Rechter SPD-Politiker Pistorius wird neuer Verteidigungsminister

Neuer deutscher Verteidigungsminister wird der bisherige Innenminister von Niedersachsen Boris Pistorius (SPD). Er tritt die Nachfolge von Christine Lambrecht an, die am Montag von ihrem Posten zurückgetreten ist. Medienberichten zufolge soll Pistorius am Donnerstag in Berlin vereidigt werden.

Boris Pistorius [Photo by Wolfgang Wilde / CC BY 3.0]

Der Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums leitet eine massive Eskalation des deutschen Militarismus und des Nato-Kriegs in der Ukraine gegen Russland ein. Vor dem nächsten Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein am 20. Januar bereiten die Nato-Mächte u.a. die Lieferung schwerer Kampfpanzer an die Ukraine vor. Pistorius wird bereits am Tag vorher, unmittelbar nach seiner Vereidigung, in Berlin mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zusammentreffen

Bereits am 6. Januar hatte die Bundesregierung zusammen mit den USA die Lieferung von Marder- und Bradley-Schützenpanzern an Kiew verkündet. Es gilt als ausgemacht, dass Berlin nun auch Leopard-2 Kampfpanzer schicken wird. 82 Jahre nach dem Vernichtungskrieg der Nazis gegen die Sowjetunion, dem fast 30 Millionen Menschen zum Opfer fielen, rollen damit wieder deutsche Panzer gegen Russland.

Als Verteidigungsminister hat Pistorius die Aufgabe, die Kriegs- und Aufrüstungspläne gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen. Bei seiner Vorstellung erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Pistorius ist ein äußerst erfahrener Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen.“

Das ist unmissverständlich. Bereits unter Lambrecht wurde unter dem Schlagwort „Zeitenwende“ die größte Aufrüstung seit Hitler auf den Weg gebracht und ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Bundeswehr verabschiedet. Lambrecht erklärte in öffentlichen Reden, Deutschland müsse auf Grund seiner „Größe, seiner geografischen Lage und seiner Wirtschaftskraft“ wieder zur „militärischen Führungsmacht“ werden. Letztlich wurde ihr aber nicht zugetraut, dieses Ziel wirklich durchzusetzen.

Die Aufgabe übernimmt nun Pistorius, der sich als Innenminister vor allem durch eine aggressive „Law and Order“-Politik und rechtsextreme Hetze gegen Flüchtlinge ausgezeichnet hat. Zu seinen Forderungen gehörten in der Vergangenheit u.a. die Errichtung von Konzentrationslagern für Flüchtlinge in Libyen, Abschiebungen auch in Kriegsgebiete, die massive Aufrüstung der Sicherheitsbehörden und der Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Die Medien feiern ihn deshalb als „roten General“. Die herrschende Klasse weiß, dass die Rückkehr des deutschen Militarismus wie in der Vergangenheit auch die Rückkehr von Autoritarismus und Diktatur erfordert.

Unmittelbar nach seiner Ernennung sprach Pistorius offen aus, dass Deutschland in der Ukraine Kriegspartei ist – was die Bundesregierung bisher stets geleugnet hat. „Das Verteidigungsministerium ist schon in zivilen, in Friedenszeiten, eine große Herausforderung,“ sagte er, „und in Zeiten, in denen man als Bundesrepublik Deutschland an einem Krieg beteiligt ist, indirekt, noch einmal besonders.“

Er versprach, die Bundeswehr „stark zu machen für die Zeit, die vor uns liegt“. Dies sei eine „gewaltige Aufgabe“. Die Truppe könne sich darauf verlassen, „dass ich mich, wann immer es nötig ist, vor sie stellen werde“.

Die World Socialist Web Site hat bereits in einem Artikel über Lambrechts Rücktritt aufgezeigt, wie weitreichend die Pläne sind, die gegenwärtig hinter dem Rücken der Bevölkerung ausgearbeitet werden. So fordert die aktuelle Titelstory des Spiegel unter Berufung auf führende Militärs die Verdreifachung des Bundeswehr-Sondervermögens auf 300 Milliarden Euro, die Erhöhung des jährlichen Rüstungshaushalts auf 120 Milliarden, die Einführung eines Generalstabs und die Beseitigung der zivilen Kontrolle über die Bundeswehr, die Stärkung der Rüstungsindustrie sowie die Erhöhung der Truppenstärke und die Reaktivierung der Wehrpflicht.

Andere Medien und Vertreter außenpolitischer Thinktanks formulieren ähnliche Ziele und drängen auf ihre zügige Umsetzung. Kurz nach Pistorius’ Ernennung veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Gastbeitrag von Christian Mölling, dem stellvertretenden Direktor der DGAP und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung. Seine „Zehn Punkte für den neuen Verteidigungsminister“ verfolgen ein Ziel: Deutschlands Verwandlung in eine schlagkräftige Kriegsmacht.

Trotz der „bedrohlichsten Situation seit der Kuba-Krise“ befinde sich die Bundeswehr „in einem desolaten Zustand“, tobt Mölling. Die „Zeitenwende“ sei „bislang kaum mehr als ein Lippenbekenntnis auf einem Sonder-Schuldenberg“. Deutschland habe „ein entscheidendes Jahr verloren, um die Bundeswehr zu modernisieren“. Dann erhebt er ähnliche Forderungen wie der Spiegel, „um die Zeitwende in Schwung zu bringen, die Bundeswehr langfristig wieder fit zu bekommen und auch um die Ukraine zu unterstützen“.

All das erfordere die umfassende Militarisierung der gesamten Gesellschaft. Mölling schreibt: „Betrachtet man den Verteidigungssektor als Bild, so gilt es, Verteidigung als Ökosystem, nicht als mechanische Pfeiler zu denken und zu beschreiben. Dieses System ist an seinen Rändern offen und verbunden mit vielen anderen Bereichen von Sicherheit und öffentlichem Leben. Je geschlossener das System ist, desto mehr bleibt es eine Sonderorganisation im Leben.“

Das ist der alte, verhängnisvolle Geist des deutschen Militarismus, artikuliert in modernem Thinktank-Deutsch. Das Militärische muss alle Poren der Gesellschaft durchdringen. Es darf keine „Sonderorganisation im Leben“ bleiben – es ist das Leben.

Nicht nur derartige Konzeptionen erinnern an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte. Die gesamte Außenpolitik verläuft entlang ähnlicher Linien wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg. In ihrem Statement „Keine Panzerlieferungen an die Ukraine! Stoppt die Gefahr eines dritten Weltkriegs!“ schreibt die Sozialistische Gleichheitspartei:

Seit der Wiedervereinigung arbeitet die herrschende Klasse systematisch daran, Europa unter deutscher Führung zu organisieren, um weltweit ihre geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen... Nun nutzt sie den reaktionären Einmarsch Russlands in die Ukraine als Vorwand, um die größte Aufrüstung seit Hitler ins Werk zu setzen und wieder gegen Russland loszuschlagen. Dabei geht es dem deutschen Imperialismus nicht nur um geostrategische Interessen und die gewaltigen Rohstoffvorkommen des Landes – ihn treibt auch der Wunsch nach Vergeltung für die Kriegsniederlagen im 20. Jahrhundert.

Die imperialistische Offensive beschwört dabei immer stärker die Gefahr eines direkten Kriegs mit der Atommacht Russland herauf. Aktuell verlegt die Bundeswehr Patriot-Raketensysteme nach Polen. Insgesamt werden im Laufe dieser Woche drei Staffeln mit insgesamt 600 Soldaten im Nachbarland stationiert.

Mit dem Güterbahnhof Zamość sollen die Patriots „einen wichtigen Umschlagbahnhof für die Ukraine-Hilfe schützen“, schreibt der Spiegel. Auf dem 30 Kilometer von der polnisch-ukrainischen Grenze entfernten Bahnhof würden „sowohl Hilfsgüter als auch Militärmaterial für die Ukraine verladen“. Aufgabe der Luftwaffe sei es, „den Bahnhof vor möglichen Attacken aus der Luft [zu] schützen“.

Mit anderen Worten: Die Bundeswehr soll gewährleisten, dass die geplanten Panzerlieferungen sicher an die Front gelangen. Deutschland wird damit auch auf dem Schlachtfeld immer direkter zur Kriegspartei. Der stellvertretende Leiter des Sicherheitsrats der russischen Föderation und frühere Präsident Russlands Dmitri Medwedew hat angedroht, die westlichen Panzer in „rostiges Altmetall“ zu verwandeln. Am Krieg beteiligte Nato-Staaten bezeichnete er als legitime Ziele. Trotzdem treibt allen voran auch Berlin die Eskalation voran.

Pistorius sollte in seiner Antrittsrede erklären, was die Konsequenzen dieser Politik sind. Wie viele Millionen Menschen gedenkt die herrschende Klasse diesmal zu opfern, um Russland militärisch zu besiegen und ihre Weltmachtpläne in die Tat umzusetzen? Was ist das Szenario der Bundesregierung, wenn der Krieg nuklear eskaliert? Es ist klar, dass bereits in einem „konventionellen“ Krieg mit Russland Millionen Menschen in ganz Europa ihr Leben verlieren würden.

Es ist höchste Zeit, den Kriegswahnsinn zu stoppen. Das erfordert den Aufbau einer internationalen Massenbewegung gegen Krieg und seine Ursache, das kapitalistische System. Die Sozialistische Gleichheitspartei nimmt an der Berlinwahl teil, um der enormen Opposition gegen Militarismus und Krieg eine Stimme und eine sozialistische Perspektive zu geben. Wir rufen alle Arbeiter und Jugendlichen auf: macht die Wahl zu einem Referendum gegen Krieg! Registriert euch jetzt als aktive Unterstützer und wählt am 12. Februar SGP!

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