Am vergangenen Samstag hielt die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) im Rahmen ihrer Kampagne zur Berlinwahl ihre erste zentrale Kundgebung ab, die am Rathaus des Berliner Stadtteils Spandau stattfand. Inmitten des mörderischen Stellvertreterkrieges in der Ukraine – der zu einem Atomkrieg zwischen Russland und der Nato zu eskalieren droht – ist die SGP die einzige Partei, die mit einem Programm gegen Krieg zu den Wahlen des Berliner Abgeordnetenhauses antritt.
Unter dem Eindruck der am Vortag beschlossenen Panzerlieferungen an das ukrainische Militär ging von der mehrstündigen Kundgebung ein starker politischer Impuls aus. Die SGP hatte umgehend ein Statement veröffentlicht, das die Waffenlieferungen verurteilt, eindringlich vor den Folgen dieser Eskalation warnt und eine Anti-Kriegs-Perspektive für die internationale Arbeiterklasse erläutert.
Christoph Vandreier, der Vorsitzende der Sozialistischen Gleichheitspartei, erklärte in seiner Eröffnungsrede: „Mit der Marder-Lieferung rollen deutsche Panzer wieder gegen Russland und riskieren einen nuklearen Weltkrieg. Schützenpanzer sind Offensivwaffen, die dazu dienen, russisch besetzte Gebiete zurückzuerobern – aber die Rückeroberung der Krim würde einen Nuklearkrieg bedeuten!“
Unter Bezugnahme auf die aggressiven Äußerungen führender Regierungspolitiker fuhr Vandreier fort: „Die Behauptung, dass nur ein militärischer ‚Sieg‘ der Ukraine und des Westens Frieden herstellen könne, entspricht der Propaganda des deutschen Militarismus im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Niemand sollte sich Illusionen machen: Die herrschende Klasse wird trotz ihrer historischen Verbrechen nicht davor zurückschrecken, deutsche Soldaten wieder für imperialistische Eroberungskriege auf die Schlachtbank zu führen.“
Neben Christoph Vandreier charakterisierten der langjährige Parteivorsitzende Ulrich Rippert und Vorstandsmitglied Gregor Link in mehreren eindringlichen Redebeiträgen das sozialistische Programm und die historischen Grundlagen der SGP und ihrer Jugendorganisation, den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE). Viele Passanten blieben stehen, verfolgten die Kundgebung und diskutierten mit SGP-Mitgliedern den Aufbau einer internationalen Massenbewegung gegen den Krieg.
Drei Jugendliche, die noch nicht wählen dürfen, zeigen sich sehr interessiert am Wahlaufruf der SGP. Während einer von ihnen den Aufruf auf seinem Instagram-Profil postet, bemerkt ein anderer: „Einerseits sagen die Politiker, sie seien für Frieden, aber andererseits schicken sie große Mengen an Waffen in die Ukraine. Das macht doch keinen Sinn.“
Als SGP-Mitglieder erwidern, dass die imperialistischen Nato-Mächte im Nahen Osten viele Kriege unter dem Vorwand von Frieden und Demokratie geführt haben, setzt der Schüler hinzu: „Ich komme aus dem Irak, meine Familie ist vor dem Krieg dort geflohen. Sie verbreiten immer Lügen über die Kriege.“
Sonja besucht eine Sekundarschule in Spandau und hat ebenfalls ein Foto von der SGP-Kundgebung auf ihrem Social-Media-Account gepostet. „Eine Massenbewegung gegen den Krieg finde ich gut. Es ist wichtig, dass man aufklärt“, sagt sie. „Meine Mutter ist Russin und wir haben in der Schule mehrere Flüchtlingskinder aus der Ukraine. Ich habe für ukrainische Kinder Kleidung gespendet.“
„Die Panzerlieferungen finde ich schlecht, weil sie auch Geld kosten, das man woanders braucht. Es ist alles teurer geworden. Ich glaube, wegen der Aufrüstung wird alles teurer. Es macht Sinn, was du erklärt hast: Es wird Geld von den Schulen abgezogen, um es in Militär und Krieg zu investieren und Profit zu schlagen.“
Über die Profite-vor-Leben-Politik des Berliner Senats sagt Sonja: „In der Schule wurden alle krank und ich habe gehört, dass es für viele richtig schlimm war. Viele andere Menschen sind an Corona gestorben. Man sollte dagegen aktiv werden. Auch die Impfungen haben irgendwann nichts mehr gebracht. Die Armut in Berlin ist sehr schlimm, auch die Obdachlosigkeit ist richtig hoch.“
„Wir haben in der Schule über Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geredet“, berichtet Sonja und lehnt das erneute Großmachtstreben der deutschen Eliten ab: „Ich hätte nie gedacht, dass die Regierung wieder die Macht in Europa haben will. Ich denke, Deutschland sollte nach dem ersten und zweiten Weltkrieg Frieden anstreben, nicht Weltmacht.“
„In den anderen Kriegen hat die Regierung nicht ‚geholfen‘, obwohl sie genauso schlimm waren wie der Krieg jetzt. Deutschland will von dem Krieg profitieren. Der Regierung ist es ganz egal, dass Menschen sterben. Ihr seid dagegen, das finde ich sehr gut. Es sollte mehr solche Leute geben wie euch.“
Als Sonja hört, dass das Innenministerium und der Verfassungsschutz die SGP unter geheimdienstliche Beobachtung gestellt haben, sagt sie: „Es gibt so viele Parteien, die rechtsextrem sind und schlimme Dinge vor haben. Euch beobachten sie wahrscheinlich nur, weil ihr Dinge aufdeckt, von denen sie wollen, dass sie geheim bleiben.“
Eine weitere junge Zuhörerin, die mit einer Freundin zur Kundgebung gekommen ist, sagt: „Die Ursache von allen Problemen ist die Geldverteilung. Das Geld ist nicht da, wo es sein sollte und es wird dort weggenommen, wo es am meisten gebraucht wird. Wir brauchen mehr Geld für Sozialberufe.“
„Ich bin dagegen, dass Geld in Rüstung investiert wird“, sagt Rejin, die an der Freien Universität ein Lehramt-Studium der Geschichtswissenschaft absolviert und außerdem in der Prostitutions-Ausstiegshilfe arbeitet: „Wo fließt das Geld hin und wo soll es herkommen? Die Weltlage wird immer instabiler.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
„Obwohl ich im Einzelhandel arbeite, kann ich mir kein Obst mehr leisten“, fährt Rejin fort. „Um Miete und Kosten zu sparen, wohne ich bei meinen Eltern, die von Hartz IV leben müssen. Wenn ich ausziehen würde, würden meine Eltern ihr Zuhause verlieren. Es gibt nicht genug Wohnungen in Berlin.“ Zur Politik der Regierungsparteien und der Bedeutung der Wahlteilnahme der SGP sagt Rejin:
„Meine erste Stimme bei einer Wahl war für die Grünen, das war ja bei vielen so. Dass die Grünen diesen Krieg antreiben, hat mich enttäuscht, aber mir wurde schnell klar, dass es nicht das erste Mal ist. Mittlerweile verstehe ich mich als Kommunistin und habe mich auch mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auseinandergesetzt.“
„Ich erwarte nicht, dass der Staat neutral ist. Vor kurzem habe ich gesehen, wie Polizisten im Bahnhof gegen eine alte Frau vorgegangen sind, die dort vor der Kälte Schutz gesucht hat. Ich habe lange darüber nachgedacht, wen ich wählen soll, weil ich die Linkspartei nicht mehr wählen möchte. Als ich euer Plakat gesehen habe, habe ich mich gefreut, dass ich jetzt jemand anders wählen kann.“
Thomas, der bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) als Fahrer arbeitet, hat die Beiträge mehrerer SGP-Sprecher eingehend verfolgt. Er sagt: „Ich denke auch, dass die Welt auf einen Weltkrieg zugeht und dass Putin vom Westen provoziert wurde. Was ihr heute hier auf der Kundgebung gesagt habt, sehe ich auch so.“
„Ich habe wirklich Angst vor einem dritten Weltkrieg, aber ich weiß nicht, wie man ihn verhindern kann“, fährt Thomas fort. „Viele Kollegen denken so wie ihr. Aber wir kleinen Leute haben nichts zu sagen und man weiß nicht, was man wählen soll. Ich habe früher die Grünen gewählt, weil sie sich gegen Krieg und Waffenlieferungen ausgesprochen haben.“ Heute seien die Grünen die führenden Kriegstreiber.
Unter Verweis auf die wachsende Streikwelle in Großbritannien, Frankreich, den USA und unzähligen anderen Ländern erläuterten SGP-Mitglieder daraufhin, dass die Partei für den Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees eintritt, die den Widerstand gegen den Krieg und die Angriffe auf den Lebensstandard international zusammenführen und entwickeln. Ursache der Kriegsentwicklung sei die tiefe Krise des Kapitalismus, die nur durch eine sozialistische Bewegung der Arbeiter gegen Krieg gelöst werden könne. Daraufhin erwidert Thomas:
„Von den Streiks habe ich gehört. Ich frage mich, ob sie wirklich etwas ändern können. Man strampelt sich den ganzen Tag ab und hat nichts davon. Den Medien kann man jedenfalls nicht mehr glauben und die Regierung ist nichts anderes als eine Marionette der Superreichen. Ich wähle euch auf jeden Fall.“
Nach dem Gespräch mit SGP-Mitgliedern nahm Thomas einen Stapel Wahlaufrufe mit, um sie unter Kollegen zu verteilen.
Mehr Informationen zur SGP und zur Teilnahme an unserem Wahlkampf findet ihr unter www.gleichheit.de/