mit Massenprotesten von Arbeitern und Jugendlichen gegen seine äußerst unpopuläre Rentenreform und den rapide sinkenden Lebensstandard konfrontiert. Am 31. Januar demonstrierten laut den französischen Gewerkschaften 2,5 Millionen Menschen gegen die Reform, und selbst die von der Regierung angegebene Zahl von 1,27 Millionen Demonstranten ist ein Rekord. Zuvor hatten sich am 18. Januar Millionen an einem eintägigen Streik beteiligt.

Während des Treffens in Paris hinter verschlossenen Türen organisierte Netanjahus Regierung eine Serie von gewaltsamen Angriffen auf die palästinensische Bevölkerung. Alleine im Januar wurden 32 Palästinenser von israelischen Soldaten oder Siedlern getötet, u.a. bei der Razzia der israelischen Sicherheitskräfte im Flüchtlingslager Dschenin am 26. Januar, bei dem zehn Menschen getötet wurden. Netanjahus neue Offensive ist Teil des gewaltsamen staatlichen Vorgehens seiner Regierung, um die Siedlungen im Westjordanland massiv auszuweiten und jeden Widerstand im Inneren gegen die Annexion palästinensischer Gebiete zu unterdrücken.

Selbst hinter verschlossenen Toren verurteilte Macron den mörderischen Kurs des israelischen Staats nicht. Stattdessen riet er Netanjahu: „Wenn Sie in Palästina so weitermachen, wird es für Saudi-Arabien schwierig, ein Abkommen mit Ihnen zu akzeptieren.“

Mit anderen Worten, Macron lehnt eine Eskalation der Gewalt gegen Palästinenser nur insoweit ab, wie sie die von der Nato unterstützte Achse aus Israel und Saudi-Arabien gegen den Iran im Nahen Osten gefährdet. Tatsächlich hatte Macrons Regierung schon im Jahr 2022 Hilfsorganisationen kritisiert, die die Verfolgung der palästinensischen Bevölkerung durch den israelischen Staat und den privilegierten Rechtsstatus jüdischer Bürger in Israel als Apartheid bezeichnen.

Macron ist eindeutig besorgt über die Instabilität von Netanjahus Regime. Laut geleakten Äußerungen hat der französische Präsident gegenüber Netanjahu erklärt, die Justizreform würde eine „Krise einleiten, wie es sie seit der Gründung des Staates im Jahr 1948 nicht mehr gegeben hat“, und ihn gewarnt, wenn er sie durchsetzt, „sollte Paris zu dem Schluss kommen, dass sich Israel von einer gemeinsamen Vorstellung von Demokratie entfernt hat“.

Macrons Kritik macht zwar deutlich, dass sich die imperialistischen Bourgeoisien des undemokratischen Charakters des derzeitigen israelischen Regimes durchaus bewusst sind, sie ist aber völlig heuchlerisch. Der „Präsident der Reichen“ hat zusammen mit Marine Le Pens rechtsextremem Rassemblement National selbst eine Reihe von undemokratischen Gesetzen durchgesetzt, darunter das Muslime diskriminierende Gesetz und das globale Sicherheitsgesetz, das es verbietet, Fotos oder Videos von Polizisten zu machen.

Macrons Weigerung, Netanjahus Justizreform oder Israels mörderische Unterdrückung der Palästinenser öffentlich zu verurteilen, obwohl er Bedenken wegen ihrer geopolitischen Konsequenzen hat, ist auf die blutige Politik der Nato-Mächte selbst zurückzuführen. Vor allem versuchen sie nun, sich die umfassende Unterstützung Israels für den imperialistischen Krieg gegen Russland in der Ukraine zu sichern. Macrons eigene Rentenkürzungen zielen darauf ab, den Staatshaushalt zu entlasten, um die rapide Aufrüstung des französischen Imperialismus zu finanzieren und der Ukraine Waffen zu liefern, ohne den Reichtum der Superreichen zu beschneiden.

Macron und Netanjahu sind sich der Massenopposition gegen ihre Regimes und den Nato-Krieg gegen Russland durchaus bewusst. Deshalb haben sich die beiden „demokratischen“ Regierungschefs hinter verschlossenen Türen getroffen, um die nächste Stufe der Eskalation des Kriegs in der Ukraine zu planen. Daneben wollen sie die Provokationen gegen das bürgerlich-nationalistische Regime im Iran fortsetzen, um es zu einem Schritt zu bewegen, der als Rechtfertigung für einen offenen Krieg gegen den Iran benutzt werden kann.

Dass zwei so weithin verhasste Politiker zusammenkommen und militärische Angriffe auf Großmächte wie Russland und den Iran planen können, muss der arbeitenden Bevölkerung weltweit eine Warnung sein. Es besteht die akute Gefahr, dass sich der Ukraine-Krieg auf den gesamten Nahen Osten ausdehnt und zu einem direkten Konflikt zwischen atomar bewaffneten Großmächten führt.

Zudem sehen weder Macron noch Netanjahu den Ausbruch von politischem Widerstand und sozialen Protesten der Arbeiterklasse und der Jugend in irgendeiner Weise als Grund, ihren Kurs zu ändern. Stattdessen versuchen sie, die Bedingungen für eine Verschärfung ihrer reaktionären Politik zu schaffen, indem sie ihre militärische Eskalation beschleunigen und von der Bevölkerung fordern, sich ihnen und dem Militär anzuschließen, um Kriege zu führen, die sie selbst maßgeblich mit angezettelt haben.

Der Weg vorwärts liegt im Aufbau einer internationalen Massenbewegung der Arbeiterklasse gegen den Krieg, unabhängig vom gesamten politischen Establishment. Nur eine solche Kraft kann den reaktionären Einfluss von politischen Figuren wie Macron und Netanjahu zerstören und die militärische Eskalation beenden, die sie rücksichtslos in Gang setzen, bevor sie sich zu einem globalen Flächenbrand ausweitet.

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